Ein Rechtsanwalt ist hinsichtlich der fristwahrenden Übermittlung von Schriftsätzen gehalten, durch geeignete organisatorische Vorkehrungen, insbesondere durch entsprechende allgemeine Anweisungen an das Büropersonal, sicherzustellen, dass Fehlerquellen im größtmöglichen Umfang ausgeschlossen sind und gewährleistet ist, dass – anhand einer nochmaligen Überprüfung der Faxnummer des angeschriebenen Gerichts entweder vor der Versendung oder mit dem Sendebericht anhand einer zuverlässigen Quelle – bei der Adressierung die zutreffende Faxnummer verwendet wird.

Nach den verfassungsrechtlich verbürgten Ansprüche auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden beziehungsweise die den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren[1].
Nach dieser Maßgabe hat das Oberlandesgericht Köln im hier entschiedenen Fall der Beklagten den Zugang zur Berufungsinstanz unzulässig verwehrt, indem es die Berufung der Beklagten mit der Begründung als unzulässig verworfen hat[2], die anwaltlichen Anordnungen für die Übersendung fristgebundener Schriftstücke genügten den an die anwaltliche Sorgfaltspflicht zu stellenden Anforderungen nicht. Der Beklagten, deren an das OLG adressierte Berufungsschrift aufgrund eines Fehlers der Kanzleisoftware die Faxnummer des erstinstanzlichen Landgerichts aufwies, die ist vielmehr, wie nunmehr der Bundesgerichtshof entschied, auf ihren rechtzeitigen Antrag gemäß §§ 233 ff. ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung zu gewähren. So beruht das Fristversäumnis nicht auf einem der Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten. Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, das Oberlandesgericht Köln habe den wesentlichen Kern des glaubhaft gemachten Parteivorbringens der Beklagten zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags (§ 236 Abs. 2 ZPO) übergangen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden. Dabei darf sich die Kontrolle des Sendeberichts grundsätzlich nicht darauf beschränken, die auf diesem ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen. Vielmehr muss der Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle vorgenommen werden, aus der die Faxnummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist. Denn diese Art der Ausgangskontrolle soll nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bei der Ermittlung der Faxnummer und ihrer Übertragung in den Schriftsatz ausschließen[3].
Dem Erfordernis, durch organisatorische Anweisungen sicherzustellen, dass Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer erkannt werden, kann allerdings auch durch die Anweisung genügt werden, die im Sendebericht ausgedruckte Faxnummer mit der schriftlich niedergelegten zu vergleichen, wenn sichergestellt ist, dass diese ihrerseits zuvor aus einer zuverlässigen Quelle ermittelt worden ist. Dies setzt aber voraus, dass zusätzlich die generelle Anweisung besteht, die ermittelte Faxnummer vor der Versendung auf eine Zuordnung zu dem vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen[4]. Der Sendebericht muss dann nicht mehr zusätzlich mit der zuverlässigen Ausgangsquelle verglichen werden. Infolge des vorangegangenen Abgleichs der auf den Schriftsatz übertragenen Faxnummer mit der zuverlässigen Ausgangsquelle ist die Nummer auf dem Schriftsatz nach diesem Abgleich selbst als ausreichend zuverlässige Quelle anzusehen[5].
Eine diesen Anforderungen entsprechende generelle Anweisung ihrer Prozessbevollmächtigten hat die Beklagte entgegen der Beurteilung des Oberlandesgerichts Köln dargelegt und glaubhaft gemacht. Nach dem vom Oberlandesgericht Köln zwar wiedergegebenen, aber nicht in seine Beurteilung einbezogenen maßgeblichen Inhalt der eidesstattlichen Versicherung der Kanzleiangestellten P. bestand in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Beklagten die ausdrückliche anwaltliche Anweisung, vor dem Faxversand eines Schriftsatzes unter anderem zu prüfen, ob die Telefaxnummer des im Schriftsatz angegebenen Gerichts richtig ist; die Prüfung sei entweder anhand des jüngsten Schreibens des Gerichts in der Handakte oder – bei einem neuen Vorgang – anhand der InternetSeite des Gerichts vorzunehmen. Nach der Versendung des Telefaxes sei ein Abgleich zwischen der auf dem Sendeprotokoll ausgewiesenen Faxnummer mit derjenigen auf dem versandten Schriftstück vorzunehmen.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeerwiderung genügt der diesbezügliche Vortrag der Beklagten – was auch das Oberlandesgericht Köln nicht in Zweifel gezogen hat – den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung des Wiedereinsetzungsgrundes. In Anbetracht der klaren und unmissverständlichen organisatorischen Anweisungen bieten die Ausführungen in den eidesstattlichen Versicherungen der Büroangestellten P. Kanzlei, Rechtsanwalt B. sowie des Geschäftsführers der , jeweils vom 31.01.2019, keine Grundlage für die Beurteilung des Oberlandesgerichts Köln, die anwaltlichen Anweisungen an das Büropersonal könnten nur so verstanden werden, dass eine eigenständige und eigenverantwortliche Prüfung der Telefaxnummer des in Rede stehenden Gerichts durch die Prozessbevollmächtigten der Beklagten beziehungsweise deren Kanzleipersonal weder vor noch nach der Übersendung von fristgebundenen Schriftstücken erfolge, sondern auf die Richtigkeit der vom Anbieter des Systems „K. “ zur Verfügung gestellten Daten vertraut werde.
