Haftung des Rechtsanwalts bei Fristversäumnis – und die Verjährung

Die Verjährung eines gegen einen rechtlichen Berater gerichteten Ersatzanspruchs beginnt zu laufen, wenn der Mandant den Schaden und die Pflichtwidrigkeit des Beraters erkannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hat. Rät der Berater zur Fortsetzung des Rechtsstreits, hat der Mandant in der Regel auch dann keine Kenntnis von der Pflichtwidrigkeit des Beraters, wenn das Gericht oder der Gegner zuvor auf eine Fristversäumung hingewiesen hat.

Haftung des Rechtsanwalts bei Fristversäumnis – und die Verjährung

Ansprüche gegen Rechtsanwälte verjähren seit dem 15.12 2004 nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften der §§ 194 ff BGB. Danach ist ein Regressanspruch nach drei Jahren (§ 195 BGB) ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Mandant von der Person des Schuldners und von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB), verjährt[1].

Eine Kenntnis oder grobe fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch begründenden Umständen im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegen nicht schon dann vor, wenn dem Gläubiger Umstände bekannt werden, nach denen zu seinen Lasten ein Rechtsverlust eingetreten ist.

Für die kenntnisabhängige Verjährung des Arzthaftungsanspruchs ist anerkannt, dass die Kenntnis vom Schaden nicht schon dann bejaht werden kann, wenn dem Patienten lediglich der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt ist[2]. Vielmehr muss ihm aus seiner Laiensicht der Stellenwert des ärztlichen Vorgehens für den Behandlungserfolg bewusst sein. Deshalb beginnt die Verjährungsfrist nicht zu laufen, bevor nicht der Patient als medizinischer Laie Kenntnis von Tatsachen erlangt hat, aus denen sich ergibt, dass der Arzt von dem üblichen ärztlichen Vorgehen abgewichen ist oder Maßnahmen nicht getroffen hat, die nach dem ärztlichen Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich gewesen wären[3].

Auch für den Beginn der kenntnisabhängigen Verjährung eines Amtshaftungsanspruchs muss der Geschädigte zumindest solche tatsächlichen Umstände kennen, die ihm eine schuldhafte Amtspflichtverletzung als naheliegend erscheinen lassen[4].

Ebenso wird in Fällen unzureichender Aufklärung für den Beginn der kenntnisabhängigen Verjährung beim geschädigten Anleger auch die Kenntnis der Umstände einschließlich der wirtschaftlichen Zusammenhänge verlangt, aus denen sich eine Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt[5].

In Einklang hiermit geht das Schrifttum allgemein davon aus, dass alleine die Kenntnis der tatsächlichen Umstände dem Laien noch keine Kenntnis der Pflichtwidrigkeit einer Handlung vermittelt[6].

Diese Grundsätze sind auch für die Rechtsberaterhaftung heranzuziehen.

Der Mandant ist in einer vergleichbaren Lage wie der Patient, der Amtshaftungsgläubiger oder der Anleger. Auch er ist in der Regel nicht fachkundig, hat seine rechtlichen Belange dem dazu berufenen Fachmann anvertraut und kann daher dessen etwaige Fehlleistungen – eben wegen seiner Rechtsunkenntnis – nicht erkennen[7]. Die Fachkunde des Rechtsanwalts und das Vertrauen seines Auftraggebers begründen typischerweise im Rahmen eines Anwaltsvertrages eine Überlegenheit des Anwalts gegenüber seinem regelmäßig rechtsunkundigen Mandanten[8]. Daher vermag beispielweise der ungünstige Ausgang eines Rechtsstreits in erster Instanz grundsätzlich noch nicht die erforderliche Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu vermitteln. Vielmehr muss der Mandant nicht nur die wesentlichen tatsächlichen Umstände kennen, sondern auch Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für ihn – zumal wenn er juristischer Laie ist – ergibt, dass der Rechtsberater von dem üblichen rechtlichen Vorgehen abgewichen oder Maßnahmen nicht eingeleitet hat, die aus rechtlicher Sicht zur Vermeidung eines Schadens erforderlich waren[9]. Nicht die anwaltliche Beratung sondern erst der Pflichtenverstoß des Rechtsberaters begründet den gegen ihn gerichteten Regressanspruch[10].

In Übereinstimmung hiermit stehen die Vorstellungen des Gesetzgebers zum Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 09.12 2004[11], mit dem die bisherige kenntnisunabhängige Haftung des § 51b BRAO aF aufgehoben und die kenntnisabhängige Haftung des § 199 BGB auf die Anwaltshaftung erstreckt wurde. Die Gesetzesbegründung führte für die Anpassung der Anwaltshaftung an die allgemeinen Regelungen ausdrücklich an, dass es für den Mandanten regelmäßig schwierig zu beurteilen sei, ob sein Anwalt fehlerhaft gearbeitet hat und ob ihm hieraus ein Schaden entstanden ist. Insbesondere bei längeren Rechtsstreitigkeiten stelle sich dies oft erst sehr spät heraus[12]. Die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, die bloße Kenntnis der anwaltlichen Beratung und der ihr zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände reichten aus[13], greift daher zu kurz.

