Die dann doch nicht zugelassene Revision

Hat das Berufungsgericht die Zulassung der Revision in der Urschrift seiner Entscheidung ausdrücklich abgelehnt, kann diese Entscheidung durch Fehler bei der anschließenden Erstellung der zur Zustellung an die Prozessbeteiligten dienenden Ausfertigungen oder Abschriften durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (hier: Abschrift eines Urteils, in dem die Revision ausdrücklich zugelassen worden ist) nicht inhaltlich abgeändert werden. Maßgeblich ist allein die richterliche Entscheidung[1].

Die dann doch nicht zugelassene Revision

Wird die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulassung der Revision nachträglich in eine Nichtzulassung berichtigt, läuft die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde erst ab Zustellung des Berichtigungsbeschlusses[2] beziehungsweise der entsprechend berichtigten Abschrift des Berufungsurteils.

Die Zustellung einer berichtigten Abschrift des Berufungsurteils hat auch dann gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO an den für den Berufungsrechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten der Partei zu erfolgen, wenn für die Partei bereits ein bei dem Bundesgerichtshof zugelassener Rechtsanwalt Revision eingelegt hat.

Wird der bei dem Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwalt der Partei nach Einlegung der Revision von dem Revisionsgericht darüber in Kenntnis gesetzt, dass die diesem vorliegenden Urteilsabschriften unterschiedliche Aussprüche zur Zulassung der Revision enthalten, nach Aktenlage somit Zweifel an einer Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht bestehen und deshalb die Verfahrensakten zur weiteren Veranlassung an das Berufungsgericht zurückgegeben werden, entspricht es nicht der nach den Umständen gebotenen anwaltlichen Sorgfalt, über einen Zeitraum von mehreren Monaten weitere Mitteilungen abzuwarten. Vielmehr hat sich der Rechtsanwalt in einem solchen Fall bei dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, zu dem die Partei aufgrund der bekannten Mandatsniederlegung keinen Kontakt hat, bei dem Berufungsgericht oder bei dem Revisionsgericht über etwaige für die weitere Prozessführung bedeutsame Maßnahmen des Berufungsgerichts, wie die Zustellung einer berichtigten Urteilsabschrift oder eines Berichtigungsbeschlusses, zu erkundigen.

Gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO findet die Revision nur statt, wenn sie das Berufungsgericht in dem Urteil zugelassen hat. Maßgeblich ist die Urschrift der Entscheidung[3]. Hat das Berufungsgericht die Zulassung ausdrücklich abgelehnt, kann diese Entscheidung durch Fehler bei der anschließenden Erstellung der zur Zustellung an die Prozessbeteiligten dienenden Ausfertigungen oder Abschriften durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht inhaltlich abgeändert werden. Eine von der Geschäftsstelle erstellte Ausfertigung oder Abschrift kann die Rechtsnatur oder den Inhalt der Entscheidung nicht ändern[4].

Damit fehlt es im beschriebenen Fall an einer das Revisionsgericht nach § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO bindenden Zulassung der Revision. Das Berufungsgericht hat in seiner Entscheidung, deren Urschrift mit den Unterschriften der Richter dem Bundesgerichtshof in beglaubigter Ablichtung vorliegt, die Revision ausdrücklich nicht zugelassen, weil es die entscheidungserheblichen Rechtsfragen als höchstrichterlich geklärt angesehen hat. Dass der den Parteien zunächst zugestellten – insoweit inhaltlich unzutreffenden – beglaubigten Abschrift des Berufungsurteils das Gegenteil zu entnehmen war, führte nicht zu einer wirksamen Zulassung der Revision. Die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erfolgt durch das entscheidende Gericht, nicht durch die Geschäftsstelle, die versehentlich einen nicht beschlossenen Entwurf zustellt[5].

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 544 Abs. 3 Satz 1 ZPO innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Bundesgerichtshof einzulegen. Voraussetzung für den Fristbeginn ist nach § 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO die ordnungsgemäße Zustellung einer gemäß § 169 Abs. 2 ZPO von der Geschäftsstelle beglaubigten Abschrift des Urteils[6].

