Fristenkalender – und das Empfangsbekenntnis

Der Rechtsanwalt darf das Empfangsbekenntnis für eine Urteilszustellung erst unterzeichnen, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist. Rechtsmittelund Rechtsmittelbegründungsfristen müssen so notiert werden, dass sie sich von gewöhnlichen Wiedervorlagefristen deutlich abheben.

Fristenkalender – und das Empfangsbekenntnis

Andernfalls beruht die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist durch den Kläger beruht auf dem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, das dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat pflichtwidrig das Empfangsbekenntnis erteilt, ohne dass die Notierung der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender gesichert war.

Zur Bestimmung des Beginns einer Rechtsmittelfrist ist es erforderlich, das dafür maßgebliche Datum der Urteilszustellung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zu ermitteln und festzuhalten. Im Falle der Zustellung eines Schriftstücks an den Prozessbevollmächtigten der Partei nach § 174 ZPO kommt es für den Fristbeginn darauf an, wann der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis unterzeichnet hat. Deshalb bedarf es eines besonderen Vermerks in den Handakten, wann die Zustellung des Urteils erfolgt ist. Um zu gewährleisten, dass ein solcher Vermerk angefertigt wird und das maßgebende Datum zutreffend wiedergibt, darf der Rechtsanwalt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist[1]. Die Handakte muss durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lassen, dass die Fristen in den Fristenkalender eingetragen worden sind[2]. Soweit die Rechtsprechung Erledigungsvermerke des Büropersonals zu den jeweils in den Handakten eingetragenen Fristen fordert, soll sichergestellt werden, dass die Fristen tatsächlich eingetragen sind und dem Anwalt eine entsprechende Kontrolle anhand der Handakten möglich ist. Zu einer ordnungsgemäßen Büroorganisation gehört daher eine klare Anweisung, dass stets und unter allen Umständen zuerst die Fristen im Kalender eingetragen werden müssen, bevor ein entsprechender Vermerk in der Akte eingetragen werden kann. Denn sonst besteht die Gefahr, dass der Erledigungsvermerk in der Handakte bereits vor der Eintragung in einen Kalender angebracht wird und die Gegenkontrolle versagt[3].

Diesen Anforderungen ist im Streitfall nicht genügt. In der Handakte wurde lediglich die Berufungsbegründungsfrist nebst Vorfrist festgehalten. Es fehlt indessen an dem außerdem in der Handakte vorzunehmenden Vermerk, dass die Frist auch im Fristenkalender eingetragen worden ist[4]. Der Klägervertreter hatte entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Frist neben der Handakte auch in dem Kalender zutreffend verzeichnet worden war. Die Wiedergabe der Berufungsund Berufungsbegründungsfrist in der Handakte dokumentiert entgegen der Rüge nicht ihre Notierung im Fristenkalender. Hierfür bedurfte es eines tatsächlich fehlenden eigenständigen Vermerks. Zudem kann dem Wiedereinsetzungsbegehren nicht entnommen werden, dass die Anweisung bestand, zuerst die Fristen im Kalender einzutragen, bevor ein Vermerk in der Akte erfolgt[3]. Da in der Handakte das Ende der Berufungsbegründungsfrist zunächst für den 19.01.2019 festgehalten und sodann auf den 21.01.2019 korrigiert wurde, bestanden für den Prozessbevollmächtigten konkrete Zweifel, ob das Fristende zuvor zutreffend im Fristkalender dokumentiert worden war.

Wäre das Empfangsbekenntnis erst nach Anfertigung des Vermerks über das Datum der Unterzeichnung und Festhaltung der Rechtsmittelfrist auch im Fristenkalender zurückgesandt worden, ist davon auszugehen, dass die Berufung rechtzeitig eingelegt worden wäre[5]. Der Prozessbevollmächtigte hätte mangels eines Vermerks in der Handakte die Eintragung der zutreffenden Frist im Kalender veranlassen müssen. Dann wäre bei unterstellt im Übrigen ordnungsgemäßem Vorgehen die Berufungsbegründung rechtzeitig eingelegt worden[6].

Liegen wie im Streitfall mehrere Pflichtverletzungen vor, kann Wiedereinsetzung nur dann gewährt werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass sie sich nicht auf die Fristversäumung ausgewirkt haben können[7]. Besteht hingegen die Möglichkeit, dass die Versäumung der Frist auf dem festgestellten Verschulden beruht, scheidet eine Wiedereinsetzung aus[8].

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. September 2019 – IX ZB 13/19

  1. BGH, Beschluss vom 05.11.2002 – VI ZR 399/01, NJW 2003, 435, 436; vom 12.01.2010 – VI ZB 64/09, NJW-RR 2010, 417 Rn. 9; vom 02.02.2010 – VI ZB 58/09, NJW 2010, 1080 Rn. 6[]
  2. BGH, Beschluss vom 23.01.2013 XII ZB 167/11, NJW-RR 2013, 1010 Rn. 10; vom 26.11.2013 – II ZB 13/12, WM 2014, 424 Rn. 9[]
  3. BGH, Beschluss vom 26.11.2013, aaO Rn. 10[][]
  4. BGH, Beschluss vom 23.01.2013, aaO; Beschluss vom 26.11.2013, aaO Rn. 9[]
  5. BGH, Beschluss vom 12.01.2010 – VI ZB 64/09, NJW-RR 2010, 417 Rn. 11[]
  6. BGH, Beschluss vom 26.11.2013 – II ZB 13/12, WM 2014, 424 Rn. 13[]
  7. BGH, Beschluss vom 21.09.2000 – IX ZB 67/00, NJW 2000, 3649, 3650[]
  8. BGH, Beschluss vom 09.05.2019 – IX ZB 6/18, NJW 2019, 2028 Rn. 16[]