Nach dem für Verjährungsfragen maßgeblichen „Gebot des sichersten Weges“ hat der Rechtsanwalt bei einer unklaren Rechtslage, ob ein triftiger Grund vorliegt, das Verfahren nicht zu betreiben, im Hinblick auf eine etwaige ungünstigere Beurteilung der Rechtslage durch das mit der Sache befasste Gericht den Weg aufzuzeigen, der eine Verjährung des Anspruchs des Mandanten sicher verhindert[1].

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nimmt der klagende Mandant seine vormaligen Verfahrensbevollmächtigten in Höhe von insgesamt 86.111, 45 € auf Schadensersatz in Anspruch, weil diese nicht verhindert haben, dass der ihm gegen seine frühere Ehefrau zustehende Zugewinnausgleichsanspruch verjährt sei. Die Ehe des Mandanten ist seit dem 4.06.2004 rechtskräftig geschieden. Die Ehefrau des Mandanten reichte am 8.05.2007 eine auf Zugewinnausgleich gerichtete Stufenklage bei dem Amtsgericht – Familiengericht – Mannheim ein. Der Mandant beauftragte seine Verfahrensbevollmächtigte, einen Zugewinnausgleichsanspruch gegenüber seiner Ehefrau geltend zu machen. Am 31.05.2007 erhob die bei der Verfahrensbevollmächtigten tätige Rechtsanwältin für den Mandanten eine auf Ausgleich des Zugewinns gerichtete Klage vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Delmenhorst. Die Ehefrau des Mandanten berief sich auf die Einrede der Verjährung. Nachdem sich sowohl das Amtsgericht – Familiengericht – Delmenhorst als auch das Amtsgericht – Familiengericht – Mannheim für die von dem Mandanten erhobene Zugewinnausgleichsklage für unzuständig erklärten, bestimmte das Oberlandesgericht Oldenburg mit Beschluss vom 23.10.2007 das Amtsgericht – Familiengericht – Delmenhorst als zuständiges Gericht. Daraufhin schlug das Amtsgericht Familiengericht – Delmenhorst den Parteien am 19.11.2007 das Ruhen des Verfahrens vor; der Ausgang des Verfahrens in Mannheim solle abgewartet werden. Die Rechtsanwältin beantragte das Ruhen des Verfahrens; die Ehefrau des Mandanten stimmte dem Ruhen des Verfahrens zu. Mit Beschluss vom 14.01.2008 ordnete das Amtsgericht – Familiengericht – Delmenhorst das Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss des Parallelverfahrens vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Mannheim an. Nach Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung des Mandanten in dem in Mannheim betriebenen Verfahren rief die Rechtsanwältin im November 2008 für den Mandanten das Verfahren in Delmenhorst wieder auf. Die Ehefrau des Mandanten erhob erneut die Einrede der Verjährung. Das Amtsgericht – Familiengericht Delmenhorst wies die Klage ab, weil im Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Verfahrens bereits Verjährung eingetreten gewesen sei. Die von der Rechtsanwältin für den Mandanten dagegen eingelegte Berufung wies das Oberlandesgericht Oldenburg mit gleicher Begründung zurück.
Der Mandant ist der Ansicht, die Rechtsanwältin habe erkennen müssen, dass das Ruhen des Verfahrens die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs zur Folge haben würde. Ihm wäre ein Zugewinnausgleichsanspruch in Höhe von 65.661, 43 € zuerkannt worden; Kosten in Höhe von 20.450, 02 € wären ihm dann nicht entstanden. Die Verfahrensbevollmächtigten meinen, die Entscheidungen im Vorprozess seien hinsichtlich der Frage der Verjährung rechtsfehlerhaft. Überdies behaupten sie, dass dem Mandanten mangels Leistungsfähigkeit der Ehefrau kein Zugewinnausgleichsanspruch entgangen sei.
Das erstinstanzlich mit der Schadensersatzklage befasste Landgericht Bremen hat die Verfahrensbevollmächtigten zur Zahlung von 47.071 € und 9.867, 81 €, jeweils nebst Zinsen, sowie zur Freistellung von Kosten in Höhe von 1.954, 46 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen[2]. Auf die Berufung der Verfahrensbevollmächtigten hat das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen, die Anschlussberufung des Mandanten hat es zurückgewiesen[3]. Auf die im Berufungsurteil zugelassene Revision des Mandanten hob der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zurück an das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen:
Entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts liegt eine Verletzung der den Verfahrensbevollmächtigten aufgrund des mit dem Mandanten geschlossenen Anwaltsvertrags obliegenden Pflichten im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB vor, weil sie nicht den sichersten Weg gewählt haben, die Rechte des Mandanten zu sichern und geltend zu machen, und den Mandanten hierüber unzureichend beraten haben.