Der Lauf der Rechtsmittelfrist wird grundsätzlich auch dann durch die Zustellung des Urteils ausgelöst, wenn das zugestellte Urteil offenbare Unrichtigkeiten in der Urteilsformel im Sinne von § 319 ZPO enthält und deshalb der Berichtigung unterliegt[7]. Der Berichtigungsbeschluss wirkt auf die Zeit der Verkündung des Urteils zurück und dessen neue Fassung gilt als die ursprüngliche Entscheidung. Gegen das berichtigte Urteil findet daher nur das gegen das ursprüngliche Urteil zulässige Rechtsmittel statt und die Frist zu seiner Einlegung läuft (bereits) von der Zustellung der unberichtigten Urteilsfassung an[8]. Den Parteien wird zugemutet, im Rahmen ihrer Entscheidung über die Einlegung eines Rechtsmittels eine offenbare Unrichtigkeit des Urteils zu berücksichtigen, schon bevor dieses gemäß § 319 ZPO berichtigt wird[9], und bereits gegen das unberichtigte Urteil Rechtsmittel einzulegen[10].

Ausnahmsweise lässt der Bundesgerichtshof allerdings in ständiger Rechtsprechung die Rechtsmittelfrist (erst) mit der Bekanntmachung des Berichtigungsbeschlusses beziehungsweise mit der Zustellung der berichtigten Ausfertigung beginnen, wenn die zunächst zugestellte Entscheidung insgesamt – also einschließlich der Entscheidungsgründe – nicht klar genug ist, um die Grundlage für die Entschließungen und das weitere Handeln der Parteien sowie für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu bilden[11].

Das ist etwa der Fall, wenn erst die berichtigte Entscheidung die Beschwer erkennen lässt oder sich erst aus ihr ergibt, dass die Entscheidung überhaupt einem Rechtsmittel zugänglich ist[12].

Insoweit ist nicht zu unterscheiden zwischen Mängeln, die sich bereits in der Urschrift des Urteils finden, und solchen, die der davon erteilten Ausfertigung oder Abschrift anhaften. Denn eine Partei ist grundsätzlich nicht in der Lage zu erkennen, ob der Mangel bereits der Urschrift anhaftet oder erst auf eine unrichtige oder unvollständige Wiedergabe der Entscheidungsformel in der Ausfertigung oder Abschrift zurückzuführen ist[13].

Der Anerkennung dieser Ausnahmen liegt der Gedanke zugrunde, dass Verfahrensregeln nicht um ihrer selbst willen, sondern wesentlich auch im Interesse der Beteiligten geschaffen sind, für die sie nicht zu Fallstricken werden dürfen. Der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen darf nicht in einer Weise erschwert werden, die aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigen ist. Der Irrtum eines Gerichts darf sich nicht dahin auswirken, dass die Rechtsmittelmöglichkeit einer Partei beeinträchtigt oder gar vereitelt wird[14]. Insoweit folgt aus dem Gebot eines fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip), dass das Gericht aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern, Unklarheiten oder Versäumnissen keine Verfahrensnachteile ableiten darf[15].

Diese Grundsätzen finden auch auf die Nichtzulassungsbeschwerde Anwendung[16].

Die dem Kläger zunächst zugestellte beglaubigte Abschrift des Berufungsurteils ließ insgesamt nicht erkennen, dass das Berufungsgericht die Revision gegen das Urteil tatsächlich nicht zugelassen hatte. Die Urteilsformel enthielt vielmehr den ausdrücklichen Ausspruch der Revisionszulassung. In den – insoweit gleichfalls inhaltlich nicht mit der Urschrift übereinstimmenden – Entscheidungsgründen war näher ausgeführt, weshalb das Berufungsgericht die Revision – vermeintlich – zugelassen hat. Die Urteilsabschrift musste somit dem in der Sache unterlegenen Kläger Anlass geben, seine Entschließungen über das weitere prozessuale Vorgehen an der – scheinbar – erfolgten Revisionszulassung auszurichten, und war deshalb für die dann auch erfolgte Einlegung der – tatsächlich unzulässigen – Revision ursächlich.

