Das Schreiben eines Inkassounternehmens, das eine Zahlungsaufforderung sowie die Androhung gerichtlicher Schritte und anschließender Vollstreckungsmaßnahmen enthält und nicht verschleiert, dass der Schuldner in einem Gerichtsverfahren geltend machen kann, den beanspruchten Geldbetrag nicht zu schulden, stellt keine wettbewerbswidrige aggressive geschäftliche Handlung im Sinne von § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 1 UWG aF und § 3 Abs. 1, § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG dar[1].

Im Laufe des hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ist das maßgebliche Recht mit Wirkung ab dem 10.12 2015 durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb[2] novelliert worden. Dadurch ist der in § 4 Nr. 1 UWG aF geregelte Tatbestand der unlauteren Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers und des sonstigen Marktteilnehmers in die neu geschaffene Bestimmung des § 4a UWG überführt und entsprechend den Regelungen über aggressive Geschäftspraktiken gemäß Art. 8 und 9 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken neu gefasst worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt hieraus jedoch nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war bereits § 4 Nr. 1 UWG aF unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Verbraucher im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG aF nur dann vorliegt, wenn der Handelnde diese Freiheit gemäß Art. 8 und 9 der Richtlinie 2005/29/EG durch Belästigung, Nötigung oder unzulässige Beeinflussung im Sinne des Art. 2 Buchst. j der Richtlinie 2005/29/EG erheblich beeinträchtigt[3].
Nach § 4a Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers durch unzulässige Beeinflussung erheblich zu beeinträchtigen. Eine unzulässige Beeinflussung liegt nach § 4a Abs. 1 Satz 3 UWG vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt. Für § 4 Nr. 1 UWG aF gilt bei richtlinienkonformer Auslegung nichts anderes.
In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall ging es um zwei Mahnschreiben, zum einen:
Letztmalig geben wir Ihnen die Möglichkeit, Ihre Forderungsangelegenheit ohne negative Auswirkungen für Sie zu erledigen. Die Gesamtforderung beträgt derzeit € … und wächst durch Zinsen und Gebühren laufend an. Dieser Betrag erhöht sich nochmals erheblich, sobald wir einen gerichtlichen Mahnbescheid gegen Sie veranlassen. Nutzen Sie diese Chance und ersparen Sie sich gerichtliche Schritte und den Besuch des Gerichtsvollziehers oder Pfändungsmaßnahmen auf Konten und Einkünfte.
und zum anderen:
Die Einleitung gerichtlicher Schritte steht unmittelbar bevor. Nach Erwirkung eines Vollstreckungstitels besteht 30 Jahre lang die Möglichkeit, die Zwangsvollstreckung gegen Sie zu betreiben: Gerichtsvollzieher, Lohnpfändung, Kontopfändung, Haftbefehl, eidesstattliche Versicherung etc. … Zusätzlich sind die durch diese Maßnahmen entstehenden Kosten gemäß §§ 284, 286 BGB von Ihnen zu tragen. Die derzeit offene Gesamtforderung von € … wird sich dadurch weiter erhöhen
Wie zuvor bereits das Landgericht Frankenthal[4] und das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken[5] hat auch der Bundesgerichtshof in diesen Mahnschreiben keine unzulässige Beeinflussung des angesprochenen Verbrauchers gesehen:
Hinsichtlich des ersten Mahnschreibens ist das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken davon ausgegangen, dass das Inkassounterunternehmen gegenüber Verbrauchern eine Machtposition innehat, die es ihr ermöglicht, auf einen Schuldner Druck auszuüben. Es hat weiter angenommen, das Schreiben des Inkassounternehmens übe wegen der darin enthaltenen Drohung mit gerichtlichen Schritten und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen tatsächlich auch Druck aus. Diese Beurteilung teilt der Bundesgerichtshof. Danacht nutzt die Inkassofirma als Unternehmerin eine Machtposition gegenüber Verbrauchern zur Ausübung von Druck aus.
Die Zahlungsaufforderung beeinflusst die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers aber nicht nicht in unzulässiger Weise.
Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn die Machtposition gegenüber Verbrauchern in einer Weise zur Ausübung von Druck ausgenutzt wird, die die Fähigkeit der Verbraucher zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die beanstandete geschäftliche Handlung geeignet ist, die Rationalität der Entscheidung der angesprochenen Verbraucher vollständig in den Hintergrund treten zu lassen[6]. Nach § 4a Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 UWG ist bei der Feststellung, ob eine geschäftliche Handlung aggressiv im Sinne des § 4a Abs. 1 Satz 2 UWG ist, auf Drohungen mit rechtlich unzulässigen Handlungen abzustellen. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss allerdings nicht, dass die Drohung mit einer rechtlich zulässigen Maßnahme den Tatbestand der Nötigung oder der unzulässigen Beeinflussung von vornherein nicht erfüllen kann. Die Ausübung von Druck durch Drohung mit einer rechtlich zulässigen Maßnahme kann die Fähigkeit der Verbraucher zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränken und damit den Tatbestand der unzulässigen Beeinflussung erfüllen, wenn bei dieser Drohung verschleiert wird, dass der Schuldner die Möglichkeit hat, den Eintritt der angedrohten Maßnahme zu verhindern. Die Ankündigung der unter den Voraussetzungen des § 28a Abs. 1 BDSG zulässigen Übermittlung von Schuldnerdaten an die Schufa schränkt deshalb die Fähigkeit der Verbraucher zu einer informierten Entscheidung wesentlich ein, wenn ein hinreichend klarer Hinweis fehlt, dass der Verbraucher mit dem bloßen Bestreiten der Forderung eine Mitteilung an die Schufa verhindern kann[7].
Das Berufungsgericht hat angenommen, das Schreiben der Inkassofirma stelle eine mit bestimmten Zahlungsvorschlägen verbundene Zahlungsaufforderung sowie die Androhung gerichtlicher Schritte und anschließender Vollstreckungsmaßnahmen dar. Es suggeriere nicht, dass eine Rechtsverteidigung des Schuldners aussichtslos sei. Es verschleiere auch nicht, dass der Schuldner in einem Gerichtsverfahren geltend machen könne, den beanspruchten Geldbetrag nicht zu schulden. Es sei davon auszugehen, dass auch der juristisch nicht vorgebildete Verbraucher wisse, dass er in einem Zivilprozess nicht zwangsläufig zur Zahlung verurteilt werde und seine eigene Sachverhaltsdarstellung und Rechtsauffassung dem Gericht zur Prüfung unterbreiten könne.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Drohung mit rechtlich zulässigen Handlungen nach § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG zu beanstanden ist, weil sie Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners verschleiert, kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft. Dabei sind die in dieser Hinsicht vom Tatrichter getroffenen Feststellungen zur Verkehrsauffassung in der Revisionsinstanz nur darauf zu überprüfen, ob das Gericht bei seiner Würdigung gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat[8]. Derartige Rechtsfehler sind dem Berufungsgericht nicht unterlaufen.
Soweit dagegen geltend gemacht wird, der juristisch nicht vorgebildete Durchschnittsverbraucher wisse nicht, dass er ohne rechtliche Nachteile bei fragwürdigen Forderungsangelegenheiten auf Drohschreiben eines Inkassounternehmens untätig bleiben könne, das beanstandete Schreiben verschleiere, dass der Schuldner vor dem in Aussicht gestellten Besuch des Gerichtsvollziehers oder vor Pfändungsmaßnahmen auf Konten und Einkünfte die Möglichkeit habe, den geltend gemachten Anspruch von einem Gericht überprüfen zu lassen, ersetzt sie die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts in revisionsrechtlich unzulässiger Weise durch ihre eigene Bewertung, ohne einen erheblichen Rechtsfehler im angefochtenen Urteil aufzuzeigen.
Dies gilt auch für die Rüge, die Wendung in dem in Rede stehenden Schreiben, der Adressat könne sich gerichtliche Schritte und den Besuch des Gerichtsvollziehers ersparen, könne dahingehend verstanden werden, der Empfänger des Schreibens müsse gerichtliche Schritte einleiten, um die Angelegenheit weiterzuverfolgen. Das Berufungsgericht hat festgestellt, der juristisch nicht vorgebildete Verbraucher wisse, dass er nicht zwangsläufig in einem Zivilprozess zur Zahlung verurteilt werde. Danach ist davon auszugehen, dass dieser Verbraucher auch weiß, dass es der Gläubiger ist, der gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen muss, um Forderungen durchzusetzen und dass es nicht Sache des Schuldners ist, zur Abwehr von Forderungen das Gericht anzurufen.
Eine abweichende Beurteilung ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Forderung, deren Beitreibung die Inkassofirma mit dem beanstandeten Schreiben geltend macht, fragwürdig, bestritten oder verjährt wäre. Das Landgericht ist zwar davon ausgegangen, dass die von der Inkassofirma geltend gemachte Forderung verjährt ist. Der Versuch der Beitreibung einer bestrittenen oder möglicherweise verjährten Forderung ist jedoch für sich genommen wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Zivilprozessordnung ermöglicht es einem Gläubiger, in einem rechtsstaatlichen Verfahren die Frage klären zu lassen, ob die von ihm geltend gemachte Forderung besteht und ihr keine durchgreifenden Einwendungen entgegenstehen. Da es zudem im Belieben des Schuldners einer verjährten Forderung steht, sich im Falle einer Inanspruchnahme auf die Einrede der Verjährung zu berufen oder die verjährte Forderung zu begleichen, hindert § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG einen Gläubiger oder ein von ihm eingeschaltetes Inkassounternehmen nicht daran, den Schuldner aufzufordern, zur Vermeidung einer gerichtlichen Inanspruchnahme eine solche Forderung zu begleichen.