Vielmehr ist – ungeachtet der von dem Kanzleisystem generierten Daten bereits durch die davon unabhängigen anwaltlichen Anweisungen sichergestellt, dass die Telefaxnummer des betreffenden Gerichts vor dem Faxversand anhand einer zuverlässigen Quelle außerhalb des Systems ermittelt wird. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Köln musste der Sendebericht daher nach dem Faxversand nicht erneut zusätzlich mit einer zuverlässigen Ausgangsquelle verglichen werden. Infolge des anwaltlich generell angeordneten vorangegangenen Abgleichs der in den Schriftsatz übernommenen Faxnummer mit einer zuverlässigen Ausgangsquelle ist die Telefaxnummer auf dem Schriftsatz dann als ausreichend zuverlässige Quelle anzusehen[6].
Die angefochtene Entscheidung wird auch nicht von der Erwägung des Oberlandesgerichts Köln getragen, in Anbetracht der zuvor von Rechtsanwalt B. vorgenommenen Überarbeitung bestimmter Formatvorlagen habe es einer weiteren anwaltlichen Anweisung an das Kanzleipersonal beziehungsweise einer besonderen Einzelanweisung an die Angestellte P. bedurft, um die Verwendung der richtigen Telefaxnummer zusätzlich sicherzustellen.
Allerdings ist das Oberlandesgericht Köln im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Prozessbevollmächtigte unter den hier gegebenen Umständen zur Ermittlung der Telefaxnummer des Oberlandesgerichts Köln nicht auf die Kanzleisoftware verlassen durfte. Nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 24.06.2004[7] darf sich der Rechtsanwalt zur Ermittlung der Faxnummer eines Gerichts zwar auf ein seit Jahren bewährtes Software-Programm in der jeweils neuesten Fassung in der Regel verlassen. Eine organisatorische Anweisung des Anwalts an seine Bürokraft, eine Abgleichung der Faxnummer mit den Angaben in Anschreiben des Gerichts oder im Telefonbuch vorzunehmen, ist dann grundsätzlich nicht erforderlich[8]. Jedoch hat die Beklagte erst nach Erlass der angefochtenen Entscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren eine eidesstattliche Versicherung von Rechtsanwalt B. vom 18.07.2019 vorgelegt, wonach die verwendete Programmversion der neuesten Fassung entsprochen habe. Wie oben ausgeführt, können im Verfahren der Rechtskontrolle neue Tatsachen jedoch gemäß § 559 Abs. 1, § 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO grundsätzlich nicht festgestellt werden.
Indessen kommt es im Streitfall nicht darauf an, ob bereits die Kanzleisoftware grundsätzlich eine zuverlässige Quelle für die Ermittlung der Faxnummer des Gerichts sein kann. Dies macht die Beklagte auch nicht geltend. Nach ihrem glaubhaft gemachten Sachvortrag haben ihre Prozessbevollmächtigten ohnehin nicht maßgeblich darauf vertraut, dass die Kanzleisoftware die Telefaxnummer des ausgewählten Gerichts zutreffend einsetzt, sondern hätten – auch unter Verwendung des Systems „K. “ – angeordnet, dass die verwendete Telefaxnummer vor dem Versand des Schriftsatzes mit einer zuverlässigen Quelle abzugleichen ist. Die Rechtsbeschwerde macht insoweit zutreffend geltend, bereits die generelle Büroanweisung, wonach die Telefaxnummer des Gerichts – unabhängig von der Kanzleisoftware – anhand einer zuverlässigen Quelle außerhalb der Datenbank des Systems „K. “ zu überprüfen sei, genüge den gebotenen Anforderungen an die anwaltliche Sorgfaltspflicht.