Erst der neuen Urteilsabschrift konnte der Kläger entnehmen, dass die Revision von dem Berufungsgericht in Wahrheit nicht zugelassen worden war und deshalb allein die Nichtzulassungsbeschwerde als statthaftes Rechtsmittel in Betracht kam. Von deren Einlegung war er jedoch bis dahin durch die zugestellte fehlerhafte Urteilsabschrift abgehalten worden. Begänne in einem solchen Fall, in dem die Berichtigung den Ausspruch über das statthafte Rechtsmittel in sein Gegenteil verkehrt, die Frist für das nach der tatsächlich getroffenen, den Parteien aus der erteilten Urteilsabschrift aber nicht erkennbaren Entscheidung allein statthafte Rechtsmittel bereits mit der Zustellung der fehlerhaften Urteilsabschrift, wäre der Zugang der beschwerten Partei zur Rechtsmittelinstanz erheblich beeinträchtigt, wenn nicht sogar vereitelt.

Deshalb läuft in einem Fall, in dem – wie hier – die Entscheidung über die Zulassung der Revision nachträglich in eine Nichtzulassung berichtigt wird, die Beschwerdefrist erst ab Zustellung des Berichtigungsbeschlusses[16] beziehungsweise der entsprechend berichtigten Urteilsabschrift.

Dem Fristbeginn steht nicht entgegen, dass die Zustellung an die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers erfolgt ist, obwohl der Kläger zu dem betreffenden Zeitpunkt bereits die beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte mit seiner Vertretung beauftragt hatte und diese für ihn Revision eingelegt hatten.

Voraussetzung für den Beginn der Rechtsmittelfrist ist eine Zustellung des Urteils in der in den Vorschriften der §§ 169 ff. ZPO bestimmten Form. In einem anhängigen Verfahren hat die Zustellung nach der Grundregel des § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO – ausschließlich – an den für den (jeweiligen) Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen[17]. Diese in § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO enthaltene Verpflichtung des Gerichts soll gewährleisten, dass der Rechtsanwalt, in dessen Verantwortung die Prozessführung gelegt ist, im gesamten Verfahren Kenntnis von zuzustellenden Schriftstücken erhält[18].

Das Berufungsgericht hat im Einklang mit diesen Grundsätzen die Zustellung der neu erteilten beglaubigten Abschrift des Berufungsurteils an die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers – und nicht an die zum Zeitpunkt der Zustellung bereits für das Revisionsverfahren eingeschalteten Rechtsanwälte bei dem Bundesgerichtshof – veranlasst.

Denn zum Berufungsrechtszug, für den die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom Kläger bestellt waren, gehörte auch die Zustellung der den Rechtszug abschließenden Entscheidung[19]. Diese muss stets an den Prozessbevollmächtigten des Rechtszugs erfolgen, in dem die Entscheidung erlassen worden ist, auch wenn für den höheren Rechtszug ein Rechtsanwalt schon bestellt ist[20]. Die Vorschrift des § 172 Abs. 2 Satz 2 ZPO, die eine Zustellung an den für den höheren Rechtszug bestellten Rechtsanwalt anordnet, gilt – wie sich aus ihrem Wortlaut und Regelungszusammenhang ergibt – allein für den Schriftsatz, durch den ein Rechtsmittel eingelegt wird.

Der Wirksamkeit dieser Zustellung steht auch nicht entgegen, dass ihn die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten – nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsgesuch – im betreffenden Zeitpunkt aufgrund der Mandatsbeendigung im September 2020 nicht mehr vertreten haben.

Dieser Umstand ist nach der für den Anwaltsprozess geltenden Vorschrift des § 87 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO unbeachtlich, die im Rahmen des § 172 ZPO auch dann anzuwenden ist, wenn es nur noch um die Zustellung eines den Rechtszug abschließenden Urteils geht[21]. Demgemäß erlangt die Kündigung eines Anwaltsmandats auch im Verhältnis zum Gericht[22] erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Rechtsanwalts rechtliche Wirksamkeit. Eine solche Anzeige ist im Streitfall nicht erfolgt. Die Einschaltung der nach § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte fällt nicht hierunter, weil diese nicht für den Berufungsrechtszug bestellt wurden und gemäß § 172 BRAO nur an den dort genannten Gerichten auftreten dürfen[23], zu denen das Berufungsgericht nicht gehört.

