Neubestellung eines Notars oder Verlegung eines Amtssitzes?

Die Entscheidung der Justizverwalung, eine freigewordene Notarstelle nicht durch Verlegung des Amtssitzes eines bereits bestellten Notars, sondern durch Neubestellung eines Notars zu besetzen, ist gerichtlich nur beschränkt überprüfbar. In diesem – der eigentlichen Auswahlentscheidung unter mehreren Bewerbern „vorgelagerten“ – Bereich kommt der Justizverwaltung im Rahmen ihrer Organisationshoheit ein weiter, in erster Linie an den Belangen einer geordneten Rechtspflege ausgerichteter Beurteilungsspielraum zu (vgl. § 4 Satz 2, § 10 Abs. 1 Satz 3 BNotO)[1]. Dementsprechend liegt es grundsätzlich im Rahmen des der Justizverwaltung eingeräumten Beurteilungsspielraums, Amtssitzverlegungen eines Notars abzulehnen, wenn durch die Sitzverlegung die konkrete Gefahr einer nachhaltigen erheblichen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit der Altstelle bestünde.

Neubestellung eines Notars oder Verlegung eines Amtssitzes?

Denn dies könnte zu einer Beeinträchtigung der angemessenen Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Leistungen am bisherigen Amtssitz des Bewerbers insbesondere deshalb führen, weil wegen der zu befürchtenden Aushöhlung der Altstelle geeignete Interessenten davon abgehalten werden können, sich auf die frei werdende Stelle zu bewerben. Um die konkrete Gefahr einer nachhaltigen erheblichen Minderung der Leistungsfähigkeit der Altstelle zu bejahen, bedarf es einer auf die Umstände des Einzelfalls bezogenen und durch Tatsachen hinreichend belegten Prognose[2].

Die Prognose der Justizverwaltung im hier entschiedenen Fall beruht dabei nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auf einer Würdigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles und ist durch Tatsachen hinreichend belegt. Rechtsfehlerfrei hat die Justizverwaltung zum einen darauf abgestellt, dass sowohl die Stelle des Klägers als auch die freigewordene Notarstelle im selben Amtsbereich gelegen sind und zwischen ihnen nur eine geringe Entfernung (10 km Luftlinie, 13 km mit dem Kfz) liegt, die auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln in kurzer Zeit zurückzulegen ist. Bei dieser Sachlage begegnet die Annahme des Beklagten keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, angesichts der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung sei zu erwarten, dass ein nicht geringer Teil der Klientel mit dem Notar von Düsseldorf-Benrath nach Düsseldorf-Innenstadt „abwandern“ werde. Der Beklagte hat darüber hinaus in rechtlich nicht zu beanstandender Weise darauf abgestellt, dass es sich bei der Notarstelle, die der Notar jetzt innehat, um eine unterdurchschnittliche Stelle handelt, so dass schon das Mitwandern eines verhältnismäßig geringen Teils der Klientel einen deutlichen Einbruch des Urkundsaufkommens bei dieser Notarstelle nach sich ziehen würde. Die Justizverwaltung hat im hier entschiedenen Fall auch die Möglichkeit einer Einziehung der derzeitigen Notarstelle des Notars geprüft und im Hinblick auf den Bedarf von 1,36 Notaren bei zwei Stellen rechtsfehlerfrei verneint.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. Juli 2012 – NotZ (Brfg) 17/11

  1. BGH, Beschlüsse vom 18.07.2011 – NotZ(Brfg) 1/11, ZNotP 2011, 394 Rn. 13 f.; vom 24.07.2006 – NotZ 1/06, ZNotP 2006, 390, 391 und vom 14.07.2003 – NotZ 47/02, ZNotP 2003, 470[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 24.07.2006 – NotZ 1/06, ZNotP 2006, 390[]