Die schriftsätzliche Kündigung im Anwaltsprozess

Die Prozessbevollmächtigten der Parteien sind zur (schriftsätzlichen) Erklärung bzw. Entgegennahme einer Kündigung bevollmächtigt.

Die schriftsätzliche Kündigung im Anwaltsprozess

Eine Prozessvollmacht ermächtigt gemäß § 81 ZPO zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen. Dies sind nach ständiger Rechtsprechung auch materiell-rechtliche Willenserklärungen, die sich auf den Gegenstand des Rechtsstreits beziehen, weil sie zur Rechtsverfolgung innerhalb des Prozessziels oder zur Rechtsverteidigung dienen. Solche Erklärungen sind von der Prozessvollmacht umfasst, auch wenn sie außerhalb des Prozesses abgegeben werden. Im gleichen Umfang, in dem die Vollmacht zur Vornahme von Prozesshandlungen berechtigt, ist der Bevollmächtigte auch befugt, Prozesshandlungen des Gerichts oder des Gegners entgegenzunehmen. Bei der Abgabe einer Kündigungserklärung, die im Fall ihrer Wirksamkeit die gemäß § 256 Abs. 1 ZPO vom Arbeitnehmer erstrebte Feststellung des Fortbestands eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen hinderte und deshalb zur Abwehr seines Feststellungsbegehrens durch den Arbeitgeber dient, handelt es sich um eine solche „Prozesshandlung“[1].

Ein Einwand der Prozesspartei, die Kündigung sei nicht wirksam zugegangen, weil die Prozessvollmacht seines Rechtsanwalts beschränkt gewesen sei und die „Entgegennahme von einseitigen Willenserklärungen (z.B. Kündigungen)“ ausdrücklich ausgeschlossen habe, führt jedenfalls in einem Prozess mit Vertretungszwang („Anwaltsprozess“) zu keinem anderen Ergebnis.

Die Beschränkung entfaltete keine Außenwirkung gegenüber der anderen Prozesspartei. Es kann unterstellt werden, dass die Prozessvollmacht im Parteiprozess (§ 11 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) auf die Abgabe von Willenserklärungen beschränkt und deren Empfang ausgeschlossen werden kann (§ 83 Abs. 2 ZPO). Im Anwaltsprozess – und damit im vorliegenden Fall im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht (§ 11 Abs. 4 Satz 1 ArbGG) – kann sie dagegen im Außenverhältnis grundsätzlich nicht beschränkt werden[2]. Eine Ausnahme enthält § 83 Abs. 1 ZPO. Danach hat eine Beschränkung des gesetzlichen Umfangs der Vollmacht dem Gegner gegenüber nur insoweit rechtliche Wirkung, als sie die Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs betrifft. Die Entgegennahme einseitiger Willenserklärungen umfasst die Ausnahmebestimmung nicht.

Die Arbeitgeberin hat durch die Schriftsatzkündigung auch die Schriftform des § 623 BGB gewahrt.

Zur Einhaltung der Schriftform des § 623 BGB muss die Kündigung gemäß § 126 Abs. 1 BGB vom Erklärenden eigenhändig unterschrieben und – da es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt – in dieser Form auch dem Erklärungsempfänger gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugehen[3]. Wird eine formbedürftige Willenserklärung von einem Vertreter des Erklärenden mit eigenem Namen unterzeichnet, so muss die Stellvertretung in der Urkunde zum Ausdruck kommen[4].

Im hier entschiedenen Fall war dies gegeben: Der Berufungserwiderungsschriftsatz enthielt einleitend die Erklärung, dass die beklagte Arbeitgeberin auch in der II. Instanz von ihrem Prozessbevollmächtigten vertreten werde („… vertrete ich die … Berufungsbeklagte“). Zudem sprach der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Kündigung ausdrücklich „namens und im Auftrage der Beklagten“ aus, womit er das Vertretungsverhältnis deutlich zum Ausdruck gebracht hat.

Mit Zuleitung der durch eigenhändige Unterschrift ihres Prozessbevollmächtigten beglaubigten Abschrift des Berufungserwiderungsschriftsatzes hat die beklagte Arbeitgeberin dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB iVm. § 126 Abs. 1 BGB ausreichend Rechnung getragen. Mit dem Beglaubigungsvermerk wird zwar regelmäßig nur die Übereinstimmung der Abschrift mit der Urschrift bezeugt. Der Prozessbevollmächtigte übernimmt bei einem von ihm selbst unterschriebenen Beglaubigungsvermerk zugleich auch die Verantwortung für den Inhalt der Urkunde. Die Abschrift des Schriftsatzes stellt damit unter diesen Umständen eine eigenhändig unterzeichnete und die Schriftform wahrende Erklärung dar[5].

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. Dezember 2020 – 9 AZR 102/20

  1. st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 1.10.2020 – 2 AZR 247/20, Rn. 48 mwN[]
  2. BAG 27.10.1988 – 2 AZR 160/88, zu II 1 b der Gründe[]
  3. vgl. BAG 13.07.2006 – 8 AZR 382/05, Rn. 28[]
  4. BAG 13.07.2006 – 8 AZR 382/05, Rn. 28; 21.04.2005 – 2 AZR 162/04, zu II 2 der Gründe[]
  5. BAG 13.07.2006 – 8 AZR 382/05, Rn. 28; BGH 4.07.1986 – V ZR 41/86, zu II 3 der Gründe[]