Der Einwendungsausschluss nach § 166 AO kann auch zu Lasten eines vom Steuerpflichtigen beauftragten -und für die Steuerschuld haftenden- Rechtsanwalts wirken, wenn er mangels entgegenstehender Weisung in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Bevollmächtigter anzufechten.

Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies nach § 166 AO neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten.
§ 166 AO soll das Haftungsverfahren von Fragen der materiellen Richtigkeit der Steuerfestsetzungen befreien und verhindern, dass im Haftungsverfahren das Besteuerungsverfahren nochmals aufgerollt und dadurch das Haftungsverfahren unnötig verzögert wird, wenn der Haftungsschuldner als Vertreter des Steuerpflichtigen bereits zur Anfechtung der Steuerfestsetzung befugt war oder diese bereits erfolglos angefochten hat. § 166 AO verlangt von den dort genannten Personengruppen, dass sie von einer ihnen eingeräumten uneingeschränkten Rechtsmittelbefugnis Gebrauch machen[1].
§ 166 AO setzt voraus, dass der Vertreter oder Bevollmächtigte zu einer Anfechtung „in der Lage gewesen wäre“. Erforderlich ist daher, dass er aufgrund des Vertretungsverhältnisses zur Anfechtung rechtlich in der Lage war[2]. § 166 AO ist daher bei einer Gesamtvertretung in der Regel gegenüber keinem Gesellschafter anzuwenden[3]. Dementsprechend ist § 166 AO unanwendbar, wenn Bindungen im Innenverhältnis den Vertreter an der Einlegung des Rechtsbehelfs hindern[4].
In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall war der Rechtsanwalt in seiner Eigenschaft als Kommanditist für die KG nach § 164 HGB weder geschäftsführungs- noch vertretungsbefugt, so dass eine Anwendung von § 166 AO nur in Bezug auf seine Stellung als Rechtsanwalt und damit als Bevollmächtigter der KG in Betracht kommt.
Der Einwendungsausschluss nach § 166 AO kann auch zu Lasten eines vom Steuerpflichtigen beauftragten -und für die Steuerschuld haftenden- Rechtsanwalts wirken, wenn er mangels entgegenstehender Weisung in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Bevollmächtigter anzufechten.
Der Bundesfinanzhof hat dabei nach den Verhältnissen des Streitfalls nicht abschließend zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein weisungsgebundener Bevollmächtigter zur Anfechtung „in der Lage gewesen wäre“. Insoweit erscheint die vom Finanzgericht allgemein bejahte Anwendung von § 166 AO auch auf Rechtsanwälte zwar zweifelhaft. Doch auch eine Beurteilung entsprechend der vorstehend wiedergegebenen Kommentarliteratur unter Beachtung der im Innenverhältnis bestehenden Bindungen führt aufgrund der Besonderheiten im Streitfall zu keiner abweichenden Beurteilung. Denn dann käme es auf den Nachweis einer Weisung an, die der Anfechtung entgegenstand, da ein weitergehender, von den Umständen des Einzelfalls unabhängiger Ausschluss von § 166 AO mit den mit dieser Regelung verfolgten Zielen nicht vereinbar ist.
Im Streitfall ist daher maßgeblich, dass das Finanzgericht den Rechtsanwalt vor der mündlichen Verhandlung auf die Bedeutung der Drittwirkung der Steuerfestsetzung nach § 166 AO hingewiesen hatte, der fachkundig sich selbst vertretende Rechtsanwalt seinen Vortrag zu einer ihm erteilten Weisung aber weder konkretisiert noch glaubhaft gemacht hat.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. Februar 2019 – V R 68/17
- BFH, Urteil vom 27.09.2017 – XI R 9/16, BFHE 259, 221, BStBl II 2018, 515, unter III. 2.a, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung[↩]
- Krumm in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 166 AO Rz 15[↩]
- BFH, Urteil vom 16.12 1997 – VII R 30/97, BFHE 185, 105, BStBl II 1998, 319[↩]
- Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 166 AO Rz 11[↩]