Den Beteiligten muss regelmäßig nicht das Recht eingeräumt werden, sich durch Schriftsatz zum Ergebnis der Beweisaufnahme zu äußern.

Die Ablehnung der im Protokoll der mündlichen Verhandlung beantragten (hier: dreiwöchigen) Schriftsatzfrist im Hinblick auf die erfolgte Beweisaufnahme begründet mithin keine Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß § 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 GG.
Nach Abschluss der Beweisaufnahme ist grundsätzlich sogleich die mündliche Verhandlung fortzusetzen (§ 82 FGO i.V.m. § 370 Abs. 1 der Zivilprozessordnung -ZPO-). Das Gericht hat den Beteiligten die Gelegenheit zu geben, zur Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Hierdurch wird gewährleistet, dass einer gerichtlichen Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweise zugrunde gelegt werden, zu denen sich die Beteiligten vorher äußern konnten[1]. Zugleich soll die sofortige Stellungnahme im Termin sicherstellen, dass unter dem lebendigen Eindruck der Beweisaufnahme verhandelt und entschieden wird[2]. Den Beteiligten muss daher regelmäßig nicht das Recht eingeräumt werden, sich durch Schriftsatz zum Ergebnis der Beweisaufnahme zu äußern. Die Ablehnung eines entsprechenden Antrags verletzt somit grundsätzlich nicht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG[3].
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet es nur dann, im Anschluss an die Beweisaufnahme eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme zum Beweisergebnis zu gewähren, wenn von einem Prozessbeteiligten eine umfassende sofortige Stellungnahme nicht erwartet werden kann, weil er Zeit braucht, um -in Kenntnis der Sitzungsniederschrift- angemessen vorzutragen. Dies kann nach einer komplexen Beweisaufnahme der Fall sein[4].
Ebenso kann nach § 283 ZPO i.V.m. § 155 FGO das Nachreichen eines Schriftsatzes möglich sein, wenn ein Beteiligter sich in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären kann, weil es ihm nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist. Die Vorschrift betrifft das Vorbringen neuer Angriffs- oder Verteidigungsmittel[5].
Daran gemessen rechtfertigte die Beweisaufnahme durch das Finanzgericht hier keine Einräumung einer Schriftsatzfrist. Den Klägern war bereits vor der mündlichen Verhandlung mitgeteilt worden, dass mehrere Zeugen im Termin vernommen werden. Sie konnten sich daher prozessual auf eine umfangreiche Beweisaufnahme und die damit verbundene Beweiswürdigung durch das Gericht einstellen. Die einzige entscheidungserhebliche Beweisfrage -Absicht zur dauerhaften Vermietung einer einzelnen Wohnung- war überschaubar und nicht komplex. Ausweislich des Sitzungsprotokolls wurde den Klägern während der mündlichen Verhandlung umfassend die Möglichkeit gegeben, sich zu äußern und auch Einwände hinsichtlich des Beweisergebnisses geltend zu machen.
Neue Beweisthemen oder neue rechtliche Gesichtspunkte haben sich in der mündlichen Verhandlung ebenfalls nicht ergeben. Die Kläger haben nicht vorgetragen, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt) im Termin zur mündlichen Verhandlung neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorgebracht hat. Dass die Kläger nach Gewährung einer weiteren Schriftsatzfrist ihren Sachvortrag hätten vertiefen und das Finanzgericht von der Richtigkeit ihrer Rechtsauffassung überzeugen können, genügt nicht zur Darlegung einer Gehörsverletzung[6].
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12. November 2024 – IX B 59/24
- BVerfG, Beschluss vom 07.10.1980 – 2 BvR 1581/79, BVerfGE 55, 95, unter II. 1., m.w.N.[↩]
- BGH, Urteile vom 16.05.1977 – VIII ZR 311/75, MDR 1978, 46, unter II.; und vom 14.06.2018 – III ZR 54/17, BGHZ 2019, 77, Rz 25[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 24.10.1990 – XII ZR 101/89, NJW 1991, 1547, unter 3.a; und vom 14.06.2018 – III ZR 54/17, BGHZ 2019, 77, Rz 25[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2018 – III ZR 54/17, BGHZ 2019, 77, Rz 26[↩]
- vgl. Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl., § 283 Rz 1 und 2a[↩]
- vgl. BFH, Beschlüsse vom 15.05.2019 – IX B 105/18, Rz 9; und vom 12.01.2023 – IX B 81/21, Rz 11[↩]