Ersatzzustellung – durch Einlegen in den Briefkasten des Prozessbevollmächtigten

Die Zustellung einer Ladung nach §§ 91, 53 FGO ist als Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten nach § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 180 ZPO ordnungsgemäß.

Ersatzzustellung – durch Einlegen in den Briefkasten des Prozessbevollmächtigten

Nach dieser Vorschrift kann, wenn die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht ausführbar ist, das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden.

Die Einlegung ist im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall in einen zu der Wohnung gehörenden Briefkasten erfolgt und wurde mit diesem Zeitpunkt wirksam, ungeachtet der Frage, wann der Bescheidadressat sie tatsächlich zur Kenntnis genommen hat. Damit ist auch die zweiwöchige Ladungsfrist des § 91 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO gewahrt.

Der Begriff der Wohnung i.S. des § 180 ZPO entspricht angesichts der Verknüpfung der beiden Vorschriften dem Wohnungsbegriff des § 178 ZPO, so dass die zu dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung ebenfalls heranzuziehen ist. Es handelt sich um den Ort, an dem der Zustellungsempfänger tatsächlich lebt und schläft, so dass die ordnungsbehördliche Meldung nicht erheblich ist[1]. Vorübergehende oder längere bis mehrmonatige Abwesenheit ist unschädlich[2]. Erst die endgültige Aufgabe der Wohnung schließt die Zustellung aus[3]. Wer sich nach außen den Anschein gibt, an einem bestimmten Ort eine Wohnung zu haben, somit bewusst und zielgerichtet einen Irrtum über seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt herbeiführt, muss dies bei einer Zustellung gegen sich gelten lassen[4]. Das Bundesverfassungsgericht hat die diesbezügliche Rechtsprechung nicht beanstandet[5].

Nach diesen Maßstäben war im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers jedenfalls zum Zeitpunkt der Ladung noch eine Wohnung unter der Anschrift in A unterhielt. Dieser hatte selbst seinen letzten Schriftsatz unter dieser auch früher bereits verwendeten Anschrift verfasst und keine Anschriftenänderung mitgeteilt, was ihm als Prozessbevollmächtigtem oblegen hätte. Zu diesem Zeitpunkt war die Wohnung in A bereits als Nebenwohnung registriert. Wenn der Prozessbevollmächtigte weiter unter dieser Anschrift korrespondierte, konnte und musste das Finanzgericht sich darauf verlassen, dass es sich um eine auch für Zustellungen zur Verfügung stehende Wohnung handelte. Soweit der Kläger sich nunmehr darauf beruft, der Prozessbevollmächtigte habe dort zum Zeitpunkt der Zustellung nicht mehr gewohnt, ist dies als Schutzbehauptung zu werten, um die Zustellung als mangelbehaftet darzustellen. Aus der meldeamtlichen Herabstufung der Wohnung in A zur Nebenwohnung im Jahre 2014 kann der Kläger nichts für sich herleiten. Zum einen ist die Registrierung der Wohnungen beim Einwohnermeldeamt ohnehin nicht erheblich. Zum anderen ist auch eine Nebenwohnung immerhin eine Wohnung. Diese Meldung steht folglich der durch das tatsächliche Verhalten des Prozessbevollmächtigten begründeten Annahme, er habe dort eine Wohnung unterhalten, noch weniger entgegen als wenn der Prozessbevollmächtigte dort überhaupt nicht gemeldet gewesen wäre. Der Bundesfinanzhof kann daher offenlassen, wie im Übrigen mit Nebenwohnungen zu verfahren ist.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25. Juli 2016 – X B 20/16

  1. vgl. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 53 Rz 76[]
  2. vgl. BFH, Entscheidungen vom 01.12 1988 – V R 125/83, BFH/NV 1989, 523; vom 04.06.1987 – V R 131/86, BFHE 150, 305, BStBl II 1988, 392, beide jeweils unter 2.a der Entscheidungsgründe; vom 16.12 2004 – II B 164/03, BFH/NV 2005, 716[]
  3. Gräber/Stapperfend, a.a.O.[]
  4. vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 178 Rz 7, m.w.N.[]
  5. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.10.2009 – 1 BvR 2333/09, NJW-RR 2010, 421, unter II. 2.a bb (1), unter Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung verschiedener Obergerichte[]