Suchen Eheleute gemeinsam einen Rechtsanwalt auf, um sich in ihrer Scheidungsangelegenheit beraten zu lassen, hat der Anwalt vor Beginn der Beratung auf die gebühren- und vertretungsrechtlichen Folgen einer solchen Beratung hinzuweisen.

Dabei hat der Bundesgerichtshof offen gelassen, ob der anlässlich des Beratungsgespräches am 10. März 2011 zustande gekommene Anwaltsvertrag wegen eines Verstoßes gegen das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten (§ 43a Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 BORA), nach § 134 BGB unwirksam ist. Auf diese Frage kam es bei der vorliegenden Honorarklage der Rechtsanwältin nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht an, denn auch bei Wirksamkeit des Anwaltsvertrages steht der Rechtsanwältin vorliegend ein Zahlungsanspruch gegenüber den Ehegatten nicht zu :
In Scheidungsverfahren soll es häufig vorkommen, dass sich die scheidungswilligen Eheleute in der Annahme völligen Interessengleichklangs und der Absicht, die Kosten für einen zweiten Anwalt zu sparen, gemeinsam durch einen Anwalt beraten lassen wollen (vgl. § 1566 Abs. 1 BGB, § 114 Abs. 1 und 4 Nr. 3, § 128 Abs. 1, § 133 Abs. 1 Nr. 2 FamFG) [1]. Auch wenn das durch die Ehe begründete einheitliche Lebensverhältnis eine identische Rechtssache darstellt [2] und die Eheleute im Falle der Trennung und Scheidung über das möglicherweise gleichlaufende Interesse hinaus, möglichst schnell und kostengünstig geschieden zu werden, typischerweise gegenläufige Interessen in Bezug auf die Scheidungsfolgen haben, wird in Rechtsprechung und Literatur die Meinung vertreten, dass eine gemeinsame Beratung mit dem Ziel einer einvernehmlichen Scheidung im Grundsatz möglich ist, wobei Voraussetzungen und Folgen einer solchen gemeinsamen Beratung unterschiedlich gesehen werden [3]. Jedenfalls dann, wenn die gemeinsame Beratung der Eheleute nicht zu der beabsichtigten Scheidungsfolgenvereinbarung führt und es trotz anfänglicher Übereinstimmungen während der anwaltlichen Beratung zu einem Interessenwiderstreit kommt, darf der Rechtsanwalt für keinen der beiden Ehepartner mehr tätig werden ; in diesem Punkt besteht in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit [4].
Zugunsten der Rechtsanwältin unterstellt der Bundesgerichtshof, dass eine so beschriebene gemeinsame Beratung scheidungswilliger Eheleute zulässig ist, sie den Mandanten und seine Ehefrau in diesem Sinne gemeinsam beraten hat und der unauflösliche Interessenwiderstreit zwischen den Eheleuten erst aufgetreten ist, nachdem alle von ihr abgerechneten Gebührentatbestände erfüllt waren, der Anwaltsvertrag mithin bis zum Erkennbarwerden des Interessenwiderstreits wirksam und die geltend gemachte Vergütung im Grundsatz verdient war [5]. Trotzdem kann sie die geltend gemachten Gebühren nach § 242 BGB nicht verlangen, weil dem Mandanten in diesem Fall in Höhe der Gebührenforderung aus dem Anwaltsvertrag in Verbindung mit § 311 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch gegen die Rechtsanwältin zusteht.
