Der Notarsenat des Bundesgerichtshofs hatte sich aktuell mit der Bedeutung der Beschränkung des Prüfungsstoffs auf die Grundzüge eines Rechtsgebiets und zur Rechtmäßigkeit von Bewertungen schriftlicher Prüfungsleistungen bei der notariellen Fachprüfung zu befassen:

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 NotFV umfasst der Prüfungsstoff das Recht der Personengesellschaften und Körperschaften einschließlich der Grundzüge des Umwandlungs- und Stiftungsrechts. Die Beschränkung auf die „Grundzüge“ eines Rechtsgebiets bedeutet, dass einerseits die allgemeinen Grundlagen dieses Sachgebietes, andererseits aber auch einzelne Fragenkreise im Überblick geprüft werden können, die nach dem Inhalt und der Häufigkeit, mit der sie sich stellen, von erheblicher Bedeutung sind, wobei sich diese erhebliche Bedeutung auf die notarielle Amtstätigkeit bezieht. Davon geht das Kammergericht unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.04.1997[1] zu Recht aus. Nicht erforderlich ist es dagegen, dass die geprüften Fragen sich oftmals stellen oder gar regelmäßig auftreten. Die notarielle Amtstätigkeit beschränkt sich nicht auf die Bewältigung von Standardsituationen. Dass sich solche Fragen hin und wieder stellen, muss für die Prüfungserheblichkeit genügen. Lediglich darf Einzelwissen in seltenen und atypischen Spezialfragen, die sich in der beruflichen Praxis kaum jemals stellen können, in der Prüfung nicht als präsentes Wissen abgefragt werden. Nur Fragen, die nach den mit ihnen gestellten Anforderungen außerhalb dieses Rahmens liegen, sind unzulässig. Soweit sie sich hingegen im Grenzbereich bewegen und daher zulässig sind, lässt sich dies bei der Bewertung des Schwierigkeitsgrads der Prüfungsaufgabe berücksichtigen[2].
Dagegen kann nicht unter Bezugnahme auf das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 06.05.2014[3] davon ausgegangen werden, der Schwierigkeitsgrad der entsprechenden Aufgaben werde generell begrenzt; nicht mehr zugelassen seien solche Fragen, die allein mit einem Grundwissen in dem bezeichneten Sachgebiet offensichtlich nicht zu lösen seien; dabei müsse die Begrenzung so gefasst werden, dass lediglich Verständnis und Arbeitsmethoden abgeprüft werden dürften.
Diese Ansicht verkennt indes, dass sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichts München nicht auf die Frage beziehen, was unter den „Grundzügen“ eines Rechtsgebiets zu verstehen ist. Sie sind vielmehr zu einer § 5 Abs. 2 NotFV entsprechenden Regelung in § 58 Abs. 1 Satz 2 und 3 der bayerischen Ausbildungsund Prüfungsordnung für Juristen vom 13.10.2003 ergangen[4]. Gemäß § 5 Abs. 2 NotFV dürfen andere Rechtsgebiete – mithin solche, die nicht in § 5 Abs. 1 NotFV genannt sind – im Zusammenhang mit dem Prüfungsstoff zum Gegenstand der Prüfung gemacht werden, wenn sie in der notariellen Praxis typischerweise in diesem Zusammenhang auftreten oder soweit lediglich Verständnis und Arbeitsmethode festgestellt werden sollen und Einzelwissen nicht vorausgesetzt wird, § 5 Abs. 2 NotFV.
So hat auch im hier entschiedenen Fall das Kammergericht in der Vorinstanz [5] in Anwendung des von ihm zutreffend zugrunde gelegten Maßstabs zu Recht angenommen, dass sich der in der Klausur abgeprüfte Stoff im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 NotFV hält. Es reicht aus, wenn sich die Fragen für einen Notar hin und wieder stellen, wobei Einzelwissen in seltenen oder atypischen Spezialfragen, die sich in der beruflichen Praxis kaum jemals stellen können, in der Prüfung nicht als präsentes Wissen abgefragt werden dürfen.
Das war hier nicht der Fall. Der in der Klausur geprüfte Stoff bezieht sich vorrangig auf das Handelsrecht (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 NotFV), das Recht der Personengesellschaften und Körperschaften (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 NotFV) sowie das notarielle Kostenrecht (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 NotFV). Dabei musste neben der Anmeldung eines einzelkaufmännischen Unternehmens und einer neu errichteten GmbH & Co. KG zum Handelsregister auch ein Ausgliederungsvertrag entworfen werden, durch den das gesamte Vermögen des einzelkaufmännischen Unternehmens ausgegliedert und auf die GmbH & Co. KG übertragen wird. Dass sich eine solche Frage in der notariellen Praxis jedenfalls hin und wieder stellt, hat das Kammergericht zu Recht angenommen. Dagegen hat sich die Klägerin auch nicht gewendet. Bei der Fertigung des Ausgliederungsvertrags war eine Vielzahl von Vorschriften des Umwandlungsgesetzes zu erkennen und zu erwägen. Mehr als eine Anwendung des jeweiligen Wortlauts der Vorschriften war aber – wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat und wogegen sich die Klägerin ebenfalls nicht wendet – nicht erforderlich. Einzelwissen in seltenen und atypischen Spezialfragen wurde nicht abgefragt.
Die notarielle Fachprüfung dient dem Nachweis, dass und in welchem Grad ein Rechtsanwalt für die Ausübung des Notaramtes als Anwaltsnotar fachlich geeignet ist, § 7a Abs. 2 Satz 1, § 6 Abs. 1 BNotO. Der Notar ist Träger eines öffentlichen Amts und übt einen gebundenen Beruf aus. Ihm sind als selbständigem Berufsträger gemäß § 1 BNotO die Beurkundung von Rechtsvorgängen und andere Aufgaben der vorsorgenden Rechtspflege übertragen. Mit der ihm übertragenen Funktion steht er dem Richter nahe[6].
Vor diesem Hintergrund sind im hier entschiedenen Fall Anhaltspunkte dafür, dass die von den Korrektoren gestellten Anforderungen an die Güte der im Rahmen der Klausurabverlangten Leistung außer Verhältnis stünden zu den Anforderungen, die mit dem Ziel und Zweck der notariellen Fachprüfung vereinbar sind, weder vorgetragen noch ersichtlich.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. November 2020 – NotZ(Brfg) 5/20