Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der mit Wirkung ab 1.09.2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, vorliegend mithin auf den Erlass des Widerspruchsbescheids der Rechtsanwaltskammer vom 02.04.2015 abzustellen ; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten[1].

Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn sich der Rechtsanwalt in ungeordneten, schlechten finanziellen Verhältnissen befindet, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen ; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn[2].
Solche Beweisanzeichen sind u.a. gegeben, wenn das Finanzamt gegen den Rechsanwalt ein Vollstreckungsverfahren wegen Steuerrückständen betreibt[3] und Anträge des Rechtsanwalts auf Aussetzung der Vollziehung der entsprechenden Steuerbescheide bislang ohne Erfolg geblieben sind.
Es ist sodann Sache des Rechtsanwalts, das in dem Vollstreckungsverfahren liegende Beweisanzeichen für seinen Vermögensverfall durch geeigneten Vortrag auszuräumen.
Immobilienvermögen ist dabei nur von Relevanz, wenn es dem Betroffenen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs als liquider Vermögenswert zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden hat. Auf die Liquidität entsprechender Mittel kommt es insoweit nach ständiger Bundesgerichtshofsrechtsprechung entscheidend an[4]. Eine solche Verfügbarkeit seines Immobilienvermögens zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids hat der Rechtsanwalt darzulegen.
Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden. Hierfür trägt der Rechtsanwalt die Feststellungslast[5].
Die Annahme eines Ausnahmefalls, in dem trotz Vermögensverfalls des Rechtsanwalts eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht gegeben ist, setzt zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt – im Wege der Selbstbeschränkung – seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern[6]. Was diese Maßnahmen anbelangt, hat der Bundesgerichtshof besonderen Wert auf die Überprüfung der Einhaltung der Beschränkungen durch die Sozietätsmitglieder gelegt[7]. Wesentlich ist, dass effektive Kontrollmöglichkeiten bestehen ; es bedarf immer einer ausreichend engen tatsächlichen Überwachung, die gewährleistet, dass der Rechtsanwalt nicht beziehungsweise nicht unkontrolliert mit Mandantengeldern in Berührung kommt. Die Einhaltung vertraglich vereinbarter Sicherungsmaßnahmen ist dabei nach der ständigen Bundesgerichtshofsrechtsprechung nur in einer Sozietät, nicht aber in einer Einzelkanzlei sichergestellt[8].
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21. April 2016 – AnwZ (Brfg) 1/16
- st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 29.06.2011 – AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; und vom 10.03.2014 – AnwZ (Brfg) 77/13 3 mwN[↩]
- vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 29.06.2011 aaO Rn 4 ; und vom 10.03.2014 aaO Rn. 3 ; jeweils mwN[↩]
- zu Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts als hinreichenden Beweisanzeichen für den Vermögensverfall vgl. BGH, Beschluss vom 20.12 2013 – AnwZ (Brfg) 40/13, BeckRS 2014, 02196 Rn. 6[↩]
- vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 07.10.2013 – AnwZ (Brfg) 44/13 5 ; und vom 09.02.2015 – AnwZ (Brfg) 46/14 10 ; jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 09.02.2015 – AnwZ (Brfg) 46/14 12 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 24.10.2012 – AnwZ (Brfg) 43/12 9 ; vom 26.08.2013 – AnwZ (Brfg) 31/13 5 ; vom 08.12 2014 – AnwZ (Brfg) 45/14 23 ; und vom 09.02.2015 aaO Rn. 12 mwN[↩]
- vgl. nur BGH, Beschluss vom 22.05.2013 – AnwZ (Brfg) 73/12 5[↩]
- vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 22.05.2013 aaO mwN ; und vom 24.10.2012 aaO Rn. 9 mwN[↩]