Wiederzulassung als Rechtsanwalt – und die fortbestehende Unwürdigkeit

Nach § 7 Nr. 5 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn sich der Bewerber eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das ihn unwürdig erscheinen lässt, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Bewerber ein Verhalten gezeigt hat, dass ihn bei Abwägung dieses Verhaltens und aller erheblichen Umstände wie Zeitablauf und zwischenzeitliche Führung nach seiner Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf nicht tragbar erscheinen lässt.

Wiederzulassung als Rechtsanwalt – und die fortbestehende Unwürdigkeit

Hierbei kann auch ein schwerwiegendes Verhalten nach einer mehr oder minder langen Zeit durch Wohlverhalten oder andere Umstände so sehr an Bedeutung verlieren, dass es die Zulassung nicht mehr hindert. Bei gravierenden Straftaten mit Bezug zur beruflichen Tätigkeit des Rechtsanwalts hält der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung einen Abstand zwischen der die Unwürdigkeit begründenden Straftat des Bewerbers und dessen Wiederzulassung von in der Regel 15 bis 20 Jahren für erforderlich.

Bindende feste Fristen gibt es insoweit jedoch nicht. Vielmehr sind alle für und gegen den jeweiligen Bewerber sprechenden Umstände einzelfallbezogen zu gewichten, wobei im Hinblick auf die mit der Versagung der Zulassung verbundene Einschränkung der Berufswahlfreiheit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden muss[1].

Daneben kommt Bedeutung der Frage zu, wie der Bewerber in der Zwischenzeit mit seinem Fehlverhalten umgegangen ist und ob er sich auch ansonsten untadelig geführt hat. Hat er sich zu seinem Fehlverhalten bekannt und keine weiteren Verfehlungen begangen, schlägt dies positiv zu Buche. Umgekehrt wirkt sich ein Versuch, über das eigene Fehlverhalten zu täuschen, negativ aus. Dasselbe gilt, wenn nach der die Unwürdigkeit begründenden Tat neue – selbst kleinere – Verfehlungen hinzugekommen sind[2].

Im hier entschiedenen Fall ist der Bundesgerichtshof insoweit davon ausgegangen, dass die erstmals im Klageverfahren bekundete Reue prozesstaktisch motiviert und nicht von wirklicher innerer Einsicht getragen ist. Der Anwaltsbewerber hat die Richtigkeit seiner Verurteilung in Abrede gestellt, sein damaliges Geständnis als nur prozesstaktisch motiviert, aber inhaltlich falsch bezeichnet und sich als Opfer fremder Machenschaften dargestellt und insoweit Vorwürfe vor allem gegen Polizei und Justiz erhoben. Die hierin zum Ausdruck kommende Uneinsichtigkeit steht einer günstigen Prognose über das zukünftiges Verhalten entgegen[3].

Zu seinen Lasten war im vorliegenden Fall auch zu berücksichtigen, dass dieser in seinem Antrag auf Zulassung die Frage „Sind gegen Sie strafgerichtliche Verurteilungen (§§ 4 bis 8 BZRG) verhängt worden?“ ausdrücklich verneint und gleichzeitig die vollständige und wahrheitsgemäße Beantwortung der ihm gestellten Fragen versichert hat. Ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht im Zulassungsverfahren stellt nach der Bundesgerichtshofsrechtsprechung jedoch eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar[4]. Die Einlassung, es handele sich um ein Versehen, da er der Auffassung gewesen sei, die Frage meine „anderweitige“ Verurteilungen, „da ja die hier in Rede stehende Vorverurteilung Gegenstand des Verfahrens und damit bekannt war“, ist nicht nachvollziehbar. Die Fragestellung im Fragebogen ist eindeutig und kann nicht in dem Sinn interpretiert werden, sie beziehe sich nur auf Verurteilungen, von denen der jeweilige Antragsteller meint, sie seien der Rechtsanwaltskammer unbekannt. Dies musste dem Antragsteller als Volljurist auch klar sein. Die Einlassung steht auch in Widerspruch zum früheren Verhalten; so hat er in seinem bei der Rechtsanwaltskammer gestellten Antrag auf Wiederzulassung aus dem Jahr 2007 die entsprechende Frage mit „ja“ angekreuzt. Sein Verhalten des Klägers spricht insoweit nach Auffassung des Bundesgerichtshofs dafür, dass er gehofft hat, die lange zurückliegenden Vorgänge könnten möglicherweise bei der Rechtsanwaltskammer nicht mehr gegenwärtig sein.

Unter Berücksichtigung aller Umstände kann deshalb nach Auffassung des Bundesgerichtshofs – auch 16 Jahre nach den Taten (versuchter Prozessbetrug, falsche uneidliche Aussage, Verleumdung), wegen derer eine Verurteilung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von 2 Jahren erfolgte, noch keine Rede davon sein, dass der ehemalige Rechtsanwalt wieder würdig ist, als Rechtsanwalt zugelassen zu werden. Hierbei machen seine falschen Angaben im Zusammenhang mit seinem aktuellen Zulassungsantrag deutlich, dass er aus den Erfahrungen der Vergangenheit nicht ausreichend gelernt hat und ihm – jedenfalls zur Zeit noch – die von einem Rechtsanwalt zu erwartende Einstellung zur Wahrheitspflicht fehlt. Sein Interesse an einer (Wieder)Eingliederung in den Anwaltsberuf hat noch keinen Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an der Integrität des Anwaltsstands und einer funktionierenden Rechtspflege. Dies gilt auch unter Berücksichtigung seines Alters und seines Vortrags, er habe sich im Rahmen seiner Tätigkeit als Assessor in der Kanzlei seines früheren Sozius keine weiteren Verfehlungen zu Schulden kommen lassen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. Februar 2015 – AnwZ (Brfg) 55/14

  1. vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 10.05.2010 – AnwZ (B) 117/09 4, 6 ff.; vom 12.07.2010 – AnwZ (B) 116/09 7 ff.; vom 10.10.2011 – AnwZ (Brfg) 10/10, HFR 2012, 447 f.; und vom 28.03.2013, aaO S.197 Rn. 5 f.[]
  2. vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 04.04.2005 – AnwZ (B) 21/04 9; und vom 10.10.2011, aaO S. 448[]
  3. so bereits BGH, Beschluss vom 15.06.2009 – AnwZ (B) 59/08[]
  4. vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 11.12 1995 – AnwZ (B) 34/95, BRAK-Mitt.1996, 73, 74; vom 03.03.1997 – AnwZ (B) 62/96, BRAK-Mitt.1997, 171; und vom 04.04.2005, aaO Rn. 9; siehe zur entsprechenden Wertung im Notarrecht auch BGH, Beschluss vom 05.03.1992 – NotZ (Brfg) 13/11, NJW-RR 2012, 632 Rn. 8 ff.[]