Ist eine formularmäßig getroffene anwaltliche Vergütungsvereinbarung aus AGB-rechtlichen Gründen insgesamt unwirksam, richten sich die Honoraransprüche des Rechtsanwalts nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

Die Unwirksamkeit einzelner Vergütungsklauseln führt im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Vereinbarung zur Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung im Ganzen, wenn deren einzelne Klauseln in einem untrennbaren inhaltlichen Zusammenhang stehen. Die Unwirksamkeit der Honorarvereinbarungen im Ganzen führt nicht zur Unwirksamkeit der Anwaltsverträge insgesamt (§ 306 Abs. 1 BGB). Sie hat zur Folge, dass der Rechtsanwalt für seine anwaltlichen Tätigkeiten jeweils die gesetzliche Vergütung nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes von der Mandantin verlangen kann (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RVG, § 306 Abs. 2 BGB).
Unionsrechtliche Erwägungen stehen dem nicht entgegen.
Die Vorschrift des § 306 Abs. 2 BGB ordnet an, dass sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften richtet, soweit Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam sind. In Teilen des Schrifttums wird die Vereinbarkeit der Bestimmung mit Art. 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie angezweifelt. Zur Begründung wird ausgeführt, dass § 306 Abs. 2 BGB auch den uneingeschränkten Rückgriff auf abdingbares Recht vorsehe. Demgegenüber lasse die Richtlinienbestimmung eine Lückenfüllung durch dispositives Recht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union[1] nur dann zu, „wenn die Nichtigerklärung der missbräuchlichen Klausel das Gericht zwingen würde, den Vertrag insgesamt für nichtig zu erklären, was für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte, sodass dieser dadurch geschädigt würde“[2].
Die aufgeworfene Frage ist für die Entscheidung bei einer unwirksamen anwaltlichen Honorarvereinbarung bedeutungslos. Die Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes stellen kein abdingbares Recht im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dar. Sie enthalten ein gesetzliches Preisrecht, das über die Höhe der Vergütung der Rechtsanwälte für anwaltliche Tätigkeiten bestimmt. Als gesetzliches Preisrecht geht es über die Ergänzungsfunktion abdingbaren Rechts hinaus; ihm kommt vielmehr eine Ordnungsfunktion zu.
Die Wirkungen des Vergütungsrechts erschöpfen sich nicht in der Bereitstellung von Preisregeln für den Fall, dass es an einer (wirksamen) Honorarvereinbarung (§ 3a RVG) zwischen Rechtsanwalt und Mandant fehlt. § 1 Abs. 1 Satz 1 RVG ordnet vielmehr an, dass sich die Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwälte nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bemisst. Anknüpfungspunkt für die Vergütungspflicht ist dabei die anwaltliche Tätigkeit[3]. Liegen die Voraussetzungen des § 1 RVG vor, bemisst sich die Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten, wenn es an einer (wirksamen) Vereinbarung über die Höhe der Vergütung fehlt, zwingend nach den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes. Abweichungen setzen eine Vergütungsvereinbarung voraus. Zur Disposition der Vertragsparteien steht das gesetzliche Preisrecht nur in dem Rahmen, den die Gebührenordnung selbst eröffnet. Form, Zulässigkeit und Reichweite anwaltlicher Vergütungsvereinbarungen, mit denen von den gesetzlichen Gebühren abgewichen wird, bestimmen sich nach Maßgabe der §§ 3a bis 4b RVG.
Hingegen stellt das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz den Vertragsparteien weder frei, die gesetzlichen Vergütungen ersatzlos abzubedingen, noch sich für den Fall der Unwirksamkeit der getroffenen Vergütungsvereinbarung von den Preisbestimmungen der Gebührenordnung zu lösen. Insoweit ist das gesetzliche Preisrecht nicht disponibel. Außer in Fällen des anfänglich zulässigen Vergütungsverzichts (§ 4 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 RVG) hat dies zur Folge, dass die Preisregeln des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zwingend eingreifen, wenn es an einer (wirksamen) Vergütungsvereinbarung (§ 3a RVG) fehlt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RVG). Dies zeigt sich auch daran, dass die sich aus den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ergebende Vergütung selbst dann geschuldet ist, wenn es an einem wirksamen Vertrag fehlt, wie etwa im Falle einer Geschäftsführung ohne Auftrag oder bei Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung[4].
Schließlich weist der Bundesgerichtshof noch auf Folgendes hin: Die Inhaltskontrolle von Formularklauseln dient ausschließlich dem Schutz des Vertragspartners des Verwenders; der Verwender kann sich nicht auf die Unwirksamkeit einer von ihm gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingung berufen und darf aus einer solchen Unwirksamkeit keine Vorteile ziehen[5]. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht dem Rechtsanwalt keine höhere als diejenige Vergütung zu, welche sich aus den Honorarvereinbarungen ergäbe.
Um dies sicherzustellen, wird das Gericht auch Letztere zu bestimmen und der ermittelten gesetzlichen Vergütung gegenüberzustellen haben. Dabei wird das Gericht in seine Überlegungen einzubeziehen haben, inwieweit die einzelnen Klauseln auch bei ihrer isolierter Betrachtung unwirksam sind.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. September 2024 – IX ZR 65/23
- st. Rspr. bspw. EuGH, Urteil vom 12.01.2023 – C-395/21, D.V., ZIP 2023, 360 Rn. 56 mwN[↩]
- vgl. etwa Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 13. Aufl., § 306 Rn. 4c f; Graf von Westphalen, ZIP 2023, 2177, 2184; Piekenbrock, ZIP 2024, 49, 55 ff[↩]
- vgl. Toussaint, Kostenrecht, 54. Aufl., § 1 RVG Rn. 16; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 26. Aufl., § 1 Rn. 22[↩]
- vgl. etwa Mayer/Kroiß/Mayer, RVG, 8. Aufl., § 1 Rn. 30 ff; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 26. Aufl., § 1 Rn. 85 ff[↩]
- BGH, Urteil vom 12.05.2016 – VII ZR 171/15, BGHZ 220, 206 Rn. 58 mwN[↩]