Der Mandant hat die Verfahrensbevollmächtigten beauftragt, einen Zugewinnausgleichsanspruch gegenüber seiner Ehefrau geltend zu machen; damit ist ein Rechtsanwaltsvertrag zustande gekommen.
Die Verfahrensbevollmächtigten haben die ihnen aus dem geschlossenen Anwaltsvertrag dem Mandanten gegenüber obliegende Pflicht verletzt, den sichersten Weg zu wählen, die Rechte des Mandanten zu sichern und geltend zu machen, denn sie haben den Mandanten weder über die mit einem Ruhen des Verfahrens verbundenen Risiken für ein Ende der Hemmung der Verjährung aufgeklärt noch Maßnahmen aufgezeigt oder ergriffen, um erhebliche Unsicherheiten über die drohende Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs zu vermeiden. Die Rechtsanwältin hat das ruhend gestellte Verfahren über den Zugewinnausgleichsanspruch des Mandanten nicht vor dem Ablauf der in § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB geregelten Frist von sechs Monaten wieder aufgerufen. Sie hat auch nicht mit der Ehefrau des Mandanten eine ausdrückliche Vereinbarung über die weitere Hemmung der Verjährung getroffen.
Der Rechtsanwalt muss die Erfolgsaussichten des Begehrens seines Mandanten umfassend prüfen und den Mandanten hierüber belehren. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist[4]. Der konkrete Umfang der anwaltlichen Pflichten richtet sich nach dem erteilten Mandat und den Umständen des einzelnen Falls[5]. Der Rechtsanwalt hat, wenn mehrere Maßnahmen in Betracht kommen, diejenige zu treffen, welche die sicherste und gefahrloseste ist, und, wenn mehrere Wege möglich sind, um den erstrebten Erfolg zu erreichen, den zu wählen, auf dem dieser am sichersten erreichbar ist[6]. Gibt die rechtliche Beurteilung zu begründeten Zweifeln Anlass, so muss der Rechtsanwalt auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass sich die zur Entscheidung berufene Stelle der seinem Auftraggeber ungünstigeren Beurteilung der Rechtslage anschließt[7].
Die Verfahrensbevollmächtigten waren beauftragt, den Zugewinnausgleichsanspruch des Mandanten geltend zu machen. Sie waren dabei auch verpflichtet, vermeidbare Nachteile für den Mandanten als ihren Mandanten zu verhindern. Sie hatten deshalb dessen Anspruch vor der Verjährung zu sichern[8]. Diese Pflicht hat die Rechtsanwältin schuldhaft verletzt.
Die Rechtsanwältin hat keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen, um eine drohende Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs des Mandanten rechtssicher auszuschließen. Die gemäß Art. 229 § 23 Abs. 1 Satz 1 EGBGB maßgebliche dreijährige Verjährungsfrist des § 1378 Abs. 4 Satz 1 BGB in der bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung begann am 22.07.2004 mit der Kenntnis des Mandanten von der Rechtskraft des Scheidungsurteils zu laufen. Durch die am 31.05.2007 erhobene und am 8.06.2007 zugestellte Klage wurde die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs des Mandanten gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt. Die Hemmung endete gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Gerät das Verfahren in Stillstand, weil es die Parteien nicht betreiben, so tritt gemäß § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB in der bis zum 31.10.2018 geltenden Fassung die letzte Verfahrenshandlung an die Stelle der Beendigung des Verfahrens. Mit Beschluss vom 14.01.2007 wurde das Ruhen des Verfahrens vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Delmenhorst angeordnet; das Verfahren geriet hierdurch in Stillstand (§ 204 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dann musste die Rechtsanwältin in Rechnung stellen, dass im Regelfall die Hemmung der Verjährung des Anspruchs des Mandanten sechs Monate später mit Ablauf des 14.07.2007 endete. Die zwischenzeitlich gehemmte Verjährung wäre dann wieder in Lauf gesetzt worden. Unter diesen Voraussetzungen wäre die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs des Mandanten bereits eingetreten gewesen als die Rechtsanwältin im November 2007 das Verfahren wieder aufrief. Denn zu diesem Zeitpunkt wären die von der dreijährigen Verjährungsfrist vor Eintritt der Hemmung noch verbliebenen 52 Tage abgelaufen gewesen.