Solange das Mandat noch nicht beendet ist, sind weitere Besonderheiten zu beachten. Für ein fehlerhaftes Verhalten des Anwalts ist aus der Sicht des Mandanten dann regelmäßig kein Anhalt im Sinne grob fahrlässiger Unkenntnis gegeben, wenn der in Betracht kommende Fehler im Rechtsstreit kontrovers beurteilt wird und der Anwalt gegenüber dem Mandanten oder in Ausübung des Mandats nach außen hin die Rechtsansicht vertritt, ein Fehlverhalten liege nicht vor. Der Anwaltsvertrag ist in besonderer Weise durch gegenseitiges Vertrauen geprägt[14]. Dies gilt auch für das hier in Rede stehende zivilprozessuale Mandat[15]. Die rechtliche Bearbeitung eines ihm anvertrauten Falles ist allein Sache des Anwalts. Der Mandant muss – selbst wenn er über eine juristische Vorbildung verfügt – sich darauf verlassen können, dass der beauftragte Anwalt die anstehenden Rechtsfragen fehlerfrei beantwortet und der erteilte Rechtsrat zutreffend ist[16]. Dem Mandanten obliegt es nicht, den Anwalt zu überwachen oder dessen Rechtsansichten durch einen weiteren Rechtsberater überprüfen zu lassen[17]. Rät der Berater zur Fortsetzung des Rechtsstreits, hat der Mandant in der Regel sogar dann keine Kenntnis von der Pflichtwidrigkeit des Beraters, wenn das Gericht oder der Gegner zuvor auf eine Fristversäumung hingewiesen hat.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Februar 2014 – IX ZR 245/12

  1. vgl. BGH, Urteil vom 15.12 2011 – IX ZR 85/10, WM 2012, 163 Rn. 14; Gehrlein, Anwalts- und Steuerberaterhaftung, 2. Aufl., S. 150[]
  2. BGH, Urteil vom 03.02.1998 – VI ZR 356/96, NJW 1998, 2736; vom 10.11.2009 – VI ZR 247/08, NJW-RR 2010, 681 Rn. 6 mwN[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 31.10.2000 – VI ZR 198/99, NJW 2001, 885, 886 insoweit in BGHZ 145, 358 nicht abgedruckt; vom 10.11.2009, aaO mwN[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 24.02.1994 – III ZR 76/92, NJW 1994, 3162, 3164; vom 02.04.1998 – III ZR 309/96, BGHZ 138, 247, 252 f; Beschluss vom 12.10.2006 – III ZR 144/05, NVwZ 2007, 362 Rn. 27; vom 17.09.2008 – III ZR 129/07, nv, Rn. 1; Staudinger/Wöstmann, BGB, 2013, § 839 Rn. 374[]
  5. BGH, Urteil vom 28.05.2002 – XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1447; vom 03.06.2008 – XI ZR 319/06, WM 2008, 1346 Rn. 27, jeweils mwN; vgl. auch MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl., § 199 Rn. 26[]
  6. Bamberger/Roth/Spindler, BGB, 3. Aufl., § 199 Rn. 24; Kesseler in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 8. Aufl., § 199 Rn. 14; Theisen/Theisen in Festschrift Nobbe, 2009, S. 453, 461 ff, 468[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 12.12 2002 – IX ZR 99/02, WM 2003, 928, 930[]
  8. Chab in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1385[]
  9. vgl. Gehrlein, aaO S. 153; Zugehör/Chab, aaO Rn. 1472, 1481; Fahrendorf in Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl., Rn. 1108; Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 5. Aufl., Rn. 874[]
  10. vgl. Chab, BRAK-Mitt 2010, 208, 209[]
  11. BGBl. I, S. 3214[]
  12. BR-Drs. 436/04, S. 1 und 24 f[]
  13. ebenso OLG Stuttgart, WM 2010, 1330; OLG Hamm, GI aktuell 2012, 111, 116[]
  14. BGH, Urteil vom 23.02.1995 – XI ZR 29/94, WM 1995, 1064, 1071; vom 07.02.2013 – IX ZR 138/11, WM 2013, 942 Rn. 12[]
  15. vgl. BGH, Urteil vom 07.02.2013, aaO[]
  16. BGH, Urteil vom 24.06.1993 – IX ZR 216/92, NJW 1993, 2747, 2750[]
  17. vgl. BGH, Urteil vom 24.06.1993, aaO; vom 09.12 1999 – IX ZR 129/99, NJW 2000, 1263, 1265; vom 15.04.2010 – IX ZR 189/09, WM 2010, 993 Rn. 14[]