Notarielle Fachprüfung – und die Präklusion bei der Anfechtung

Zwar hat das Berufungsgericht bei der Entscheidung über den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzlich auch vom Antragsteller erstmals innerhalb der Antragsfrist vorgetragene und nach materiellem Recht entscheidungserhebliche Tatsachen zu berücksichtigen[1]. Das gilt indes nicht, wenn die Voraussetzungen des § 128a Abs. 1 VwGO vorliegen, unter denen das Berufungsgericht neue Erklärungen und Beweismittel ausnahmsweise zurückweisen kann[2].

Notarielle Fachprüfung – und die Präklusion bei der Anfechtung

So lag es aber in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall:

Der Vorsitzende des Senats für Notarsachen des Kammergerichts hat der Prüfungsteilnehmerin mit ihr zugestellter Verfügung aufgegeben, binnen einer Ausschlussfrist von zwei Monaten ab Zustellung die Tatsachen zu bezeichnen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Prüfungsverfahren sie sich beschwert fühlt. Er hat ferner darauf hingewiesen, dass nach Ablauf der Frist vorgebrachte Erklärungen und Beweismittel zurückgewiesen werden können, § 111b Abs. 1 BNotO, § 87b VwGO.

Die Prüfungsteilnehmerin hat innerhalb der ihr gesetzten Frist nicht gerügt, dass die Korrektoren ihre im Rahmen der Aufgabe 5 erfolgten Ausführungen zu § 2333 BGB nicht oder nicht richtig bewertet hätten. Wie die Prüfer die Ausführungen zu § 2333 BGB im Rahmen der Aufgabe 5 gewertet haben, ergibt sich nicht aus den Voten des Erst- und des Zweitkorrektors. Da die Prüfungsteilnehmerin eine darauf bezogene Rüge im Widerspruchsverfahren nicht erhoben hat, hatten die Prüfer keinen Anlass, sich damit im Überdenkungsverfahren zu befassen[3]. Auch das Kammergericht musste nur solchen Einwendungen der Prüfungsteilnehmerin nachgehen, die diese „substantiiert“ vorgebracht hat[4]. Die Zulassung der neuen Rüge würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögern, zumal erneut ein Überdenkungsverfahren erforderlich wäre.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. November 2020 – NotZ(Brfg) 5/20

  1. BVerwG, NVwZ-RR 2002, 894 6[]
  2. BVerwG, aaO Rn. 7; BayVGH, Beschluss vom 09.10.2007 – 5 ZB 07.2149[]
  3. vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl., Rn. 789; Unger, Möglichkeiten und Grenzen der Anfechtbarkeit juristischer (Staats-)Prüfungen, 2016, S. 509 ff.[]
  4. BVerwG, Beschluss vom 17.01.1995 – 6 B 39/94 7 mwN; vgl. auch Unger aaO, S. 567 ff.[]