Die Verfahrensbevollmächtigten haben die ihnen aus dem geschlossenen Anwaltsvertrag dem Mandanten gegenüber obliegende Pflicht verletzt, vermeidbare Nachteile für den Mandanten zu verhindern. Sie haben die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, § 276 Abs. 2 BGB. Die Rechtsanwältin hat im Hinblick auf die Regelung des § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB in der bis zum 31.10.2018 geltenden Fassung nicht den sichersten und gefahrlosesten Weg gewählt, um den Zugewinnausgleichsanspruch des Mandanten geltend zu machen. Insbesondere hat die Rechtsanwältin die rechtliche Beurteilung, wann die Hemmung der Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs endete, nicht an der zum Zeitpunkt der Beratung maßgeblichen höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgerichtet.
Der Rechtsanwältin musste einerseits bekannt sein, dass nach § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB die Hemmung der Verjährung sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens endete. Andererseits musste sie wissen, dass gemäß § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB die letzte Verfahrenshandlung an die Stelle der Beendigung des Verfahrens tritt, wenn das Verfahren in Stillstand gerät, weil die Parteien es nicht betreiben[9].
Die Rechtsanwältin hatte die zum Zeitpunkt der Beratung maßgebliche höchstrichterliche Rechtsprechung zu berücksichtigen[10]. Sie durfte deshalb nicht außer Acht lassen, dass die Rechtsprechung bereits im Jahr 2007 das Ruhen des Verfahrens als Stillstand im Sinne des § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB aF einordnete und auch in den zur Zeit der rechtlichen Beratung gängigen Kommentaren auf dieses Problem hingewiesen wurde[11].
Der Annahme einer Pflichtverletzung der Verfahrensbevollmächtigten steht nicht entgegen, dass möglicherweise ein triftiger Grund im Sinne des § 204 Abs. 2 BGB für das Untätigbleiben der Rechtsanwältin bestand. Denn nach dem gerade für Verjährungsfragen maßgeblichen „Gebot des sichersten Weges“ hatte die Rechtsanwältin angesichts der im Streitfall unklaren Rechtslage bei der Beurteilung eines triftigen Grundes im Hinblick auf eine etwaige ungünstigere Beurteilung der Rechtslage durch das mit der Sache befasste Gericht den Weg aufzuzeigen, der eine Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs des Mandanten jedenfalls sicher verhindert hätte[12].
Demgemäß ist die Frage, ob im Streitfall ein triftiger Grund bestand, das Verfahren nicht zu betreiben, von drei Gerichten verneint, von dem Oberlandesgericht jedoch bejaht worden. Bereits die unterschiedliche Beurteilung dieser Frage durch die Gerichte deutet darauf hin, dass die Rechtsanwältin insoweit nicht den sichersten Weg eingeschlagen hat. Ebenso wenig erfüllten die wechselseitig erhobenen Klagen auf Zugewinnausgleich zweifelsfrei in der Rechtsprechung oder nach der allgemeinen Meinung eine Fallgruppe eines triftigen Grundes. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass im maßgeblichen Zeitraum wechselseitige Zugewinnausgleichsklagen als Fall eines triftigen Grundes in der Rechtsprechung anerkannt waren. Schließlich muss ein Rechtsanwalt gerade in zweifelhaften Fällen in Rechnung stellen, dass ein Gericht eine andere rechtliche Einschätzung vornehmen kann. Auch wenn ein Rechtsanwalt nicht dazu verpflichtet ist, neben der Führung von Verhandlungen gemäß § 203 BGB andere verjährungshemmende Maßnahme zu ergreifen, so ist er stets verpflichtet, Unklarheiten innerhalb des Hemmungstatbestandes nicht entstehen zu lassen[13].
Die Rechtsanwältin hatte den Mandanten über die Maßnahmen aufzuklären, die den Eintritt der Verjährung des Anspruchs zu verhindern vermochten. Mit Blick auf den Umstand, dass das Ruhen des Verfahrens die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs des Mandanten zur Folge haben konnte, hätte die Rechtsanwältin den Mandanten über die damit verbundenen Vorteile und Risiken aufklären müssen. Insoweit hätte sie darauf hinweisen müssen, dass ein nicht zu vernachlässigendes Risiko bestand, dass das Gericht das Vorliegen eines triftigen Grundes abweichend beurteilen würde.
