Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 Abs. 1 FGO). Der Antrag ist bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zu seiner Begründung sind glaubhaft zu machen und die versäumte Rechtshandlung ist innerhalb der Antragsfrist nachzuholen (§ 56 Abs. 2 FGO). Jedes Verschulden –also auch einfache Fahrlässigkeit– schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus[1]. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist dem Kläger nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO Zivilprozessordnung zuzurechnen.

Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe müssen für eine zuverlässige Fristenkontrolle sorgen und die Organisation des Bürobetriebs so gestalten, dass Fristversäumnisse vermieden werden[2]. Wird –wie im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall– Wiedereinsetzung wegen eines entschuldbaren Büroversehens begehrt, muss substantiiert und schlüssig vorgetragen werden, dass kein Organisationsfehler vorliegt, d.h. dass der Prozessbevollmächtigte alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind[3].
Bei einer elektronischen Fristenkontrolle gelten keine geringeren Anforderungen[4]. Dementsprechend ist ein die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließendes Organisationsverschulden anzunehmen, wenn ein Prozessbevollmächtigter, der den rechts- und steuerberatenden Berufen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 FGO) angehört, einen EDV-gestützten Fristenkalender verwendet und die dort vorgenommenen Eintragungen nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker kontrolliert werden[5].
Danach hat im vorliegenden Fall der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der zu den Berufsträgern i.S. des § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO gehört, die Frist zur Begründung der Revision nicht ohne Verschulden versäumt. Er hat nach seinen eigenen Angaben versehentlich eine falsche Frist („Zahlendreher“) in den elektronischen Kalender eingegeben, in welchem er den Ablauf der Frist zur Begründung der Revision notiert hat. Eine Überprüfung der Eingaben in diesen elektronischen Fristenkalender, die geeignet wäre, insbesondere bei hoher Arbeitsbelastung auftretende Fehleingaben rechtzeitig zu korrigieren, war jedoch dem dargelegten organisatorischen Ablauf zufolge nicht vorgesehen. Wie sich den Angaben im Wiedereinsetzungsantrag entnehmen lässt, ist eine Kontrolle der Eingabe offenbar auch tatsächlich nicht erfolgt. Insbesondere ist auch ein Ausdruck der –fehlerhaft– eingegebenen Frist zu Kontrollzwecken unterblieben. Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist der Klägerin zuzurechnen.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30. April 2013 – IV R 38/11
- u.a. BFH, Beschluss vom 30.11.2010 – IV B 39/10, BFH/NV 2011, 613, m.w.N.[↩]
- u.a. BFH, Beschluss vom 27.07.2011 – IV B 131/10, BFH/NV 2011, 1909, m.w.N.[↩]
- u.a. BFH, Beschluss vom 14.12.2011 – X B 50/11, BFH/NV 2012, 440[↩]
- vgl. BFH, Beschluss in BFH/NV 2011, 1909[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 12.12.2005 – II ZB 33/04, NJW-RR 2006, 500; BFH, Beschluss vom 06.08.2001 – II R 77/99, BFH/NV 2002, 44, jeweils m.w.N.[↩]