Hat der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte weder seinen früheren Mandanten noch die mit seiner Vertretung vor dem Bundesgerichtshof beauftragten Rechtsanwälte über die Zustellung in Kenntnis gesetzt, kann dies einen Wiedereinsetzungsgrund zumindest dann darstellen, wenn die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten zuvor das Mandat niedergelegt haben. Insoweit ist dem Kläger die mit der Zustellung der neuen Urteilsabschrift erlangte – zeitlich frühere – Kenntnis der zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten von der nicht erfolgten Revisionszulassung nicht entsprechend § 166 Abs. 1 BGB mit Rücksicht auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) zuzurechnen[24]. Die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten waren aufgrund der Mandatsniederlegung im Zeitpunkt der Zustellung nicht mehr mit der gerichtlichen Vertretung des Klägers betraut und für diesen auch nicht mehr tätig gewesen. Damit war an sie zwar noch die neue Abschrift des Berufungsurteils mit Wirkung für den Kläger zuzustellen (§ 172 Abs. 1 Satz 1, § 87 Abs. 1 ZPO). Nach Beendigung des der früheren Prozessvollmacht zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses waren sie aber nicht mehr Vertreter des Klägers im Sinne von § 233, § 85 Abs. 2 ZPO[25].

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Hindernis im Sinne von § 234 Abs. 2 ZPO nicht erst bei Kenntnis des wahren Sachverhalts entfallen. Es ist bereits dann behoben, sobald die Unkenntnis und damit die Verhinderung nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann. Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt deshalb spätestens mit dem Zeitpunkt, in dem der verantwortliche Anwalt bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis – hier die (drohende) Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde – hätte erkennen können[26].

Nach diesem Maßstab hat die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist zu dem Zeitpunkt begonnen, an dem die mit der Vertretung des Klägers vor dem Bundesgerichtshof beauftragten Rechtsanwälte bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen zu erwartenden Sorgfalt Kenntnis von der erfolgten Zustellung der berichtigten Urteilsabschrift erlangt hätten.

Einen Prozessbevollmächtigten treffen hinsichtlich der Wahrung von Rechtsmittelfristen besondere Sorgfaltspflichten. Er hat alles ihm Zumutbare zu veranlassen, damit diese Fristen gewahrt werden. Dazu gehört vorrangig, dass er eigenverantwortlich das für den Beginn des Laufs der Rechtsmittelfristen maßgebende Zustellungsdatum feststellt. Beauftragt eine Partei für die Rechtsmittelinstanz einen anderen Anwalt, dann hat der Rechtsmittelanwalt in eigener Verantwortung durch geeignete und verlässliche Erkundigungen zu ermitteln, ob und wann ein Urteil der Vorinstanz zugestellt worden ist[27]. Er muss daher geeignete und verlässliche Maßnahmen treffen, die eine zuverlässige Information vom Lauf der Frist gewährleisten[28]. Im Regelfall ist eine Sachstandsanfrage bei dem Gericht der Vorinstanz eine geeignete Maßnahme, um zu klären, ob und gegebenenfalls wann das vorinstanzliche Urteil zugestellt worden ist[29].

Das anwaltliche Verschulden hinsichtlich der unterbliebenen Kenntniserlangung von der Zustellung einer berichtigten Abschrift des Berufungsurteils, aus der sich die tatsächlich nicht erfolgte Revisionszulassung ergibt, war für die Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde zumindest mitursächlich, was die Gewährung einer Wiedereinsetzung ausschließt[30]. Hätten die vom Kläger mit der Vertretung vor dem Bundesgerichtshof beauftragten Rechtsanwälte die gebotenen Vorkehrungen getroffen und sich in regelmäßigen Abständen nach der Rückgabe der Verfahrensakten bei dem Berufungsgericht, bei den früheren zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers oder bei dem Revisionsgericht nach etwaigen vom Berufungsgericht im Hinblick auf die festgestellten Abweichungen ergriffenen Maßnahmen erkundigt, hätten sie jedenfalls zeitnah zu der erfolgten Zustellung von der Nichtzulassung der Revision erfahren und innerhalb der einmonatigen Frist für den Kläger Nichtzulassungsbeschwerde einlegen können.