Auch hätte die Rechtsanwältin dem Mandanten aufzeigen müssen, dass trotz der Anregung des Gerichts von einer entsprechenden Antragstellung abgesehen werden konnte. Sie hätte den Mandanten auf die mit der Durchführung des Verfahrens verbundenen Risiken, insbesondere die dadurch anfallenden Kosten hinweisen müssen. Ferner hätte die Rechtsanwältin dem Mandanten auch vorschlagen können, mit der Ehefrau des Mandanten eine ausdrückliche Vereinbarung über die weitere Hemmung der Verjährung zu treffen. Soweit die Ehefrau des Mandanten zu einer Vereinbarung nicht bereit gewesen wäre, hätte die Rechtsanwältin dem Mandanten die dann zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs zu verhindern, darstellen müssen.
Das angefochtene Urteil war demnach vom Bundesgerichtshof aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif war, hat der Bundesgerichtshof sie an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird die noch erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.
Das Oberlandesgericht hat keine hinreichenden Feststellungen getroffen, dass die Pflichtverletzung der Rechtsanwältin für den behaupteten, revisionsrechtlich zu unterstellenden Schaden des Mandanten kausal geworden ist.
Der Ersatzpflichtige hat gemäß § 249 Satz 1 BGB den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Deshalb ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtmäßigem Verhalten des Rechtsanwalts genommen hätten, insbesondere wie der Mandant auf eine dementsprechende Beratung reagiert hätte und wie seine Vermögenslage dann wäre. Dabei hat grundsätzlich der Geschädigte den Ursachenzusammenhang zwischen der Vertragsverletzung und dem Schaden als anspruchsbegründende Voraussetzung darzutun und nachzuweisen[14].
Die Ursächlichkeit einer von dem Berater begangenen Pflichtverletzung für einen dadurch entstandenen Schaden gehört zur haftungsausfüllenden Kausalität, für deren Nachweis die in § 287 ZPO vorgesehenen Beweiserleichterungen gelten. Demnach reicht für die richterliche Überzeugungsbildung eine überwiegende, freilich auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit. Das wirkt sich auch auf die Darlegungslast des Geschädigten aus. Es genügt, dass er Tatsachen vorträgt und unter Beweis stellt, die für eine Beurteilung nach § 287 ZPO ausreichende greifbare Anhaltspunkte bieten. An die Darlegung eines hypothetischen Geschehens dürfen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden[15].
Bei Verstößen gegen die anwaltliche Beratungspflicht spricht zugunsten des Mandanten der Erfahrungssatz, dieser hätte sich bei vertragsgerechtem Handeln des Beauftragten beratungsgemäß verhalten, wenn im Hinblick auf die Interessenlage oder andere objektive Umstände eine bestimmte Entschließung des zutreffend informierten Mandanten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre[16]. Ein Anscheinsbeweis kommt demnach nicht nur dann in Betracht, wenn der Rechtsanwalt eine bestimmte Empfehlung zu geben hatte. Hatte der Rechtsanwalt seinen Auftraggeber lediglich umfassend über die Rechtslage zu belehren, verblieb für den Mandanten aber bei vertragsgerechter Information nur eine sinnvolle Entscheidung, so liegt ebenfalls ein in gleicher Weise typischer Sachverhalt vor[17]. Voraussetzung sind aber tatsächliche Feststellungen, die im Falle sachgerechter Aufklärung durch den rechtlichen Berater aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegt hätten[18]. Besteht nicht nur eine einzige verständige Entschlussmöglichkeit, sondern kommen verschiedene Handlungsweisen ernsthaft in Betracht, die unterschiedliche Vorteile und Risiken in sich bergen, ist grundsätzlich kein Raum für einen Anscheinsbeweis[19].
Hätte die Rechtsanwältin den Mandanten pflichtgemäß über die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten und deren Risiken aufgeklärt, wären für den Mandanten mehrere Handlungsweisen ernsthaft in Betracht gekommen. Bestehen für den Mandanten aber eine Mehrzahl von Handlungsmöglichkeiten, so trifft ihn die Verpflichtung, den Weg darzulegen, für den er sich konkret entschieden hätte[20]. Zudem trifft ihn dann die volle Beweislast, weil der Anscheinsbeweis in einem solchen Fall nicht eingreift[21]. Demgemäß kann dem Mandanten vorliegend eine solche Beweiserleichterung nicht zugutekommen.
