Die im EU-Ausland niedergelassene Steuerberatungsgesellschaft – und ihre geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen

Eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige, nicht in Deutschland niedergelassene und nicht nach § 32 Abs. 3, §§ 49 ff. StBerG anerkannte Steuerberatungsgesellschaft, die unter Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) grenzüberschreitende Beratungsleistungen für inländische Steuerpflichtige erbringen will, muss nachweisen, dass sich ihre Tätigkeit nicht ausschließlich auf solche grenzüberschreitenden Beratungsleistungen für inländische Steuerpflichtige beschränkt, sondern dass sie auch in dem Mitgliedstaat, in dem sie ansässig ist, gegenüber den dort ansässigen Steuerpflichtigen vergleichbare Dienstleistungen erbringt[1].

Die im EU-Ausland niedergelassene Steuerberatungsgesellschaft – und ihre geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall streiten die Beteiligten über die Zurückweisung der klagenden niederländischen Steuerberatungs-Ltd. als Bevollmächtigte nach § 80 Abs. 5 AO a.F. (seit dem 01.01.2017: § 80 Abs. 7 AO). Die niederländische Steuerberatungs-Ltd. ist eine Kapitalgesellschaft britischen Rechts mit Sitz in Großbritannien und einer Niederlassung in den Niederlanden. Gegenstand ihres Unternehmens sind dem niederländischen Handelsregister zufolge Wirtschaftsberatung, Steuerberatung und Rechnungswesen. Gesellschafter und Geschäftsführer („director“) der niederländischen Steuerberatungs-Ltd. sind A und B. A gehört nicht zu dem Personenkreis des § 3 Nr. 1 StBerG. B war in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ursprünglich als Steuerberater bestellt gewesen; seine Bestellung wurde wegen Vermögensverfalls -inzwischen bestandskräftig- widerrufen. Die niederländische Steuerberatungs-Ltd. ist in Deutschland nicht als Steuerberatungsgesellschaft nach § 32 Abs. 3, §§ 49 ff. StBerG anerkannt. Gleichwohl berät sie mehrere in Deutschland ansässige Mandanten in steuerlichen Angelegenheiten und tritt für diese in steuerlichen Verfahren auf. Mit Schreiben vom 06.02.2014 legte die niederländische Steuerberatungs-Ltd. für die Eheleute C, die in Deutschland im Zuständigkeitsbereich des beklagten Finanzamtes eben, Einspruch u.a. gegen den Einkommensteuerbescheid für 2009 ein. Daraufhin wies das Finanzamt die niederländische Steuerberatungs-Ltd. wegen unbefugter Hilfeleistung in Steuersachen als Bevollmächtigte nach § 80 Abs. 5 AO a.F. zurück.

Die niederländische Steuerberatungs-Ltd. erhob dagegen mit fristgerechter Zustimmung des Finanzamtes Sprungklage und machte im Wesentlichen geltend, sie verfüge in Deutschland über keinerlei Räume und auch über keine „ständige Präsenz“. In dem vorliegenden Fall habe sie ihre Beratungsleistungen ausschließlich von ihrem Sitz in den Niederlanden aus erbracht, also ohne physischen Grenzübertritt. Nach Art. 56 AEUV dürfe sie auf diese Weise all diejenigen Dienstleistungen erbringen, zu denen sie nach dem Recht der Niederlande befugt sei. Dies hätten sowohl der Gerichtshof der Europäischen Union mit dem Urteil X-Steuerberatungsgesellschaft[2] als auch der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 19.10.2016[3] bestätigt. In den Niederlanden gebe es keine Regelung, die es ihr untersagen würde, Steuerberatungsleistungen gegenüber Personen zu erbringen, die in Deutschland ansässig seien. Demnach sei die Zurückweisung rechtswidrig.

