Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen ; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten[1].
Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
Mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts ist nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Die Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt[2]. Auch wenn die gesetzliche Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern[3].
Der Vermögensverfall begründet zwar in erster Linie eine abstrakte Gefährdung der Rechtsuchenden, die nach der Wertung des Gesetzgebers in § 7 Nr. 9 BRAO nur für die Versagung der Zulassung, nicht aber für deren Widerruf ausreicht[4]. Der Gesetzgeber leitet aber aus dem Vermögensverfall nicht nur eine abstrakte Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ab, sondern auch ein Indiz für deren konkrete Gefährdung. Dies ergibt sich aus dem Text der Vorschrift. Danach ist die konkrete Gefährdung der Rechtsuchenden keine neben dem Vermögensverfall stets positiv festzustellende Voraussetzung für den Widerruf. Vielmehr stellt ihr Fehlen einen Ausnahmefall dar, in dem von dem Widerruf abzusehen ist[5]. Eine Verletzung des Grundrechts der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG ergibt sich hieraus nicht.
Die Höhe der Schuldenlast ist dabei nicht das allein maßgebliche Kriterium. Der Ausschluss einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass der Rechtsanwalt eine Perspektive zur Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat[6]. Er muss deshalb zielgerichtet, ernsthaft und planvoll die erforderlichen Schritte zur Stabilisierung seiner Vermögensverhältnisse unternommen haben[7].
Die Gefahr für die Interessen der Rechtsuchenden ist gegeben, wenn eine Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Rechtsanwalts nicht möglich ist. Dass der Rechtsanwalt seit Jahren beanstandungsfrei tätig war und ist und sich seit seinem Vermögensverfall gesellschaftsinternen Beschränkungen in einer Anwaltssozietät unterworfen hat, enthebt ihn nicht von der Verpflichtung, nachhaltig seine Vermögensverhältnisse zu konsolidieren.
Bei der Frage, welche konkrete Quantität der Vermögensverfall betragsmäßig erreicht haben muss, dass der Ausnahmetatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO[8] nicht festgestellt werden kann, handelt es sich nicht um eine allgemein klärungsfähige Rechtsfrage. Entscheidend für das Vorliegen einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ist, ob eine Perspektive vorhanden ist, dass eine Konsolidierung der Vermögensverhältnisse möglich erscheint.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. Mai 2019 – AnwZ (Brfg) 19/17
- vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 29.06.2011 AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; vom 10.03.2014 AnwZ (Brfg) 77/13 ; vom 20.05.2015 AnwZ (Brfg) 7/15[↩]
- st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 29.12 2016 AnwZ (Brfg) 53/16, mwN[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 15.12 2017 AnwZ (Brfg) 11/17 ; vom 21.02.2018 AnwZ (Brfg) 72/17[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 13.09.2010 AnwZ (B) 106/09, mwN[↩]
- BGH, aaO[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 18.10.2004 AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511 f.; vom 05.12 2005 AnwZ (B) 14/05, AnwBl.2006, 281 Rn. 13 ; vom 08.02.2010 AnwZ (B) 67/08, AnwBl.2010, 442 Rn. 13 ; vom 13.09.2010 AnwZ (B) 106/09, aaO Rn. 17 ; vom 24.10.2012 AnwZ (Brfg) 61/11, AnwBl.2013, 145 Rn. 6[↩]
- BGH, Beschluss vom 13.09.2010 AnwZ (B) 106/09, aaO Rn. 17[↩]
- fehlende Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden[↩]