Der Mandant hat lediglich behauptet, der ihm zustehende Zugewinnausgleichsanspruch wäre ihm zuerkannt worden, wenn die Rechtsanwältin pflichtgemäß tätig geworden wäre. Im Hinblick auf die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten des Mandanten genügt dieser Vortrag nicht einer hinreichenden Darstellung des Ursachenzusammenhangs zwischen der Fehlberatung der Rechtsanwältin und dem durch den Mandanten geltend gemachten Schaden. Für den Mandanten hätte die Möglichkeit bestanden, seinen Zugewinnausgleichanspruch trotz des durch seine frühere Ehefrau betriebenen Verfahrens selbst gerichtlich weiterzuverfolgen. Dann hätte er allerdings die dadurch entstehenden Kosten jedenfalls zunächst selbst zu tragen gehabt. Der Mandant hätte sich auch mit seiner früheren Ehefrau auf eine ausdrückliche Vereinbarung über die weitere Hemmung der Verjährung verständigen können. Voraussetzung wäre insoweit aber gewesen, dass sich die frühere Ehefrau des Mandanten mit dem Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung einverstanden erklärt hätte. Schließlich hätte sich der Mandant nach einer pflichtgemäßen Aufklärung über die Vorteile und Risiken mit einem Ruhen des Verfahrens einverstanden erklären können.
Dem Mandanten wird Gelegenheit zu geben sein, den Weg darzulegen, für den er sich konkret entschieden hätte und den insoweit erforderlichen Tatsachenvortrag zu halten.
Wenn und soweit sich das Oberlandesgericht die Überzeugung gebildet haben wird, dass sich der Mandant für eine Handlungsmöglichkeit entschieden hätte, wird es zu prüfen haben, ob und inwieweit der durch den Mandanten behauptete Schaden durch die Pflichtverletzung der Rechtsanwältin verursacht worden ist.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. September 2024 – IX ZR 130/23
- Fortführung von BGH, Urteil vom 23.09.2004 – IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494, 495[↩]
- LG Bremen, Urteil vom 15.07.2022 – 4 O 2347/20[↩]
- OLG Bremen, Urteil vom 09.06.2023 – 4 U 35/22[↩]
- BGH, Urteil vom 10.05.2012 – IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 Rn. 22 mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 13.03.2008 – IX ZR 136/07, NJW-RR 2008, 1235 Rn. 15[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2004 – IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494, 495[↩]
- BGH, Urteil vom 29.06.2006 – IX ZR 76/04, NJW 2006, 3494 Rn. 9[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.06.1993 – IX ZR 206/92, NJW 1993, 2797[↩]
- vgl. zu § 211 Abs. 2 BGB aF: BGH, Urteil vom 20.10.1987 – VI ZR 104/87, NJW-RR 1988, 279; vom 27.01.1999 – XII ZR 113/97, NJW 1999, 1101, 1102; vom 18.10.2000 – XII ZR 85/98, NJW 2001, 218, 219; jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2003 – IX ZR 54/02, NJW-RR 2003, 1212, 1213 mwN[↩]
- vgl. MünchKomm-BGB/Grothe, 5. Aufl., § 204 Rn. 72; Staudinger/Peters, BGB, 2004, § 204 Rn. 124; Prütting/Wegen/Weinrich, BGB, 2006, § 204 Rn. 21; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 204 Rn. 48; Hk-BGB/Dörner, 4. Aufl., § 204 Rn. 6; jurisPK-BGB/Lakkis, 2. Aufl., § 204 Rn. 26; Jauernig/Jauernig, BGB, 11. Aufl., § 204 Rn. 17; AnwKomm-BGB/Mansel/Budzikiewicz, 2005, § 204 Rn. 125; abw. M.: Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 11. Aufl., § 204 Rn. 54 f[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2004 – IX ZR 137/03, NJWRR 2005, 494, 495[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 01.07.2010 – IX ZR 40/07, BeckRS 2010, 17883 Rn. 2 f[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 30.09.1993 – IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311, 313[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.12.1999 – IX ZR 332/98, NJW 2000, 509[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2006 – IX ZR 232/01, WM 2006, 927[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 23.11.2006 – IX ZR 21/03, WM 2007, 419 Rn. 23[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 30.09.1993 – IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311, 314 f[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2006 – IX ZR 232/01, WM 2006, 927 Rn. 26[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 29.09.2005 – IX ZR 104/01, BeckRS 2005, 13020 unter II. 2. b aa[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 30.03.2000 – IX ZR 53/99, NJW 2000, 2814, 2815[↩]