Das Finanzgericht Köln wies die Klage ab[4]. Zur Begründung führte es aus, die niederländische Steuerberatungs-Ltd. sei bei Ergehen des Bescheids vom 24.02.2014 nicht nach §§ 3, 3a StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt gewesen. Eine entsprechende Befugnis ergebe sich auch nicht aus der unionsrechtlich gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit (Art. 56, 57 AEUV). Dabei könne als zutreffend unterstellt werden, dass die niederländische Steuerberatungs-Ltd., wie sie selbst vortrage, keine Niederlassung in Deutschland unterhalte und im Streitfall ausschließlich von den Niederlanden aus tätig geworden sei; denn jedenfalls habe die niederländische Steuerberatungs-Ltd. unter Berufung auf das Steuergeheimnis den ihr für diesen Fall nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO obliegenden Nachweis, dass sie ihren Beruf in den Niederlanden als Niederlassungsstaat mindestens zwei Jahre lang ausgeübt und dass sich die Berufsausübung während dieses Zeitraums nicht ausschließlich auf grenzüberschreitende Beratungsleistungen für deutsche Steuerpflichtige beschränkt habe, nicht erbracht. Ob die von der niederländischen Steuerberatungs-Ltd. abgeschlossene Haftpflichtversicherung die Anforderungen an den nach der Bundesfinanzhof-Rechtsprechung erforderlichen Versicherungsschutz erfülle, könne offenbleiben. Aus anderen europarechtlichen Normen lasse sich eine Befugnis der niederländischen Steuerberatungs-Ltd. zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen nicht ableiten; weder Art. 5 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07.09.2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen[5], zuletzt geändert durch Beschluss der Europäischen Kommission vom 13.01.2016[6], noch Art. 16 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt[7] seien im Streitfall einschlägig. Der Zurückweisungsbescheid sei im Übrigen auch nicht nach § 125 Abs. 1 AO nichtig.

Der Bundesfinanzhof wies nun auch die Revision der niederländischen Steuerberatungs-Ltd. durch einstimmigen Beschluss als unbegründet zurück; das Finanzgericht Köln habe zutreffend entschieden, dass die Zurückweisung der niederländischen Steuerberatungs-Ltd. als Bevollmächtigte durch das Finanzamt rechtmäßig gewesen sei:

Nach § 80 Abs. 5 AO a.F. sind Bevollmächtigte und Beistände zurückzuweisen, wenn sie geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, ohne dazu befugt zu sein. Steuersachen i.S. des § 80 Abs. 5 AO a.F. sind alle Angelegenheiten, die unmittelbar oder mittelbar mit der Verwirklichung von Steuertatbeständen oder Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitentatbeständen zu tun haben. Hilfeleistung in diesem Sinne ist auch die Mitwirkung bei der Anfertigung und Abgabe von Steuererklärungen[8]. Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheids nach § 80 Abs. 5 AO a.F. sind die Verhältnisse bei dessen Ergehen maßgebend[9].

Zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen sind gemäß § 3 StBerG Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer (Nr. 1), Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich die in Nummer 1 genannten Personen sind (Nr. 2), sowie Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften (Nr. 3) befugt. Die Hilfeleistung erfolgt geschäftsmäßig, wenn jemand ausdrücklich oder erkennbar die Absicht verfolgt, die Tätigkeit in gleicher Art zu wiederholen und zu einem wiederkehrenden oder dauernden Bestandteil seiner selbständigen Beschäftigung zu machen. Selbständig handelt, wer sich nach eigenem Willen und in eigener Verantwortung, unabhängig von den Weisungen einer übergeordneten Person betätigt[10].

Nach § 3a Abs. 1 Satz 1 StBerG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung (a.F.) sind zudem Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaates leisten, zur vorübergehenden und gelegentlichen geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen auf dem Gebiet Deutschlands befugt. Der Umfang der Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen im Inland richtet sich gemäß § 3a Abs. 1 Satz 3 StBerG nach dem Umfang dieser Befugnis im Niederlassungsstaat.

Nach § 4 StBerG schließlich sind bestimmte Personen sachlich beschränkt auf die dort genannten Bereiche zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt.

Ausgehend von diesen Bestimmungen hat das Finanzamt die niederländische Steuerberatungs-Ltd. zu Recht nach § 80 Abs. 5 AO a.F. als Bevollmächtigte zurückgewiesen.

Nach den Feststellungen des Finanzgericht hat die niederländische Steuerberatungs-Ltd. in Deutschland ansässige Mandanten in steuerlichen Angelegenheiten beraten und ist für diese in steuerlichen Verfahren aufgetreten. Die niederländische Steuerberatungs-Ltd. gehört nicht dem in § 3 StBerG genannten Personenkreis an und sie fällt auch nicht unter § 3a StBerG a.F., da sie zum einen nicht nur vorübergehend und gelegentlich Hilfeleistung in Steuersachen erbracht hat und weil zum anderen diese Regelung nach der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung Dienstleistung „auf“ deutschem Hoheitsgebiet voraussetzte, die niederländische Steuerberatungs-Ltd. aber bereits ihrem eigenen Vortrag nach Dienstleistungen nur von den Niederlanden aus erbracht hat. Dass die niederländische Steuerberatungs-Ltd. tatsächlich -entgegen ihrem eigenen Vortrag- Dienstleistungen auch „auf“ deutschem Hoheitsgebiet erbracht hätte, hat das Finanzgericht nicht festgestellt. Die Voraussetzungen einer beschränkten Hilfeleistung in Steuersachen nach § 4 StBerG sind ebenfalls nicht erfüllt.

