Unterzeichnet ein Rechtsanwalt eine Berufungsschrift mit dem Vermerk „i.A.“ („im Auftrag“), ist dies unschädlich, wenn der Unterzeichnende als Sozietätsmitglied zum Kreis der beim Berufungsgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers zählt[1]. Die Identität eines Rechtsanwalts, der eine Berufungsschrift mit dem Vermerk „i.A.“ unterzeichnet hat, muss im Zeitpunkt des Ablaufs der Rechtsmittelfrist nicht bereits in solcher Weise eindeutig geklärt sein, dass schon endgültige Feststellungen zur Identität und zur Postulationsfähigkeit des Unterzeichners getroffen werden können ; maßgeblich ist insoweit der Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung[2].

Das Berufungsgericht darf daher in einem solchen Fall das Rechtsmittel nicht gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO mit der Begründung als unzulässig verwerfen, die Berufungsschrift sei nicht ordnungsgemäß unterzeichnet worden.
Nach ständiger Rechtsprechung muss die Berufungsschrift als bestimmender Schriftsatz die Unterschrift des für sie verantwortlich Zeichnenden tragen[3]. Die Unterschrift soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die Verantwortung für den Schriftsatz zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen[4]. Für den Anwaltsprozess bedeutet dies, dass die Berufung von einem dazu bevollmächtigten und bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfasst, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein muss[5].
Gemessen an diesen Vorgaben genügt die mit dem Kürzel „i.A.“ versehene handschriftliche Unterschrift auf der Berufungsschrift entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts[6] den Anforderungen an eine wirksame Unterzeichnung.
Dem Berufungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung in den Fällen, in denen der Unterzeichner einer Rechtsmittelschrift seine Unterschrift mit dem Zusatz „i.A.“ versieht, grundsätzlich nicht von einer dafür erforderlichen Übernahme der Verantwortung des Unterzeichners für den Inhalt der Rechtsmittelschrift ausgeht, weil der Unterzeichnende damit zu erkennen gibt, dass er dem Gericht gegenüber nur als Erklärungsbote auftritt[7].
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist allerdings – wovon auch das Berufungsgericht ausgeht – anerkannt, dass eine mit dem Zusatz „i.A.“ versehene eigenhändige Unterschrift dann den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unterzeichnung eines Rechtsmittelschriftsatzes genügt, wenn die auf diese Weise erfolgte Unterschrift von einem Rechtsanwalt stammt, der als Mitglied der mandatierten Anwaltssozietät ebenfalls zum Kreis der Prozessbevollmächtigten zählt[8]. In einem solchen Fall muss angenommen werden, dass der mit dem Zusatz „i.A.“ unterzeichnende Rechtsanwalt nicht lediglich in Wahrnehmung des sozietätsinternen Innenverhältnisses zu dem eigentlichen Sachbearbeiter, sondern zumindest auch in Ausführung des ihm selbst erteilten Mandats tätig geworden ist[9]. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
Die Unterschrift stammt – was durch den nach Ablauf der Berufungsfrist eingegangenen Schriftsatz vom 24.01.2012 belegt und auch vom Berufungsgericht nicht in Zweifel gezogen wird – von der auf dem Briefkopf der Anwaltssozietät D. · H. & Kollegen aufgeführten Rechtsanwältin E. S. , die allgemein zugelassen und damit auch vor dem Berufungsgericht postulationsfähig ist. Die Klägerin hat unwiderlegt mit Schriftsatz vom 24.01.2012 vorgetragen, dass sie alle Sozietätsmitglieder – auch die auf dem Briefkopf der Kanzlei als Sozia ausgewiesene Rechtsanwältin S. – mit der Einlegung der Berufung beauftragt hatte.