Die weitere Schlussfolgerung des Oberlandesgerichts Köln, die Fehlfunktion der Software könne nur durch die anwaltlichen Umstellungsarbeiten um die Jahreswende 2018/2019 verursacht worden sein, findet bereits keine hinreichende Grundlage in den vom Oberlandesgericht Köln getroffenen Feststellungen. Danach ist auch ein – der Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO nicht zurechenbares – technisches Versagen des Programms oder eine fehlerhafte Programmierung durch den Softwareanbieter nicht auszuschließen.
Es ist allerdings nicht entscheidungserheblich, worauf die falsche Zuordnung der die Telefaxnummer des Gerichts betreffenden Programmvariable beruhte. Selbst wenn dies durch die kurz zuvor vorgenommene anwaltliche Umstellung von Formatvorlagen und die hier verwendete Formatvorlage für eine Klageschrift anstelle einer Berufungsschrift verursacht worden wäre, wäre der Versand eines Telefaxschreibens mit einer falschen Faxnummer in Anbetracht der generellen anwaltlichen Anweisung, die verwendete Telefaxnummer vor dem Versand des Schriftsatzes mit einer zuverlässigen Quelle abzugleichen, verhindert worden. Sofern sich die mögliche Gefahrenquelle einer von der Kanzleisoftware fehlerhaft eingesetzten Faxnummer verwirklicht, wäre diese somit nicht unentdeckt geblieben, wenn die Kanzleiangestellte P. vor dem Faxversand den angeordneten Abgleich mit einer zuverlässigen externen Quelle vorgenommen hätte. Ein Unterschied zu einer manuell fehlerhaft übertragenen Telefaxnummer besteht insoweit nicht.
Der Bundesgerichtshof konnte nach § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO in der Sache selbst entscheiden, weil es keiner weiteren Tatsachenfeststellungen bedarf. Ein der Beklagten nach §§ 233, 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden liegt aufgrund der von ihr dargelegten und glaubhaft gemachten Umstände (§ 236 Abs. 2 ZPO) nicht vor. Da auch die übrigen Voraussetzungen für die beantragte Wiedereinsetzung erfüllt sind, ist dem Wiedereinsetzungsgesuch stattzugeben. Die Sache ist zur Durchführung des Berufungsverfahrens an das Oberlandesgericht Köln zurückzuverweisen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30. März 2021 – VIII ZB 37/19
- st. Rspr.; vgl. nur BVerfGE 74, 228, 234; BVerfG, NJW 2012, 2869 Rn. 8; NZA 2016, 122 Rn. 10; BGH, Beschlüsse vom 12.07.2016 – VIII ZB 55/15, WuM 2016, 632 Rn. 1; vom 09.05.2017 – VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 9; vom 04.09.2018 – VIII ZB 70/17, NJW-RR 2018, 1325 Rn. 9; vom 28.01.2020 – VIII ZB 39/19, NJW-RR 2020, 499 Rn. 11; vom 29.10.2019 – VIII ZB 103/18, NJW-RR 2020, 52 Rn. 9[↩]
- OLG Köln, Beschluss vom 08.04.2019 – 17 U 8/19[↩]
- vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 01.06.2016 – XII ZB 382/15, NJWRR 2016, 1199 Rn.19 f.; vom 27.06.2017 – VI ZB 32/16, NJW-RR 2017, 1139 Rn. 6; vom 19.12.2017 – XI ZB 16/17, FamRZ 2018, 610 Rn. 7; vom 15.01.2019 – XI ZB 20/18 7; vom 14.11.2019 – IX ZB 18/19, NJW-RR 2020, 122 Rn. 11[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 27.06.2017 – VI ZB 32/16, NJW-RR 2017, 1139 Rn. 7; vom 19.12.2017 – XI ZB 16/17, FamRZ 2018, 610 Rn. 8 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 19.12.2017 – XI ZB 16/17, FamRZ 2018, 610 Rn. 8; vom 15.01.2019 – XI ZB 20/18 8[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 27.06.2017 – VI ZB 32/16, NJW-RR 2017, 1139 Rn. 7; vom 24.10.2013 – V ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rn. 8[↩]
- VII ZB 35/03, NJW 2004, 2830[↩]
- vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 04.04.2007 – III ZB 108/06 und 109/06, jeweils 10; vom 26.09.2006 – VIII ZB 101/05, NJW 2007, 996 Rn. 11[↩]