Die Zurückweisung der niederländischen Steuerberatungs-Ltd. verstößt nicht gegen Unionsrecht.

Ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen voraussetzt, dass eine dauernde Präsenz im Aufnahmemitgliedstaat sichergestellt ist[11]. Diese Voraussetzung erfüllt die niederländische Steuerberatungs-Ltd. nicht.

Ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) liegt ebenfalls nicht vor.

Nach Art. 56 Abs. 1 AEUV sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, nach Maßgabe der auf diese Vorschrift folgenden Bestimmungen verboten.

Dienstleistungen in diesem Sinne sind Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen (Art. 57 Abs. 1 AEUV). Als Dienstleistungen gelten insbesondere freiberufliche Tätigkeiten (Art. 57 Abs. 2 Buchst. d AEUV).

Unbeschadet des Kapitels über die Niederlassungsfreiheit kann der Leistende zwecks Erbringung seiner Leistungen seine Tätigkeit vorübergehend in dem Mitgliedstaat ausüben, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Mitgliedstaat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt (Art. 57 Abs. 3 AEUV).

Nach Art. 62 AEUV finden die Bestimmungen der Art. 51 bis 54 AEUV auf das in Kapitel 3 geregelte Sachgebiet „Dienstleistungen“ Anwendung. Gemäß Art. 54 Abs. 1 AEUV stehen die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben, den natürlichen Personen gleich, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind. Als Gesellschaften gelten gemäß Art. 54 Abs. 2 AEUV die Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts einschließlich der Genossenschaften und die sonstigen juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts mit Ausnahme derjenigen, die keinen Erwerbszweck verfolgen.

In Bezug auf diese Regelungen hat der EuGH mit seinem Urteil X-Steuerberatungsgesellschaft[12] entschieden, dass die Mitgliedstaaten, solange es an einer Harmonisierung der Voraussetzungen für den Zugang zu einem Beruf fehlt, zwar festlegen dürften, welche Kenntnisse und Fähigkeiten zu dessen Ausübung notwendig sind; insbesondere blieben die Mitgliedstaaten, da die Bedingungen für den Zugang zur Tätigkeit der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen bisher nicht auf Unionsebene harmonisiert worden seien, befugt, diese Voraussetzungen festzulegen. Allerdings müssten die Mitgliedstaaten ihre Befugnisse unter Beachtung der vertraglich garantierten Grundfreiheiten ausüben[13].

Für den Fall einer Steuerberatungsgesellschaft, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats, in dem sie niedergelassen ist, gegründet wurde und in diesem Mitgliedstaat, in dem die steuerberatende Tätigkeit nicht reglementiert ist, eine Steuererklärung für einen Leistungsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat erstellt, in dem besondere Voraussetzungen für den Zugang zur Tätigkeit der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen festgelegt sind, bedeutet dies dem EuGH zufolge, dass die Qualifikation, die diese Gesellschaft oder die natürlichen Personen, die für die Gesellschaft die Dienstleistung der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen erbringen, in anderen Mitgliedstaaten erworben haben, ihrem Wert entsprechend anzuerkennen und angemessen zu berücksichtigen ist[14].

Der EuGH hat weiterhin entschieden, dass eine Dienstleistung mit grenzüberschreitendem Charakter, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU für einen inländischen Steuerpflichtigen erbracht wird, ohne dass sich der Dienstleister oder die für ihn handelnden Personen auf deutsches Hoheitsgebiet begeben, weder unter Art. 5 der RL 2005/36/EG noch unter Art. 16 Abs. 1 und 2 der RL 2006/123/EG fällt[15].