Im Ergebnis kann im Streitfall dahinstehen, in welchem zeitlichen Abstand die anwaltliche Sorgfaltspflicht eine regelmäßige Erkundigung bei dem Berufungsgericht oder den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten verlangt hat. Denn eine solche Erkundigung ist seitens der vom Kläger mit der Vertretung vor dem Bundesgerichtshof beauftragten Rechtsanwälte über einen Zeitraum von fünf Monaten bis zum Erhalt des Schreibens der Senatsvorsitzenden vom 25.06.2021 unterblieben. Ein schlichtes Abwarten über einen solchen Zeitraum entsprach nach den im Streitfall gegebenen Umständen jedenfalls nicht der anwaltlichen Sorgfalt. Der Bundesgerichtshof braucht deshalb auch nicht zu entscheiden, ob die Wiedereinsetzungsfrist erst mit dem Ablauf der zu wahrenden Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (hier also am 19.04.2021) begonnen hat oder ob die Behebung des Hindernisses im Sinne von § 234 Abs. 2 ZPO auch vor Ablauf der zu wahrenden Frist liegen kann[31]. Denn auch im ersten Fall wäre der Wiedereinsetzungsantrag mehr als zwei Monate zu spät erfolgt.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25. Januar 2022 – VIII ZR 233/20

