Die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung wegen eines in der Privatsphäre liegenden Vorhabens setzt die Darlegung und (gegebenenfalls) die Glaubhaftmachung von Umständen voraus, wonach das Vorhaben in seiner Planung bereits vor Zugang der Ladung so ausgestaltet war, dass die Wahrnehmung des gerichtlichen Termins während dieser Zeit unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist. Ein vor Zugang der Ladung gefasster Entschluss zu einem Kurzurlaub „ins Blaue“ ist kein erheblicher Grund für eine Terminsverlegung, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten.

Der Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs kann durch eine unzutreffende Behandlung eines Antrags auf Verlegung des anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung verletzt werden[1]. Hat das Gericht aufgrund einer verfahrensfehlerhaft ohne den Rechtsmittelführer durchgeführten mündlichen Verhandlung entschieden, so wird die Ursächlichkeit dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs für die angefochtene Entscheidung gemäß § 119 Nr. 3 FGO unwiderlegbar vermutet. Die Rüge dieses Verfahrensmangels gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO oder § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO erfordert daher nicht die Darlegung, was der Rechtsmittelführer in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hätte und inwieweit dies die Entscheidung hätte beeinflussen können[2].
Nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO kann das Gericht aus erheblichen Gründen einen Termin aufheben oder verlegen sowie eine Verhandlung vertagen. Wenn ein Beteiligter erhebliche Gründe im Sinne des § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO geltend und (gegebenenfalls) glaubhaft macht (§ 227 Abs. 2 ZPO), verdichtet sich das in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen zu einer Rechtspflicht, das heißt der Termin muss in diesen Fällen zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs verlegt werden, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits verzögert würde[3].
Welche Gründe als erheblich anzusehen sind und deshalb von demjenigen, der eine Verlegung des Termins beantragt, darzulegen sind, richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles. Der Prozessstoff und die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten und der Prozessbevollmächtigten sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass das Finanzgericht im steuergerichtlichen Verfahren die einzige Tatsacheninstanz ist und die Beteiligten ein Recht darauf haben, ihre Sache in einer mündlichen Verhandlung vorzutragen[4]. Im Hinblick auf den Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung[5] kommt eine Terminsverlegung wegen einer durch eine anderweitige Verpflichtung bedingten Ortsabwesenheit eines Beteiligten oder einen Urlaub des Prozessbevollmächtigten allerdings grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn die andere Sache vorrangig ist[6] oder der Urlaub oder ein sonstiges in der Privatsphäre liegendes Vorhaben in seiner Planung bereits vor Zugang der Ladung so ausgestaltet war, dass dem Prozessbevollmächtigten unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls die Wahrnehmung des gerichtlichen Termins während dieser Zeit nicht zumutbar ist[7]. Der Vortrag eines Beteiligten, er habe (gegebenenfalls auch zusammen mit einer anderen Person) vor Zugang der Ladung den Entschluss gefasst, am Tag der mündlichen Verhandlung Urlaub zu machen, genügt nicht. Andernfalls hätten es die Beteiligten in der Hand, nahezu nach Gutdünken Terminsänderungen herbeizuführen.
Gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO sind die erheblichen Gründe auf Verlangen des Vorsitzenden oder des Einzelrichters (§ 6 Abs. 1, § 5 Abs. 3 Satz 1 FGO oder § 79a Abs. 3 und 4 FGO) glaubhaft zu machen.
Die Glaubhaftmachung erfordert zwar nicht den vollen Beweis, wohl aber die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Umstände, aus denen der erhebliche Grund abgeleitet wird, tatsächlich vorliegen[8].
Das Fehlen dieser Glaubhaftmachung kann nach der Regelung in § 227 Abs. 2 FGO den Beteiligten nur nach entsprechender erfolgloser Aufforderung durch den Vorsitzenden oder den Einzelrichter entgegengehalten werden, es sei denn, dass eine derartige Aufforderung insbesondere wegen der Kurzfristigkeit des Verlegungsantrags zeitlich nicht möglich war[9].
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann im hier entschiedenen Fall das Vorgehen des Finanzgerichtes, die mündliche Verhandlung in Abwesenheit der Klägerseite durchzuführen und eine verfahrensabschließende Entscheidung zu treffen, nicht beanstandet werden. Der rechtskundig vertretene Kläger hat gegenüber dem Finanzgericht schon keinen erheblichen Grund im Sinne des § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO dargelegt, der eine Terminsverlegung gerechtfertigt hätte, obwohl er hierzu Anlass hatte.