Der II. Bundesfinanzhof des Bundesfinanzhofs hat im Anschluss an diese Entscheidung des EuGH ausgeführt, dass es, wenn es keine nationalen Regelungen gebe, die eine Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Qualifikation einer Gesellschaft oder der für sie handelnden Personen zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen erlaubten, Aufgabe der nationalen Behörden und Gerichte sei, festzulegen, unter welchen Voraussetzungen eine solche Qualifikation eine Befugnis des Dienstleisters zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen durch grenzüberschreitende Dienstleistungen für inländische Steuerpflichtige begründe; denn der EuGH habe hierzu keine Rechtsgrundsätze aufgestellt[16].

Seien in dem anderen Mitgliedstaat weder der Beruf noch die Ausbildung zu diesem Beruf reglementiert, genüge in Anlehnung an § 3a Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 7 StBerG a.F., dass die betreffende Person den Beruf im Staat der Niederlassung während der vorhergehenden zehn Jahre mindestens zwei Jahre ausgeübt habe. Die Berufsausübung in dem anderen Mitgliedstaat dürfe sich in diesem Fall aber nicht von vornherein darauf beschränken, ausschließlich grenzüberschreitende Beratungsleistungen für inländische Steuerpflichtige zu erbringen. Die aufgrund der Berufserfahrung erworbene Qualifikation eines in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleisters sei nur anzuerkennen, wenn sie auf einer Beratungstätigkeit beruhe, die ihn unionsrechtlich dazu befuge, für inländische Steuerpflichtige tätig zu werden. Da in Deutschland die steuerberatende Tätigkeit reglementiert sei, liege eine unionsrechtlich zulässige Beratungstätigkeit nicht vor, wenn der Dienstleister ausschließlich grenzüberschreitende Beratungsleistungen für inländische Steuerpflichtige erbringe, ohne vorher eine berufliche Qualifikation in dem anderen Mitgliedstaat erworben zu haben; denn auch dem EuGH zufolge berechtige aus unionsrechtlicher Sicht erst die in dem anderen Mitgliedstaat erworbene berufliche Qualifikation den Dienstleister zu den grenzüberschreitenden Dienstleistungen für inländische Steuerpflichtige. Insoweit reiche es nicht aus, dass der Dienstleister über Berufserfahrung aus einer in Deutschland ausgeübten steuerberatenden Tätigkeit verfüge[17].

Handle es sich bei dem Dienstleister um eine in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Gesellschaft, sei diese zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen in Form grenzüberschreitender Dienstleistungen befugt, wenn der verantwortliche Geschäftsführer über die erforderliche Qualifikation verfüge und ihm die steuerberatende Tätigkeit obliege. Seien bei einer Steuerberatungsgesellschaft mehrere Geschäftsführer bestellt, sei die Gesellschaft nur zu grenzüberschreitenden Dienstleistungen in Steuersachen für inländische Steuerpflichtige befugt, wenn der die Dienstleistung erbringende Geschäftsführer die in dem anderen Mitgliedstaat erworbene Qualifikation besitze. Insoweit könne bei einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaft nicht auf die formellen Voraussetzungen von § 32 Abs. 3 und § 50 StBerG abgestellt werden. Die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) erfordere vielmehr nur die Berücksichtigung der Qualifikation der Gesellschaft oder der natürlichen Personen, die für sie die Dienstleistung der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen erbrächten. Entscheidend sei danach die Qualifikation der jeweils für die Steuerberatungsgesellschaft verantwortlich handelnden Person, welche die konkrete Steuerberatungsleistung erbringe[18].

Die für die Anwendung der Dienstleistungsfreiheit notwendigen Voraussetzungen seien von dem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleister in geeigneter Weise darzulegen und nachzuweisen. Das Gericht erforsche zwar den Sachverhalt von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO). Da aber ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen sei, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes beziehe, bestünden erhöhte Mitwirkungspflichten der Beteiligten (§ 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO). Der Dienstleister, der sich auf die Dienstleistungsfreiheit berufe, trage insoweit die Feststellungslast für alle Tatsachen, die für eine Anwendung der Dienstleistungsfreiheit erforderlich seien. Allerdings dürften an den vom Dienstleister zu erbringenden Nachweis in formeller Hinsicht keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere könne die Befugnis eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleisters zu grenzüberschreitenden Steuerberatungsleistungen nicht deshalb abgelehnt werden, weil er nicht die Nachweise i.S. des § 3a Abs. 2 Satz 3 Nrn. 5 bis 7 StBerG a.F. für eine vorübergehende und gelegentliche Hilfeleistung in Steuersachen auf deutschem Hoheitsgebiet erbracht habe; denn diese Regelungen gälten nicht für eine von einem anderen Mitgliedstaat aus erbrachte Steuerberatungsdienstleistung ohne physischen Grenzübertritt der handelnden Personen, auch wenn der Inhalt der Regelungen zum Teil bei der Berücksichtigung der in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Qualifikationen herangezogen werde. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete es, dass Rechtsvorschriften vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben könnten, klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen voraussehbar sein müssten[19].