  1. im Anschluss an BGH, Beschluss vom 13.10.2016 – IX ZB 57/14, NJW-RR 2016, 1463 [zur Rechtsbeschwerde][]
  2. im Anschluss an BGH, Beschluss vom 12.02.2004 – V ZR 125/03, NJW-RR 2004, 712 unter – II 1[]
  3. BeckOK-ZPO/Kessal-Wulf, Stand: 1.12.2021, § 543 Rn. 4[]
  4. BGH, Beschluss vom 13.10.2016 – IX ZB 57/14, NJW-RR 2016, 1463 Rn. 7[]
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 13.10.2016 – IX ZB 57/14, aaO Rn. 6[]
  6. vgl. für den Beginn der Berufungsfrist BGH, Beschluss vom 27.01.2016 – XII ZB 684/14, NJW 2016, 1180 Rn. 15 ff.[]
  7. vgl. für die Berufungsfrist BGH, Urteil vom 26.10.1976 – VI ZR 249/75, BGHZ 67, 284, 286 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 09.11.2016 – XII ZB 275/15, NJW-RR 2017, 55 Rn. 6[]
  8. BGH, Urteil vom 09.12.1983 – V ZR 21/83, BGHZ 89, 184, 186 mwN[]
  9. BGH, Urteil vom 09.11.2016 – XII ZB 275/15, aaO[]
  10. vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 12.09.2000 – 1 BvR 1399/00 2[]
  11. vgl. nur BGH, Beschluss vom 06.05.2009 – XII ZB 81/08, NJW-RR 2009, 1443 Rn. 8; Urteil vom 09.11.2016 – XII ZB 275/15, aaO; jeweils mwN[]
  12. BGH, Urteil vom 09.11.2016 – XII ZB 275/15, aaO; vgl. auch BGH, Urteile vom 18.12.2019 – VIII ZR 332/18, NJW-RR 2020, 472 Rn.20; vom 26.10.1976 – VI ZR 249/75, BGHZ 67, 284, 287; vom 09.12.1983 – V ZR 21/83, BGHZ 89, 184, 186 f.; vom 28.03.1990 – XII ZR 68/89, FamRZ 1990, 988 unter 1; Beschluss vom 12.02.2004 – V ZR 125/03, NJW-RR 2004, 712 unter – II 1 a[]
  13. vgl. grundlegend BGH, Urteil vom 26.10.1976 – VI ZR 249/75, aaO S. 287 ff.[]
  14. BGH, Beschlüsse vom 23.04.1955 – VI ZB 4/55, BGHZ 17, 149, 152; vom 17.01.1991 – VII ZB 13/90, BGHZ 113, 228, 231; vom 05.11.1998 – VII ZB 24/98, NJW 1999, 646 unter – II 2; Urteile vom 26.10.1976 – VI ZR 249/75, BGHZ 67, 284, 287; vom 07.11.2003 – V ZR 65/03, WM 2004, 891 unter – II 3 a aa[]
  15. vgl. BVerfG, NJW 2021, 915 Rn. 27 mwN[]
  16. BGH, Beschluss vom 12.02.2004 – V ZR 125/03, NJW-RR 2004, 712 unter – II 1 b[][]
  17. BGH, Beschlüsse vom 19.09.2007 – VIII ZB 44/07, NJW 2008, 234 Rn. 10; vom 18.06.2020 – I ZB 83/19, NJW-RR 2020, 1191 Rn. 9[]
  18. BGH, Beschluss vom 19.09.2007 – VIII ZB 44/07, aaO[]
  19. vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 172 Rn. 14; Prütting/Gehrlein/Marx, ZPO, 13. Aufl., § 172 Rn. 7; siehe auch Wieczorek/Schütze/Rohe, ZPO, 4. Aufl., § 172 Rn. 6[]
  20. BGH, Beschluss vom 18.06.2020 – I ZB 83/19, NJW-RR 2020, 1191 Rn. 11; Stein/Jonas/Roth, aaO; MünchKomm-ZPO/Häublein/Müller, 6. Aufl., § 172 Rn. 12; BeckOK-ZPO/Dörndorfer, Stand: 1.12.2021, § 172 Rn. 5; Wieczorek/Schütze/Rohe, aaO Rn. 23; jeweils mwN[]
  21. vgl. BGH, Urteil vom 05.11.1974 – VI ZR 239/73, NJW 1975, 120 unter – II [für § 176 ZPO aF][]
  22. BGH, Beschluss vom 10.07.1985 – IVb ZB 102/84 4[]
  23. vgl. Vorwerk in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 172 BRAO Rn. 1[]
  24. vgl. zum Rechtsanwalt als sogenannten Wissensvertreter: BGH, Urteile vom 26.10.2006 – IX ZR 147/04, BGHZ 169, 308 Rn. 17 [für § 852 Abs. 1 BGB aF]; vom 08.01.2015 – IX ZR 198/13, NJW-RR 2015, 567 Rn. 11 und 13 [für § 133 InsO]; vom 25.10.2018 – IX ZR 168/17, NJW-RR 2019, 116 Rn. 13 f. mwN[]
  25. vgl. BGH, Urteil vom 05.11.1974 – VI ZR 239/73, NJW 1975, 120 unter – II 2 b [zu § 232 ZPO aF][]
  26. vgl. etwa BGH, Beschluss vom 31.01.1990 – VIII ZB 44/89, NJW-RR 1990, 830 unter – II 1 a; BGH, Beschluss vom 06.07.2011 – XII ZB 88/11 7[]
  27. BGH, Beschluss vom 27.01.2016 – XII ZB 684/14, NJW 2016, 1180 Rn. 22 mwN[]
  28. BGH, Beschluss vom 22.11.1990 – I ZB 13/90, NJW-RR 1991, 828 unter – III 1 mwN[]
  29. vgl. BGH, Beschluss vom 08.02.1996 – VII ZB 21/95, NJW 1996, 1477 unter [II] 2[]
  30. vgl. BGH, Beschluss vom 27.01.2016 – XII ZB 684/14, NJW 2016, 1180 Rn. 25 und 27[]
  31. vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 31.01.1990 – VIII ZB 44/89, NJW-RR 1990, 830 unter – II 1 a, 2; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 4. Aufl., § 234 Rn. 8; jeweils mwN[]