Ein erheblicher Grund für eine Terminverlegung kann sich auch daraus ergeben, dass der Beteiligte an bestimmten (noch leichten) Krankheitssymptomen leidet, die für eine mögliche Corona-Infektion sprechen können, und beim Finanzgericht für solche Personen aus Gründen des Infektionsschutzes ein Zugang zum Gerichtsgebäude und damit zur mündlichen Verhandlung nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist.

Dieser Entscheidung des Bundesfinanzhofs lag eine Entscheidung des Finanzgerichts Köln[1], in dem die darüber gestritten wurde, ob die Klägerin ihre selbständige Tätigkeit als Rechtsanwältin in den Streitjahren 2013 und 2015 mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt hat. In dem von der Rechtsanwältin und ihrem Ehemann hierzu geführten Klageverfahren terminierte die Berichterstatterin am 28.02.2020 zunächst einen Erörterungstermin, der am 17.03.2020 stattfinden sollte. Diesen Termin hob sie mit Blick auf die Entwicklung der Corona-Lage am 16.03.2020 auf. Der nachfolgend anberaumte Erörterungstermin fand am 03.06.2020 planmäßig statt. Im Juli 2020 beraumte der Senatsvorsitzende einen Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat für den 03.09.2020, 9:30 Uhr, an, zu dem für die Kläger deren Prozessbevollmächtigte geladen wurde. Der Ladung waren aktuelle Hinweise zum Umgang mit dem Corona-Virus beigefügt. Darin werden Personen, bei denen unmittelbar vor der Sitzung Symptome des Corona-Virus (wie z.B. Fieber, Husten, Kurzatmigkeit, Muskel-/Gelenkschmerzen, Halsschmerzen) auftreten, gebeten, umgehend mit dem Gericht telefonisch Kontakt aufzunehmen.
Die Prozessbevollmächtigte der Kläger bat mit Schreiben vom 02.09.2020 (Eingang beim Finanzgericht um 14:13 Uhr) um Terminverlegung, da sie an einem Erkältungsinfekt mit beginnendem Fieber leide. Diesen Antrag lehnte der Senatsvorsitzende noch am 02.09.2020 ab. Werde -so die Begründung- ein Antrag auf Terminverlegung erst kurz vor dem Termin gestellt, sei die Erkrankung durch Vorlage eines substantiierten Attests glaubhaft zu machen. Hieran fehle es. Die Behauptung der Erkältung mit beginnendem Fieber genüge nicht. Auch sei es zumutbar, dass sich ein Sozietätskollege in den Fall einarbeite und den morgigen Termin wahrnehme. Hierauf teilte die Prozessbevollmächtigte -ebenfalls noch am 02.09.2020 (Eingang beim Finanzgericht um 16:17 Uhr)- mit, dass sie an diesem Nachmittag kein ärztliches Attest erhalten könne, da ihr Hausarzt -wie fast alle Ärzte- mittwochs nachmittags geschlossen habe. Sie werde morgen Vormittag ein entsprechendes Attest einholen und nachreichen. Ihrem 80-jährigen Vater sei es nicht zumutbar, sich in den Fall einzuarbeiten und morgen früh zur Verhandlung zu erscheinen. Sie wiederhole ihren Verlegungsantrag. Außerdem halte sie es in Coronazeiten für verantwortungslos, mit ihren Symptomen bei Gericht zu erscheinen. Sie habe sich den Infekt nicht ausgesucht.
Hierauf teilte der Senatsvorsitzende der Prozessbevollmächtigten vor Beginn der mündlichen Verhandlung am 03.09.2020 mit, sie erhalte Gelegenheit, bis 11:00 Uhr ein substantiiertes Attest vorzulegen, das dem Gericht die Möglichkeit einräume, selbst zu beurteilen, ob ihr eine Anreise zum Gericht zuzumuten sei bzw. Verhandlungsunfähigkeit bestehe. Im Übrigen gehe er davon aus, dass ihrem Vater angesichts des fortgeschrittenen Alters die Terminwahrnehmung nicht zuzumuten sei.