Der hier entscheidende VII. Senat des Bundesfinanzhof schließt sich diesen Ausführungen an. Er teilt insbesondere die Auffassung des II. Senats des Bundesfinanzhofs, dass eine Berufsausübung, die von vornherein darauf beschränkt ist, ausschließlich grenzüberschreitende Beratungsleistungen für inländische Steuerpflichtige zu erbringen, nicht geeignet ist, dem Ausübenden die nach der EuGH-Rechtsprechung anzu und angemessen zu berücksichtigende Qualifikation zu verschaffen. Der EuGH bezieht sich in seiner Entscheidung ausdrücklich auf einen Dienstleistenden, „der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist und dort rechtmäßig vergleichbare Dienstleistungen erbringt“[20]. Erst dieser Umstand -das rechtmäßige Erbringen vergleichbarer Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat- vermittelt demnach dem Dienstleistenden die unionsrechtliche Legitimation, auch in einem weiteren Mitgliedstaat steuerberatend tätig zu werden, in dem besondere Voraussetzungen für den Zugang zur Tätigkeit der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen gelten. Daraus folgt aber auch, dass die unionsrechtliche Legitimation zur Erbringung einer in dem betreffenden Mitgliedstaat nicht legitimierten Dienstleistung in schlüssiger Weise nicht durch die nicht legitimierte Dienstleistung selbst geschaffen werden kann. Dies käme einem Zirkelschluss gleich.

Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen kann sich die niederländische Steuerberatungs-Ltd. im vorliegenden Streitfall zur Begründung einer Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen nicht auf Art. 56 AEUV und die hierzu ergangene EuGH-Rechtsprechung berufen.

Nach den Feststellungen des Finanzgericht hat die niederländische Steuerberatungs-Ltd. weder dargelegt noch nachgewiesen, dass sie bzw. ihre Geschäftsführer während der letzten zehn Jahre -oder überhaupt jemals- über die bekannten grenzüberschreitenden Beratungsleistungen hinaus den Beruf eines Steuerberaters „originär“ in den Niederlanden jemals ausgeübt haben. Auf das Steuergeheimnis konnte sich die niederländische Steuerberatungs-Ltd. insoweit schon deshalb nicht berufen, weil sie zum einen noch nicht einmal dargelegt hat, dass und in welchem Umfang sie sonstige Beratungsleistungen in den Niederlanden erbracht haben will, und weil zum anderen entsprechende Nachweise auch in anonymisierter Form hätten vorgelegt werden können, beispielsweise durch teil-geschwärzte Abrechnungen über die erbrachten Dienste.

Da die niederländische Steuerberatungs-Ltd. überhaupt keine „originären“ Beratungsleistungen in den Niederlanden nachgewiesen hat, kommt es auf die unterschiedlichen Fassungen des § 3a Abs. 1 Satz 5 StBerG nicht an. Es kann also offen bleiben, ob in Anlehnung an die Neufassung dieser Regelung bereits eine einjährige Ausübung einer entsprechenden Beratungstätigkeit genügt hätte.

Soweit die niederländische Steuerberatungs-Ltd. meint, die angefochtene Entscheidung verstoße zudem gegen Art. 5 der RL 2005/36/EG und gegen Art. 16 Abs. 1 und 2 der RL 2006/123/EG, verkennt sie, dass nach dem EuGH-Urteil X-Steuerberatungsgesellschaft[21] Dienstleistungen mit grenzüberschreitendem Charakter, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU für einen inländischen Steuerpflichtigen erbracht werden, ohne dass sich der Dienstleister oder die für ihn handelnden Personen auf deutsches Hoheitsgebiet begeben, nicht unter die genannten Bestimmungen fallen.

