Anwaltsnotare – und die Besetzung der Aufgabenkommission für die notarielle Fachprüfung

Eine möglicherweise fehlerhafte Besetzung des Verwaltungsrats oder der Aufgabenkommission haben keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Prüfungsverfahrens der notariellen Fachprüfung[1].

Anwaltsnotare – und die Besetzung der Aufgabenkommission für die notarielle Fachprüfung

Die beim Prüfungsamt eingerichtete Aufgabenkommission bestimmt die Aufgaben für die schriftliche Prüfung, entscheidet über die zugelassenen Hilfsmittel und erarbeitet Vorschläge für die mündlichen Prüfungen (§ 7g Abs. 4 Sätze 1 und 2 BNotO). Die Mitglieder der Aufgabenkommission werden von der Leitung des Prüfungsamts im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat bestellt (§ 7g Abs. 4 Satz 4 BNotO). Die Aufgabenkommission besteht gemäß § 3 Abs. 1 der aufgrund der Ermächtigungen in § 7g Abs. 2 Satz 2 und § 7i BNotO erlassenen Verordnung über die notarielle Fachprüfung vom 07.05.2010 (NotFV)[2] aus mindestens acht und höchstens zehn Mitgliedern, wovon mindestens sechs Mitglieder Notarin oder Notar sein sollen (§ 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 NotFV). Sie fasst ihre Beschlüsse mit der Mehrheit der Stimmen ihrer Mitglieder (§ 3 Abs. 4 Satz 1 NotFV).

Dass die Zahl der Mitglieder der Aufgabenkommission von der Verordnung nicht fest vorgegeben ist und sich innerhalb eines dort vorgesehenen – geringfügigen – Spielraums bewegen darf, sie folglich acht, neun oder zehn Personen betragen kann, ist weder rechtlich bedenklich noch hätte sich eine zahlenmäßig abweichende Besetzung auf die getroffene Auswahlentscheidung auswirken können.

§ 3 Abs. 1 Satz 1 NotFV verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, namentlich den Bestimmtheitsgrundsatz (Art.20 Abs. 3 GG, Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) oder das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG). Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung ergeben sich aus §§ 7g Abs. 2 Satz 2 und 7i BNotO. Der gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 NotFV eröffnete – begrenzte – Spielraum hat den – sachlich begründeten – Zweck, auf die wechselnden Anforderungen[3] flexibel reagieren zu können[4]. Abweichende gesetzliche Vorgaben ergeben sich aus den §§ 7a ff BNotO nicht.

Der der Leitung des Prüfungsamts eingeräumte Spielraum bei der Bestellung der Mitglieder der Aufgabenkommission hätte sich ungeachtet dessen auch nicht nachteilig auf das prüfungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 iVm Art. 12 Abs. 1 GG) auswirken können. Wie ausgeführt, fasst die Aufgabenkommission ihre Beschlüsse mit der (einfachen) Mehrheit der Stimmen ihrer Mitglieder. Ihre absolute Zahl – acht, neun oder zehn Personen – hat mithin im Ergebnis auf die Mehrheitsverhältnisse keinen maßgeblichen Einfluss. An dem (hier:) einstimmigen Abstimmungsergebnis hätte sich vorliegend bei einer geringeren Anzahl von Mitgliedern der Aufgabenkommission nichts geändert.

Gemäß § 7g Abs. 4 Satz 4 BNotO werden die Mitglieder der Aufgabenkommission für die Dauer von fünf Jahren bestellt. Ihre Bestellung kann von der Leitung des Prüfungsamts im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat aus wichtigem Grund widerrufen werden (§ 3 Abs. 2 NotFV). Dies bedeutet aber nicht, dass die Amtszeit – vom Fall des Widerrufs abgesehen – nicht vorzeitig beendet werden darf. Aus der Begründung des Verordnungsgebers folgt vielmehr, dass § 3 Abs. 2 NotFV nicht abschließend zu verstehen ist, sondern allein die Widerrufsmöglichkeit regelt[5]. Dies schließt aber gerade nicht aus, dass es – über den Tod eines Kommissionsmitglieds hinaus – Gründe geben kann, die Amtsperiode vorzeitig zu beenden. Dementsprechend hat der Verordnungsgeber in dem (freiwilligen) Rücktritt ohne weiteres einen Grund für die Beendigung der Mitgliedschaft gesehen, ohne dass er deswegen eine ausdrückliche Regelung für erforderlich gehalten hat[6].

