Streit mit der Anwaltskammer? Verklag nicht den Präsidenten!

Im Streit eines Rechtsanwalts mit seiner Anwaltskammer ist richtiger Beklagte die Rechtsanwaltskammer, nicht deren Präsident persönlich. Dies gilt auch dann, wenn eineMaßnahme desPräsidenten der Rechtsanwaltskammer angegriffen wird.

Streit mit der Anwaltskammer? Verklag nicht den Präsidenten!

§ 112d Abs. 1 BRAO bestimmt:

Die Klage ist gegen die Rechtsanwaltskammer oder Behörde zu richten,

  1. die den Verwaltungsakt erlassen hat oder zu erlassen hätte; für hoheitliche Maßnahmen, die berufsrechtliche Rechte und Pflichten der Beteiligten beeinträchtigen oder verwirklichen, gilt dies sinngemäß;
  2. deren Entschließung Gegenstand des Verfahrens ist.

Bereits dieser Wortlaut spricht gegen die Annahme, eine Klage gegen die vom Präsidenten einer Rechtsanwaltskammer als Organ seiner Kammer nach §§ 85 Abs. 1, 87 Abs. 1 BRAO getroffene Entscheidung, den Antrag eines Kammermitglieds nicht auf die Tagesordnung zu setzen, sei nicht gegen die „Rechtsanwaltskammer“, sondern gegen den Präsidenten persönlich als „Behörde“ zu richten.

Einer solchen Annahme widerspricht auch die Entstehungsgeschichte der Norm. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.12 2008[1] heißt es: „§ 112d Abs. 1 BRAOE regelt künftig teilweise abweichend von dem nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO geltenden Rechtsträgerprinzip, dass die Klagen wie bisher gegen die Behörden, also die Rechtsanwaltskammern (§ 37 Abs. 2 BRAO) oder die Justizverwaltungen zu richten sind. Dies gilt auch, wenn Organe der Rechtsanwaltskammern handeln. Die in § 112d Abs. 1 Nr. 2 BRAOE genannten Entschließungen erfassen die Wahlen und Beschlüsse.“

Nach dem Willen des Gesetzgebers sind mithin Klagen, auch wenn Organe der Rechtsanwaltskammern für diese gehandelt haben, gegen die Kammern zu richten.

Dies verdeutlicht auch § 112d Abs. 1 Nr. 2 BRAO. Nach § 90 BRAO a.F. konnten Wahlen oder Beschlüsse des Vorstands, des Präsidiums oder der Versammlung der Kammer unter bestimmten Voraussetzungen für ungültig oder nichtig erklärt werden. Hierbei richtete sich der Antrag nach § 91 Abs. 1 Satz 1 BRAO a.F. gegen die Rechtsanwaltskammer und nicht gegen das betroffene Organ. Diese Fälle werden nunmehr von § 112d Abs. 1 Nr. 2 BRAO erfasst. Dass abweichend von der bisherigen Rechtslage die Klagen nicht mehr gegen die Kammer, sondern das betroffene Organ zu richten wären, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung gerade nicht.

Dementsprechend wird im Schrifttum nicht die Auffassung vertreten, die Klage sei beim Handeln eines Organs der Rechtsanwaltskammer nicht gegen diese, sondern gegen das Organ als „Behörde“ zu richten[2].

Eine Klage gegen den Präsidenten der Rechtsanwaltskammer ist daher mangels Passivlegitimation abzuweisen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – AnwZ (Brfg) 68/13

  1. BT-Drs. 16/11385, S. 41 f.[]
  2. siehe nur Böhnlein in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 112d Rn. 5; SchmidtRäntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 112d BRAO, Rn. 3, 5, 9; Deckenbrock in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 112d Rn. 1, 3; KleineCosack, BRAO, 6. Aufl., § 112d Rn. 1[]