Der Kläger hat vor der mündlichen Verhandlung weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass die Urlaubsplanung des Prozessbevollmächtigten bereits vor Zugang der Ladung so ausgestaltet war, dass diesem unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls die Wahrnehmung des gerichtlichen Termins während dieser Zeit nicht zumutbar ist.
Der Vortrag im Schreiben vom 08.02.2023, der Prozessbevollmächtigte habe sich vor Zugang der Ladung mit seiner Frau darauf verständigt, am Sitzungstag Urlaub zu machen, sie wüssten aber nicht, wohin die Reise gehen solle, genügt nicht, um eine Terminsverlegung zu erreichen. Bei einem derartigen Urlaub „ins Blaue“ liegt die Erheblichkeit des Grundes im Sinne des § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht auf der Hand, sondern kann sich nur unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls ergeben.
Weitere zu seinen Gunsten zu berücksichtigende Umstände hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen und erst recht nicht glaubhaft gemacht, obwohl das Finanzgericht mit Schreiben vom 03.02.2023 deutlich gemacht hatte, dass es den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht (ein weiteres Mal) wegen eines nicht näher präzisierten Urlaubs verlegen werde und obwohl sich aus diesem Schreiben in Zusammenschau mit dem vorangegangenen Schriftwechsel ergab, dass das Finanzgericht auch eine Glaubhaftmachung der erheblichen Gründe verlangt. Dies war dem Prozessbevollmächtigten auch klar, denn er kritisiert, dass der Richter durchwegs Nachweise haben wollte, ob seine (des Prozessbevollmächtigten) Aussagen wahr seien.
Als Rechtsanwalt musste dem Prozessbevollmächtigten bekannt sein, dass er in einem derartigen Fall zusätzlich zu dem angegebenen Verlegungsgrund -dem beabsichtigten Urlaub- Umstände vortragen und glaubhaft machen muss, wonach die Wahrnehmung des gerichtlichen Termins nach den Gesamtumständen des Einzelfalls als nicht zumutbar erscheint. Auch dem Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 16.10.2020[10], auf den sich das Finanzgericht bei seiner Ablehnung der Terminsverlegung bezogen hatte, ließ sich dies entnehmen.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22. April 2024 – III B 82/23
- ständige Rechtsprechung, s. z.B. BFH, Beschluss vom 18.01.2022 – III B 108/21, BFH/NV 2022, 606, Rz 5[↩]
- BFH, Beschluss vom 03.09.2001 – GrS 3/98, BFHE 196, 39, BStBl II 2001, 802, Rz 52[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 18.01.2022 – III B 108/21, BFH/NV 2022, 606, Rz 5[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteil vom 08.07.2015 – X R 41/13, BFHE 250, 397, BStBl II 2016, 525, Rz 28[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 08.07.2015 – X R 41/13, BFHE 250, 397, BStBl II 2016, 525, m.w.N.[↩]
- vgl. zu anderweitigen Gerichtsterminen BFH, Beschlüsse vom 15.11.2016 – VI R 48/15, BFH/NV 2017, 284; und vom 14.01.2016 – III B 73/15, BFH/NV 2016, 584; zu einem Termin im Ehrenamt s. BFH, Beschluss vom 10.03.2020 – VII B 206/18, BFH/NV 2020, 917[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 21.10.2020 – VII B 121/19, BFH/NV 2021, 326, Rz 29 f.; vom 10.03.2020 – VII B 206/18, BFH/NV 2020, 917, Rz 22; vom 14.03.2012 – V B 89/11, BFH/NV 2012, 1157, Rz 11; vom 23.02.2011 – V B 85/10, BFH/NV 2011, 1365, Rz 4; und vom 16.08.1999 – VIII B 63/99, BFH/NV 2000, 209, Rz 3[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 14.10.2013 – III B 58/13, BFH/NV 2014, 356; und vom 21.10.2020 – VII B 121/19, BFH/NV 2021, 326, Rz 29, jeweils m.w.N.; Beschlüsse des Bundessozialgerichts vom 16.02.2023 – B 7 AS 123/22 B Rz 4; und vom 19.08.2021 – B 11 AL 39/21 B Rz 4[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 18.01.2022 – III B 108/21, BFH/NV 2022, 606, Rz 6; BFH, Beschlüsse vom 16.11.2006 – IX B 83/06, BFH/NV 2007, 476, Rz 6; und vom 27.01.2010 – VIII B 221/09 Rz 13[↩]
- BFH, Beschluss vom 16.10.2020 – VI B 13/20, BFH/NV 2021, 434, dort insbesondere Rz 28[↩]