Anders als das Berufungsgericht meint, steht einer wirksamen Einlegung der Berufung nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt des Ablaufs der Rechtsmittelfrist dem Berufungsgericht noch nicht positiv bekannt war, dass die mit dem Zusatz „i.A.“ versehene eigenhändige Unterschrift von einer Rechtsanwältin stammte, die zum Kreis der Prozessbevollmächtigten der Berufungsführerin zählte. Zwar sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei der Prüfung der Frage, ob ein Rechtsmittelschriftsatz von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt unterzeichnet worden ist, nur solche Umstände zu berücksichtigen, die dem Rechtsmittelgericht bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist bekannt geworden sind[10]. Bei Ablauf der Berufungsfrist war für das Berufungsgericht jedoch hinreichend erkennbar, dass die Berufung von Rechtsanwältin S. als Sozietätsmitglied unterzeichnet worden war. Der Bundesgerichtshof kann die Prüfung der für das Vorliegen einer ausreichenden Unterschrift erforderlichen Merkmale selbständig und ohne Bindung an die Ausführungen des Berufungsgerichts vornehmen[11]. Bei Anlegung des gebotenen großzügigen Maßstabs lässt sich die handschriftliche Unterschrift der auf dem Briefkopf der Kanzlei aufgeführten Rechtsanwältin E. S. zuordnen.
Zwar lassen sich dem maschinenschriftlichen Zusatz „(T. H.) Rechtsanwalt“ noch keine Hinweise darauf entnehmen, dass ein Rechtsanwalt die Berufungsschrift unterzeichnet hat. Denn durch den handschriftlichen Zusatz „i.A.“ ist klargestellt, dass die handschriftliche Unterschrift nicht von Rechtsanwalt H. stammt, auf den sich die maschinenschriftlichen Ergänzungen beziehen. Zusätzliche Erläuterungen, die klarstellen, dass auch die Unterzeichnerin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen ist, fehlen[12].
Es lässt sich jedoch aus anderen Umständen hinreichend entnehmen, dass die Unterschrift durch eine Sozietätskollegin des sachbearbeitenden Rechtsanwalts erfolgt ist[13]. Anders als in dem vom IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschiedenen Fall[14] trägt der Briefkopf der Berufungsschrift nicht nur den Namen eines Rechtsanwalts. Vielmehr sind auf dem Briefkopf insgesamt 17 aktive Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen aufgeführt, darunter auch Rechtsanwältin E. S. . Dass bei einer solchen Kanzlei alle 17 Rechtsanwälte verhindert sein könnten und daher die Kanzleikraft V. den Schriftsatz unterzeichnet haben könnte, ist mehr als fernliegend. Hinzu kommt, dass es sich bei der Berufungsschrift um einen bestimmenden Schriftsatz handelt, der – was zu dem Grundwissen einer Kanzleikraft gehört – zwingend von einem zugelassenen Rechtsanwalt zu unterschreiben ist und nicht – wie dies bei vorbereitenden Schriftsätzen zulässig ist – im Verhinderungsfall vom Büropersonal unterzeichnet werden darf. Außerdem lässt sich die handschriftliche Unterschrift trotz ihrer teilweisen Unleserlichkeit zumindest dahin entziffern, dass in ihr zwei Großbuchstaben enthalten sind, von denen der erste einem „E“, einem „T“ oder einem „G“ ähnelt und der zweite ein „S“ oder ein „G“ darstellt. Durch die Verwendung von zwei Großbuchstaben steht fest, dass es sich um eine Unterzeichnung mit Vor- und Nachnamen handelt. Da der Nachname mit „S“ oder „G“ beginnt, ist auszuschließen, dass die unter der Rubrik „Sekretariat“ aufgeführte Frau V. den Schriftsatz unterzeichnet hat. Weiter ist der Unterschrift zu entnehmen, dass der mit „S“ oder „G“ beginnende Nachname mehrere Buchstaben aufweist und mit einem „f“ oder „t“ ausläuft. Der Schriftzug genügt damit den generellen Anforderungen an eine Unterschrift, weil er individuelle und charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt[15]. Weiter zeigt ein Vergleich mit den auf dem Briefkopf aufgeführten Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen, dass sich der Namenszug bei angemessen großzügiger Betrachtung Frau Rechtsanwältin E. S. zuordnen lässt.
Dass die Unterschrift bei Ablauf der Berufungsfrist einer auf dem Briefkopf aufgeführten Rechtsanwältin zugeordnet werden konnte, ist ausreichend. Nicht erforderlich ist dagegen, dass zu diesem Zeitpunkt schon Gewissheit über die Urheberschaft bestand. Denn die Identität eines Rechtsanwalts, der die Rechtsmittelschrift unterzeichnet hat, muss im Zeitpunkt des Ablaufs der Rechtsmittelfrist nicht bereits in solcher Weise eindeutig geklärt sein, dass schon endgültige Feststellungen zur Identität und zur Postulationsfähigkeit des Unterzeichners getroffen werden können[16]. Maßgeblich ist insoweit der Erkenntnisstand zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung oder – bei einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren – der Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht[17].