Die Rechtsanwältin hätte den Mandanten und seine Ehefrau vor der gemeinsamen Beratung darauf hinweisen müssen, dass ein Anwalt im Grundsatz nur einen von ihnen beraten kann, dass sie bei einer gemeinsamen Beratung nicht mehr die Interessen einer Partei einseitig vertreten darf, sondern sie die Eheleute nur unter Ausgleich der gegenseitigen Interessen beraten kann, und dass sie jedenfalls dann, wenn die gemeinsame Beratung nicht zu einer Scheidungsfolgenvereinbarung führt und widerstreitende Interessen der Eheleute unüberwindbar aufscheinen, das Mandat gegenüber beiden Eheleuten niederlegen muss mit der Folge, dass beide Eheleute neue Anwälte beauftragen müssen, so dass ihnen Kosten nicht nur für einen, sondern für drei Anwälte entstehen. Weiter hätte sie die Eheleute darüber belehren müssen, dass sie möglicherweise auch dann, wenn die Eheleute eine Scheidungsfolgenvereinbarung treffen, einen der Eheleute im Scheidungsverfahren zur Stellung des Scheidungsantrags nicht vertreten kann, die Eheleute danach auch im Fall der einvernehmlichen Scheidung die Kosten für zwei Anwälte tragen müssen, weil diese Frage richterlich noch nicht geklärt ist [6]. Diese Belehrungen hat die Rechtsanwältin dem Mandanten und seiner Ehefrau pflichtwidrig nicht erteilt.
Dass ein Rechtsanwalt seinem Mandanten Belehrungen über Umstände schuldet, die zu zusätzlichen Kosten für den Mandanten führen können, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt [7]. Aber auch im Übrigen hat der Rechtsanwalt den Mandanten darüber aufzuklären, wenn aus Sicht des Mandanten Bedenken darüber bestehen können, ob der Anwalt seine Interessen konsequent durchsetzt. So muss ein Rechtsanwalt, der während des Mandatsverhältnisses in einer anderen Sache einen Dritten gegen den Mandanten vertritt, darauf hinweisen, weil der Mandant in der Regel darauf vertraut, dass der von ihm beauftragte Anwalt nur seine Interessen und nicht auch gleichzeitig die Interessen Dritter gegen ihn wahrnimmt [8]. Darüber hinaus hat ein Rechtsanwalt auch offenzulegen, dass er oder ein anderes Mitglied seiner Sozietät den Gegner der Person, welche ihm ein neues Mandat anträgt, häufig in Rechtsangelegenheiten vertritt, und zwar unabhängig davon, ob ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang zu dem neuen Mandat besteht. Denn der Rechtssuchende darf einen unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt erwarten, der seine Interessen ohne Rücksicht auf die gegenläufigen Interessen der anderen Seite umfassend vertritt. Wird ein Anwalt oder dessen Sozius häufig für eine bestimmte Partei tätig, kann aus der Sicht anderer Mandanten fraglich sein, ob der Anwalt ihre Interessen gegenüber dem anderen Mandanten mit gleichem Nachdruck vertritt wie gegenüber einem dem Anwalt völlig gleichgültigen Gegner [9].
In einer ähnlichen Lage befinden sich die scheidungswilligen Eheleute, die den Rechtsanwalt vielleicht aus Kostengründen zu einer gemeinsamen Beratung aufsuchen. Ihnen ist in diesem Fall nicht bewusst, dass ihre Interessen gegenläufig sein können, weil ihnen die gegenseitigen Rechte unbekannt sind. Sie vertrauen darauf, dass der sie gemeinsam beratende Rechtsanwalt das Beste für sie herausholt, ohne sich klar zu machen, dass dieser in einer gemeinsamen Beratung bei gegenläufigen Interessen dazu nicht in der Lage sein wird. Zudem ist ihnen die Gefahr unbekannt, dass der Anwalt, der sie gemeinsam berät, unter Umständen das Mandat gegenüber beiden niederlegen muss, und dass auf sie zusätzliche Anwaltskosten zukommen können.