Die zweite Version des Mahnschreibens beeinflusst nach Ansicht des Bundesgerichtshofs die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers ebenfalls nicht in unzulässiger Weise:
Das Berufungsgericht hat angenommen, dieses Schreiben habe zwar den Zweck, den Druck auf den Schuldner zu erhöhen. Weder der Hinweis darauf, dass die Einleitung gerichtlicher Schritte unmittelbar bevorstehe, noch die anschließenden Hinweise auf mögliche Vollstreckungsmaßnahmen und die Wirksamkeit des Vollstreckungstitels stellten jedoch eine Fehlinformation des Verbrauchers dar. Die beanstandeten Passagen in dem Schreiben entsprächen den gesetzlichen Möglichkeiten, die einem Gläubiger für die Beitreibung seiner Forderung zur Verfügung stünden. Das Schreiben suggeriere weder, dass eine Rechtsverteidigung aussichtslos sei, noch verschleiere es, dass der Schuldner in einem Gerichtsverfahren die Möglichkeit habe, sich gegen die Klageforderung zu verteidigen. Gegen diese rechtsfehlerfreie Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
Hiergegen kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, die entsprechenden Passagen des Mahnschreibens verschleierten, dass es zunächst gerichtlicher Schritte der Inkassofirma bedürfe, bevor die angedrohten Vollstreckungsmaßnahmen bis hin zum Haftbefehl möglich seien. Die abweichende Beurteilung des Berufungsgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das Mahnschreiben lässt die für die angekündigten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erforderlichen Schritte die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zur Klärung bestrittener Ansprüche nicht ungenannt. In dem Schreiben ist ausdrücklich davon die Rede, dass die Möglichkeit zur Zwangsvollstreckung erst nach Erwirkung eines Vollstreckungstitels besteht.
Auch die Drohung mit einem Haftbefehl ist kein unzulässiges Mittel, um einen Verbraucher zur Begleichung von Forderungen zu veranlassen. Bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen kann zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft ein Haftbefehlt ergehen, sofern der Schuldner dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft unentschuldigt fernbleibt oder die Abgabe der Vermögensauskunft verweigert (§ 802g ZPO). Das Mahnschreiben enthält zwar keine Erklärung, dass die Anordnung von Erzwingungshaft im Vollstreckungsverfahren voraussetzt, dass der Schuldner die Vermögensauskunft unentschuldigt nicht abgegeben hat. Dies führt jedoch nicht dazu, die beanstandete Passage als wettbewerbsrechtlich unzulässig anzusehen. Ein Gläubiger oder ein von ihm eingeschaltetes Inkassounternehmen darf bei Abfassung einer letzten vorgerichtlichen Mahnung dem Schuldner vom Gesetz vorgesehene Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach Erwirkung eines Titels schlagwortartig benennen, ohne im Einzelnen deren Voraussetzungen darlegen zu müssen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. März 2018 – I ZR 25/17
- Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 19.03.2015 – I ZR 157/13, GRUR 2015, 1134 Rn. 25 = WRP 2015, 1341 SchufaHinweis[↩]
- BGBl. I 2015, S. 2158[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 19.03.2015 – I ZR 157/13, GRUR 2015, 1134 Rn. 31 = WRP 2015, 1341 SchufaHinweis; Urteil vom 21.04.2016 – I ZR 276/14, GRUR 2016, 831 Rn. 24 = WRP 2016, 866 LebensKost; Urteil vom 21.07.2016 – I ZR 127/15, GRUR 2017, 199 Rn. 32 = WRP 2017, 169 Förderverein[↩]
- LG Frankenthal, Urteil vom 24.03.2016 2 HKO 97/15[↩]
- OLG Zweibrücken, Urteil vom 19.01.2017 4 U 63/16[↩]
- BGH, GRUR 2015, 1134 Rn. 14 SchufaHinweis[↩]
- BGH, GRUR 2015, 1134 Rn. 25 SchufaHinweis[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 21.07.2016 – I ZR 26/14, GRUR 2016, 1076 Rn. 37 = WRP 2016, 1221 LGA tested; Urteil vom 11.10.2017 – I ZR 78/16, GRUR 2018, 431 Rn. 23 = WRP 2018, 413 Tiegelgröße, mwN[↩]