Der Bundesfinanzhof hält die von ihm vorgenommene Auslegung des einschlägigen Unionsrechts aufgrund des EuGH-Urteils X-Steuerberatungsgesellschaft[22] für eindeutig. Ein Anlass zur Einholung einer weiteren Vorabentscheidung des EuGH besteht demnach nicht[23]. Darauf hat auch das Finanzgericht Köln verwiesen, so dass der Vorwurf der niederländischen Steuerberatungs-Ltd., das Urteil sei insoweit nicht mit Gründen versehen, unberechtigt ist. Gleichermaßen unberechtigt ist damit auch der Vorwurf der niederländischen Steuerberatungs-Ltd., das Finanzgericht habe sie durch die Nichtvorlage ihrem gesetzlichen Richter entzogen und sie sei dadurch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden.

Aus dem Umstand, dass die Europäische Kommission gegen Deutschland ein das StBerG n.F. betreffendes Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat und dabei insbesondere auf die Regelungen über die Befugnis zu beschränkter Hilfeleistung in Steuersachen in § 4 StBerG Bezug genommen hat, lässt sich für das streitgegenständliche StBerG a.F. kein anderes Ergebnis herleiten. Denn bereits in der Rechtssache C-342/14 hat der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen die Auffassung vertreten, die deutschen Regelungen seien inkohärent und unsystematisch, da nach § 4 StBerG auch Personen zur Steuerberatung befugt seien, die über keine Berufszulassung oder eine vergleichbare berufliche Qualifikation wie Steuerberater verfügten[24]. Es handelt sich also nicht um einen -wie die niederländische Steuerberatungs-Ltd. meint- neuen, bislang noch nicht berücksichtigten Gesichtspunkt. Die diesbezüglichen Einwände waren dem EuGH vielmehr bekannt; gleichwohl hat er, in Kenntnis dieser Einwände, in der oben dargelegten Weise entschieden.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 2. Dezember 2020 – VII R 14/20

  1. Anschluss an BFH, Urteil vom 19.10.2016 – II R 44/12, BFHE 255, 367, BStBl II 2017, 797[]
  2. EuGH, Urteil X-Steuerberatungsgesellschaft  vom 17.12.2015 – C-342/14 , EU:C:2015:827, HFR 2016, 290[]
  3. BFH, Urteil vom 19.10.2016 – II R 44/12, BFHE 255, 367, BStBl II 2017, 797[]
  4. FG Köln, Urteil vom 12.02.2020 – 7 K 815/14[]
  5. ABl.EU Nr. L 255, 22[]
  6. ABl.EU Nr. L 134, 135[]
  7. ABl.EU Nr. L 376, 36[]
  8. BFH, Urteil in BFHE 255, 367, BStBl II 2017, 797, Rz 19, m.w.N.[]
  9. BFH, Urteil vom 28.02.2018 – II R 3/16, BFHE 261, 193, Rz 10, m.w.N.[]
  10. ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteil in BFHE 261, 193, Rz 18, m.w.N.[]
  11. vgl. BFH, Urteil in BFHE 255, 367, BStBl II 2017, 797, Rz 40 ff.[]
  12. EU:C:2015:827, HFR 2016, 290[]
  13. EuGH, Urteil X-Steuerberatungsgesellschaft, EU:C:2015:827, Rz 47, m.w.N.[]
  14. EuGH, Urteil X-Steuerberatungsgesellschaft, EU:C:2015:827, Rz 60[]
  15. vgl. EuGH, Urteil X-Steuerberatungsgesellschaft, EU:C:2015:827, Rz 40[]
  16. BFH, Urteil in BFHE 255, 367, BStBl II 2017, 797, Rz 57[]
  17. BFH, Urteil in BFHE 255, 367, BStBl II 2017, 797, Rz 59[]
  18. BFH, Urteil in BFHE 255, 367, BStBl II 2017, 797, Rz 61[]
  19. BFH, Urteil in BFHE 255, 367, BStBl II 2017, 797, Rz 64 f., m.w.N.[]
  20. s. EuGH, Urteil X-Steuerberatungsgesellschaft, EU:C:2015:827, Rz 48; ebenso bereits EUGH, Urteil Konstantinides vom 12.09.2013 – C-475/11, EU:C:2013:542, Rz 44[]
  21. EU:C:2015:827, Rz 40[]
  22. EU:C:2015:827[]
  23. vgl. EuGH, Urteil CILFIT vom 06.10.1982 – C-283/81, EU:C:1982:335, Slg 1982, 3415[]
  24. vgl. EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts vom 01.10.2015 – C-342/14, EU:C:2015:646[]