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25. September 2012 – VIII ZB 22/12
- im Anschluss an BGH, Beschluss vom 27.05.1993 – III ZB 9/93, NJW 1993, 2056 ; Urteil vom 31.03.2003 – II ZR 192/02, NJW 2003, 2028 ; Beschlüsse vom 19.06.2007 – VI ZB 81/05, FamRZ 2007, 1638 ; und vom 20.06.2012 – IV ZB 18/11[↩]
- im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 26.04.2012 – VII ZB 83/10 ; und vom 26.07.2012 – III ZB 70/11, DB 2012, 2042[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 04.10.1984 – VII ZR 342/83, BGHZ 92, 251, 254 ff.; vom 14.05.2008 – XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508 Rn. 9 ; vom 09.12.2010 – IX ZB 60/10, mwN[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 22.11.2005 – VI ZB 75/04, VersR 2006, 387 Rn. 5 ; vom 09.12.2010 – IX ZB 60/10, aaO ; vom 26.10.2011 – IV ZB 9/11 ; vom 26.04.2012 – VII ZB 83/10, jeweils mwN[↩]
- vgl. [jeweils zur Berufungsbegründung] BGH, Urteile vom 31.03.2003 – II ZR 192/02, NJW 2003, 2028 unter II 1 ; vom 10.05.2005 – XI ZR 128/04, aaO unter B II 1 a ; Beschluss vom 26.10.2011 – IV ZB 9/11, aaO ; jeweils mwN[↩]
- OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.03.2012 – 19 U 1/12[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 05.11.1987 – V ZR 139/87, NJW 1988, 210 ; vom 27.05.1993 – III ZB 9/93, NJW 1993, 2056 unter II 1 ; Urteil vom 31.03.2003 – II ZR 192/02, aaO unter II 2 ; Beschlüsse vom 19.06.2007 – VI ZB 81/05, FamRZ 2007, 1638 Rn. 4 ; vom 20.06.2012 – IV ZB 18/11 ; vgl. ferner BAG, DB 1967, 1904[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 27.05.1993 – III ZB 9/93, aaO unter II 2 ; vom 19.06.2007 – VI ZB 81/05, aaO Rn. 5 ; vom 20.06.2012 – IV ZB 18/11, aaO Rn. 9[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 27.05.1993 – III ZB 9/93, aaO ; vom 19.06.2007 – VI ZB 81/05, aaO ; vom 20.06.2012 – IV ZB 18/11, aaO[↩]
- BGH, Urteil vom 10.05.2005 – XI ZR 128/04, aaO unter B II 1 d cc ; Beschluss vom 26.10.2011 – IV ZB 9/11, aaO Rn. 6[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 27.09.2005 – VIII ZB 105/04, NJW 2005, 3775 unter II 2 b mwN ; vom 09.02.2010 – VIII ZB 67/09[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 26.10.2011 – IV ZB 9/11, aaO Rn. 8[↩]
- zur Bedeutung weiterer Umstände vgl. BGH, Beschluss vom 22.11.2005 – VI ZB 75/04, aaO Rn. 7[↩]
- BGH, Beschluss vom 26.10.2011 – IV ZB 9/11, aaO[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 27.09.2005, aaO, unter II 2 a ; vom 09.02.2010 – VIII ZB 67/09, aaO Rn. 10 ; jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 26.04.2012 – VII ZB 83/10, aaO Rn. 10 ff. zur Unterzeichnung einer Berufungsbegründung in Vertretung eines anderen Rechtsanwalts ; vom 26.07.2012 – III ZB 70/11, DB 2012, 2042 Rn. 9 f. zur Unterzeichnung mit dem Vermerk „nach Diktat verreist“; vgl. auch Beschluss vom 26.10.2011 – IV ZB 9/11, aaO Rn. 10[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 26.04.2012 – VII ZB 83/10, aaO Rn. 11 ; vom 26.07.2012 – III ZB 70/11, aaO Rn. 10[↩]