Infolge der unterlassenen Hinweise ist dem Mandanten auch der Schaden in Höhe der Gebührenforderung der Rechtsanwältin entstanden. Denn er musste, nachdem diese infolge der bei der gemeinsamen Beratung auftretenden widerstreitenden Interessen weder für seine Ehefrau noch für ihn mehr tätig werden durfte und beiden Eheleuten gegenüber das Mandat niederlegen musste (§ 43a Abs. 3 BRAO, § 3 Abs. 1 und 4 BORA ; vgl. auch Nr. 3.2.1. und 3.2.2. der Berufsregeln der Rechtsanwälte der Europäischen Union), einen neuen Anwalt mit seiner Vertretung in der familienrechtlichen Angelegenheit beauftragen, so dass die von der Rechtsanwältin geltend gemachten Gebühren für ihn erneut anfielen. Die von der Rechtsanwältin erbrachte Beratungsleistung war für ihn insoweit wertlos. Hätte die Rechtsanwältin dem Mandanten und seiner Ehefrau die erforderlichen Hinweise erteilt, spricht eine Vermutung dafür, dass diese sich nicht gemeinsam von ihr hätten beraten lassen. Vielmehr hätte sich der Beklagte allein von ihr beraten und vertreten lassen [10]. Denn die Eheleute hatten – wie sie wussten – vor dem Gespräch mit der Rechtsanwältin weder den Unterhalt, noch den Hausrat und den Kindesumgang des Mandanten geklärt. Ein Scheitern der gemeinsamen Beratung lag mithin auf der Hand. Bei dem Entschluss des Mandanten, sich allein oder gemeinsam mit der Ehefrau beraten zu lassen, handelt es sich auch nicht um eine Entscheidung im höchstpersönlichen Lebensbereich, bei der die Vermutungsregel nicht gilt [11].
Sollte der Anwaltsvertrag von Anfang an nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 43a Abs. 3 BRAO, § 3 Abs. 1 und 4 BORA nichtig gewesen sein, stünden der Rechtsanwältin ebenfalls keine Zahlungsansprüche zu, weder aus Vertrag noch aus §§ 670, 677, 683 BGB noch aus § 812 Abs. 1 BGB [12].
Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. September 2013 – IX ZR 322/12
- Göppinger/Börger, Vereinbarungen anlässlich der Ehescheidung, 10. Aufl., 1. Teil Rn. 143 ; Hartung, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 5. Aufl., § 3 BORA Rn. 57 ; Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 43a Rn. 178[↩]
- Böhnlein in Feuerich/Weyland/Vossebürger/Böhnlein/Brüggemann, BRAO, 8. Aufl., § 43a Rn. 63 ; Hartung, aaO Rn. 56 ; Henssler, aaO Rn. 177, 200 ; Kleine-Cosack, BRAO, 6. Aufl., § 43a Rn. 93[↩]
- zu den Voraussetzungen einerseits BayObLG, NJW 1981, 832, 833 ; KG, NJW 2008, 1458 f, andererseits AG Gifhorn, FPR 2004, 161 f ; Göppinger/Börger, aaO Rn. 146 ; Henssler aaO Rn. 178 ; Groß, FPR 2000, 136, 138 ; zu den Folgen einerseits Groß, FPR 2000, 136, 139 ; andererseits Göppinger/Börger, aaO ; Henssler aaO ; noch weiter gehend OLG Karlsruhe, NJW 2002, 3561, 3563 ; Kleine-Cosack, aaO Rn. 122 ; der Zulässigkeit einer gemeinsamen Beratung stehen ablehnend gegenüber : AG Neunkirchen, FamRZ 1996, 298 f ; LG Hildesheim, FF 2006, 272 ; Hartung, aaO Rn. 57 ff ; Zuck in Gaier/Wolf/Görken, Anwaltliches Berufsrecht, § 43 BRAO/§ 3 BORA Rn. 11[↩]
- AG Gifhorn, aaO ; KG, aaO ; Göppinger/Börger, aaO ; Henssler, aaO ; BeckerEberhard, FS Dieter Schwab, 2005, 629, 633 ; Kilian, RdA 2006, 120, 124 ; Kleine-Cosack, AnwBl 2005, 338, 340[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 23.04.2009 – IX ZR 167/07, NJW 2009, 3297 Rn. 32[↩]
- vgl. die oben zitierte Lit.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 08.11.2007 – IX ZR 5/06, BGHZ 174, 186 Rn. 14[↩]
- BGH, aaO Rn. 10[↩]
- BGH, aaO Rn. 12 f[↩]
- vgl. G. Fischer in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1115[↩]
- vgl. G. Fischer, aaO Rn. 1113[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.02.2000 – IX ZR 50/98, NJW 2000, 1560, 1562[↩]