Der Senatsvorsitzende eröffnete die mündliche Verhandlung, zu der für die Kläger niemand erschienen war, zunächst, unterbrach diese allerdings, um die Vorlage von Unterlagen durch die Prozessbevollmächtigte abzuwarten. Diese übermittelte dem Finanzgericht um 10:00 Uhr eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die am gleichen Tag ausgestellt war und die Arbeitsunfähigkeit der Prozessbevollmächtigten für diesen Tag „wegen Krankheit“ bescheinigt. Das Finanzgericht setzte die mündliche Verhandlung um 11:07 Uhr fort und wies die Klage der Kläger ab. Es war der Auffassung, für eine Terminverlegung genüge es nicht, dass das eingereichte Attest lediglich die Arbeitsunfähigkeit am Tag der mündlichen Verhandlung bescheinige. Etwas anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der aktuellen Besonderheiten im Hinblick auf die Corona-Pandemie, denn aus dem Attest sei keinerlei Diagnose erkennbar. Insbesondere fehle ein Hinweis darauf, dass die Prozessbevollmächtigte unter Symptomen des Corona-Virus leide und aus diesem Grunde etwa ein entsprechender Test veranlasst worden sei. Für das Gericht sei daher nicht erkennbar, inwiefern die Prozessbevollmächtigte -auch unter Beachtung des aktuellen Infektionsgeschehens in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie- tatsächlich verhandlungsunfähig und damit an der Wahrnehmung des Termins gehindert sei, zumal sich die Prozessbevollmächtigte jedenfalls am Nachmittag vor dem Verhandlungstag offensichtlich noch in ihren Kanzleiräumen aufgehalten und Schreiben an das Gericht übermittelt habe.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie u.a. rügen, das Finanzgericht habe ihren Terminverlegungsantrag verfahrensfehlerhaft abgelehnt. Zur Begründung verweisen sie auch auf die vom Finanzgericht mit der Ladung ausdrücklich gegebenen Hinweise zum Umgang mit dem Corona-Virus. Der Bundesfinanzhof beurteilte die Beschwerde als begründet, hob das Urteil des Finanzgerichts auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht Köln zurück:
Das Finanzgericht hat den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem es die mündliche Verhandlung am 03.09.2020 durchgeführt und eine verfahrensabschließende Entscheidung getroffen hat, obwohl die Prozessbevollmächtigte der Kläger vor dem Termin mitgeteilt hatte, an einem Erkältungsinfekt mit beginnendem Fieber zu leiden, und am Tag der mündlichen Verhandlung für Personen mit Symptomen des Corona-Virus kein freier Zugang zum Gerichtsgebäude bestand. Hierin liegt ein absoluter Revisionsgrund[2].
Einem Verfahrensbeteiligten wird das rechtliche Gehör versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache entscheidet, obwohl der Beteiligte einen Antrag auf Terminverlegung gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend gemacht hat.
Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann das Gericht einen Termin aus „erheblichen Gründen“ vor seiner Durchführung aufheben oder (unter Bestimmung eines neuen Termins) verlegen. Sind die geltend gemachten Gründe i.S. des § 227 ZPO erheblich, so verdichtet sich die in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessensfreiheit zu einer Rechtspflicht. Welche Gründe als erheblich anzusehen sind, richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls[3].
Zu den erheblichen Gründen i.S. des § 227 ZPO gehört auch die krankheitsbedingte Verhinderung[4]. Allerdings stellt nicht jegliche Erkrankung einen ausreichenden Grund für eine Terminverlegung dar. Diese ist grundsätzlich nur geboten, wenn die Erkrankung so schwer ist, dass vom Beteiligten die Wahrnehmung des Termins nicht erwartet werden kann[5].
Auf Verlangen des Vorsitzenden sind die erheblichen Gründe glaubhaft zu machen (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO)[6]. Die Glaubhaftmachung erfordert nicht den vollen Beweis, wohl aber die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Umstände, aus denen der erhebliche Grund abgeleitet wird, tatsächlich vorliegen[7]. Der eine Terminverlegung beantragende Verfahrensbeteiligte muss die Gründe i.S. des § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO so genau angeben, dass sich das Gericht aufgrund seiner Schilderung ein Urteil über deren Erheblichkeit bilden kann[8]. Wird eine Erkrankung geltend gemacht, reicht die Vorlage eines Attests eines Arztes, mit dem lediglich pauschal „Arbeitsunfähigkeit“ bescheinigt wird bzw. eine formularmäßige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht aus[9].