Einer „förmlichen Abberufung“ in Gestalt eines dem Widerruf der Bestellung vergleichbaren Akts durch die damalige Leiterin des Prüfungsamts – gegebenenfalls unter Einbeziehung der Mitglieder des Verwaltungsrats – bedarf es bei einer solchen freiwilligen Rückgabe des Amtes nicht. Es genügte, dass die Amtsleitung, wie vorliegend geschehen, den Rücktritt akzeptierte und dies aktenkundig machte. Dies war zugleich Anlass, für eine Nachbesetzung der Stelle zu sorgen, was hier zeitnah erfolgt ist. Anderes erforderte auch „die Sicherung der Stabilität des Gremiums und seiner Aufgabenerfüllung“ nicht. Soweit argumentiert wird, es könne gleichzeitige Rücktritte zur Unzeit geben, ist diesem – eher unwahrscheinlichen Umstand – hinreichend durch den bestehenden Spielraum bei der Anzahl der Kommissionsmitglieder Rechnung getragen.

Die Besetzung der Aufgabenkommission ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Notaranwärterin eine (theoretisch) mögliche fehlerhafte Benennung der Verwaltungsratsmitglieder geltend macht.

Gemäß § 7g Abs. 4 Satz 4 BNotO werden die Mitglieder der Aufgabenkommission von der Leitung des Prüfungsamts im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat bestellt. Der beim Prüfungsamt eingerichtete Verwaltungsrat übt die Fachaufsicht über dessen Leitung und die Aufgabenkommission aus (§ 7g Abs. 5 Sätze 1 und 2 BNotO). Er besteht aus einem vom Bundesministerium der Justiz, einem von der Bundesnotarkammer und drei einvernehmlich von den Landesjustizverwaltungen, in deren Bereich Anwaltsnotare bestellt werden, benannten Mitgliedern (§ 7g Abs. 5 Satz 3 BNotO). Selbst wenn man unterstellt, es habe bei der Besetzung des Verwaltungsrats Fehler gegeben, hätte dies auf die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Prüfungsentscheidung keinen Einfluss.

Ernennungs- und Besetzungsfehler lassen grundsätzlich die Wirksamkeit einer Verwaltungsentscheidung eines – möglicherweise – fehlerhaft gebildeten Organs oder eines fehlerhaft berufenen Amtsträgers unberührt, ohne dass es dafür einer besonderen gesetzlichen Regelung im Sinne einer „Erhaltensvorschrift“ bedürfte[7]. Eine Regel, nach der ein Staatsakt allein deshalb, weil das kollegiale Organ, das ihn erlassen hat, falsch zusammengesetzt ist, unwirksam ist, gibt es nicht[8]. Etwas anderes wäre mit dem Prinzip der Rechtssicherheit, die ein wesentliches Element der Rechtsstaatlichkeit ist, auch nur schwer zu vereinbaren.

Im Prüfungsverfahren führt ein Verfahrensfehler grundsätzlich nur dann zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung, wenn er wesentlich ist und somit ein Einfluss auf das Prüfungsergebnis nicht ausgeschlossen werden kann[9]. Mit Blick auf die Aufgabenvielfalt des Verfahrensrechts muss überdies ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Verfahrensfehler und der geltend gemachten Rechtsverletzung bestehen, der nur dann anzunehmen ist, wenn im Gefüge der Verfahrenshandlungen gerade die einschlägige Verfahrensbestimmung eine Schutzaufgabe für die materiellrechtliche Position des Klägers hat[10]. Beides ist nicht der Fall.

Bei der Bestellung der Verwaltungsratsmitglieder handelt es sich um einen weit im Vorfeld einer konkreten Prüfungssituation liegenden Akt. Der mit der Gestaltung der Prüfung nicht befasste Verwaltungsrat ist ein reines Verwaltungs- bzw. Kontrollorgan, das keinen unmittelbaren Einfluss auf die von der Aufgabenkommission ausgewählten Prüfungsaufgaben geschweige denn auf das konkrete Klausurergebnis hat. Daran ändert es nichts, dass der Verwaltungsrat durch seine Aufsichtsfunktion die Möglichkeit hat, den Mitgliedern der Aufgabenkommission im Einzelfall Weisungen zu erteilen, die gegebenenfalls auch die Auswahl der Klausuren betreffen können. Über eine entfernte mittelbare Wirkung geht dies nicht hinaus. Der Verwaltungsrat nimmt nicht unmittelbar am Prüfungsverfahren der einzelnen Prüflinge teil, er beurteilt nicht ihre Leistungen und nimmt dementsprechend ihnen gegenüber keinen Beurteilungsspielraum in Anspruch[11].

Es ist ferner nichts dafür ersichtlich, dass die vom Verwaltungsrat ausgeübte Fachaufsicht dem Schutz des einzelnen Prüflings dient. Der Verwaltungsrat soll maßgeblichen Einfluss auf die Ordnungsmäßigkeit des Prüfungswesens und das Niveau der notariellen Fachprüfung nehmen können[12]. Ihm obliegt mithin vor allem die Überwachung des äußeren Rahmens des Prüfungsverfahrens und die Sicherung der Qualität des Prüfungswesens als solchem, nicht aber der Schutz der individuellen Interessen der Kandidaten. Die Entscheidungen des Verwaltungsrats sind – auch, soweit es die Fachaufsicht und in diesem Zusammenhang erteilte Einzelweisungen sowie das Einvernehmen bei der Besetzung der Aufgabenkommission anbelangt – vielmehr verwaltungs- und nicht prüfungsrechtlicher Natur[11].