Eine Terminverlegung kann allerdings auch dann geboten sein, wenn zwar der aktuelle Gesundheitszustand des Beteiligten eine Terminwahrnehmung zulässt, er jedoch an bestimmten (noch leichten) Krankheitssymptomen leidet, die für eine mögliche Corona-Infektion sprechen können, und beim Finanzgericht für solche Personen aus Gründen des Infektionsschutzes ein Zugang zum Gerichtsgebäude und damit zur mündlichen Verhandlung nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist[10].
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe erweist sich das Vorgehen des Finanzgericht, die mündliche Verhandlung in Abwesenheit der erkrankten Prozessbevollmächtigten der Kläger durchzuführen und eine verfahrensabschließende Entscheidung zu treffen, als verfahrensfehlerhaft.
Dabei kann der Bundesfinanzhof dahingestellt lassen, ob das Finanzgericht nach Maßgabe der dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze den Verlegungsantrag der Prozessbevollmächtigten zu Recht abgelehnt hat, weil die von ihr vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung weder eine Verhandlungsunfähigkeit bescheinigt noch eine hinreichend genaue Schilderung der Erkrankung enthält, die dem Finanzgericht eine Beurteilung dazu ermöglicht hätte, ob die Prozessbevollmächtigte krankheitsbedingt gehindert war, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.
Denn die Ablehnung des Terminverlegungsantrags erweist sich als rechtsfehlerhaft, weil sich das Finanzgericht mit dem weiteren -den Ausführungen der Prozessbevollmächtigten zu entnehmenden- Verlegungsgrund des aus Infektionsschutzgründen eingeschränkten Zugangs zum Gericht nicht befasst hat.
Das Finanzgericht hätte bei seiner Entscheidung über den Verlegungsantrag nicht unbeachtet lassen dürfen, dass es für die Prozessbevollmächtigte, die angegeben hatte, an einem Erkältungsinfekt mit beginnendem Fieber zu leiden, wegen der bestehenden Zugangsregelungen nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen möglich gewesen wäre, am Tag der mündlichen Verhandlung in das Finanzgericht zu gelangen und an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Wie sich aus den der Terminladung beigefügten Hinweisen zum Umgang mit dem Corona-Virus ergibt, gab es für Personen, bei denen unmittelbar vor der Sitzung Symptome des Corona-Virus (wie z.B. Fieber, Husten, Kurzatmigkeit, Muskel-/Gelenkschmerzen, Halsschmerzen) aufgetreten sind, keinen freien Zugang zum Gericht. Das Finanzgericht hätte -unter Heranziehung der Maßgaben, die die Hausleitung des Gerichts für den Zugang von Personen mit entsprechenden Symptomen aufgestellt hat- prüfen müssen, ob für die Prozessbevollmächtigte eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung möglich und zumutbar war.
Dass die Prozessbevollmächtigte ihre Symptome nicht durch ein ärztliches Attest belegt hat, ist jedenfalls unter Beachtung der Gegebenheiten des Streitfalls unschädlich, zumal das Finanzgericht sie zu einem solchen Nachweis nicht aufgefordert hatte.
Der Bundesfinanzhof hielt es für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 6. April 2021 – VIII B 108/20
- FG Köln, Urteil vom 03.09.2020 – 12 K 205/18[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 21.04.2020 – X B 13/20, BFH/NV 2020, 900; vom 21.11.2012 – VIII B 144/11, BFH/NV 2013, 240[↩]
- z.B. BFH, Beschluss vom 05.03.2012 – III B 236/11, BFH/NV 2012, 973, m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 04.11.2019 – X B 70/19, BFH/NV 2020, 226, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 17.04.2002 – IX B 151/00, BFH/NV 2002, 1047, m.w.N.[↩]
- vgl. auch BFH, Beschluss vom 04.03.2014 – VII B 189/13, BFH/NV 2014, 1057[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 14.10.2013 – III B 58/13, BFH/NV 2014, 356, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 30.05.2007 – V B 217/06, BFH/NV 2007, 1695[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 01.04.2009 – X B 78/08, juris; in BFH/NV 2013, 240; vom 10.10.2001 – IX B 157/00, BFH/NV 2002, 365; vom 08.09.2015 – XI B 33/15, BFH/NV 2015, 1690[↩]
- vgl. Wendl in Gosch, FGO, § 91 Rz 142.1, unter Verweis auf Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 03.09.2020 – 10 LA 144/20, Informationsbrief Ausländerrecht 2020, 469[↩]