Auch die Anwesenheit der früheren Leiterin des Prüfungsamts und ihres Vertreters bei den Sitzungen der Aufgabenkommission im Jahr 2015 stellt keinen Verfahrensfehler dar, der die Auswahl der Klausuren rechtswidrig machen und zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung führen würde. Weder § 7g BNotO noch § 3 NotFV ist zu entnehmen, dass die Beschlüsse der Aufgabenkommission – anders die Beratung des die mündliche Prüfung abnehmenden Prüfungsausschusses (§ 7c Abs. 3 Satz 3 BNotO) – nicht in Anwesenheit dritter, nicht stimmberechtigter Personen gefasst werden dürfen. Eine entsprechende Vorschrift, die die Anwesenheit nicht stimmberechtigter Personen verbietet oder eine sonstige Geheimhaltungspflicht über den Inhalt der Beratungen anordnet, enthält die Verordnung – anders als etwa die genommenen §§ 192, 193 GVG, die den Ergänzungsrichter und dessen Ausschluss bei den Beratungen betreffen, oder § 43 DRiG, der das allgemeine Beratungsgeheimnis regelt – nicht. Derartiges ergibt sich auch nicht aus der Bundesnotarordnung. Eine Pflicht zur Geheimhaltung wäre auch mit dem Einzelweisungsrecht des Verwaltungsrats gegenüber der Prüfungsamtsleitung und der Aufgabenkommission nicht zu vereinbaren. In der Sache wäre sie – jedenfalls gegenüber dem Leiter des Prüfungsamts und seines Stellvertreters, die zwangsläufig mit den Klausuraufgaben befasst werden – zudem nicht zweckmäßig.

Gegen das Erfordernis einer geheimen Abstimmung spricht auch, dass die Aufgabenkommission gemäß § 3 Abs. 4 Satz 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 4 Sätze 2 und 3 NotFV ihre Beschlüsse bereits nicht zwingend in Präsenz ihrer Mitglieder fassen muss. Zur Erleichterung des Verfahrens besteht vielmehr die Möglichkeit, dass auch abwesende Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen. Dies geschieht grundsätzlich dadurch, dass sie ihre schriftliche Stimme durch ein anderes Mitglied überreichen lassen. Aber auch andere schriftliche, fernmündliche oder sonstige vergleichbare Formen der Beschlussfassung sind zulässig, sofern kein Mitglied diesem Verfahren widerspricht. Bei all diesen Formen der Willensbildung lässt sich jedoch nicht sicherstellen, dass bei Abgabe der Stimme des nicht vor Ort anwesenden Mitglieds nicht noch weitere – dem Ausschuss nicht angehörige – Personen gegenwärtig sind und von dem Verlauf und dem Ergebnis der Abstimmung Kenntnis erlangen. Um die Teilnahme Dritter an der Beratung der Prüfungskommission, die zu einer Wiederholung des davon betroffenen Prüfungsverfahren führt[13], geht es nicht. Wie bereits ausgeführt, steht keine Entscheidung der Prüfungskommission im Raum, sondern eine der Vorbereitung der Prüfung dienende vorgelagerte Zwischenentscheidung.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. November 2022 – NotZ(Brfg) 2/22

  1. Anschluss an und Fortführung von Nds. OVG, Beschluss vom 19.12.2019 – 2 ME 634/19[]
  2. BGBl. I S. 576[]
  3. etwa den Arbeitsanfall[]
  4. vgl. BR-Drs.202/10 S. 16[]
  5. BR-Drs.202/10 S. 16[]
  6. BR-Drs. aaO[]
  7. vgl. BVerwG, NJW 1988, 219 und BeckRS 1986, 5975 Rn. 5; Nds. OVG, BeckRS 2019, 33376 Rn. 5 f; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.06.2012 – 14 B 371/12 23 und BeckRS 1999, 20906 Rn.20[]
  8. BVerfGE 31, 47, 53[]
  9. Bay.VGH, Beschluss vom 18.05.2016 – 7 CE 15.2806 22[]
  10. vgl. zB VGH Mannheim, BeckRS 2014, 47666 [S. 9] m.zahlr.w.N.[]
  11. Nds. OVG aaO Rn. 7[][]
  12. BT-Drs. 16/4972 S. 13[]
  13. vgl. dazu etwa BFHE 239, 280, Rn. 18 f, 27[]

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