Die anwaltliche Zeithonorarabrede – und keine Transparenz für den Mandanten

Eine formularmäßig getroffene anwaltliche Zeithonorarabrede ist auch im Rechtsverkehr mit Verbrauchern nicht allein deshalb unwirksam, weil der Rechtsanwalt weder dem Mandanten vor Vertragsschluss zur Abschätzung der Größenordnung der Gesamtvergütung geeignete Informationen erteilt noch sich dazu verpflichtet hat, ihm während des laufenden Mandats in angemessenen Zeitabständen Zwischenrechnungen zu erteilen oder Aufstellungen zu übermitteln, welche die bis dahin aufgewandte Bearbeitungszeit ausweisen.

Die anwaltliche Zeithonorarabrede – und keine Transparenz für den Mandanten

Die vom Rechtsanwalt vorformulierten und der Mandantin bei Abschluss des jeweiligen Beratungsvertrags gestellten (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB) Entgeltabreden unterliegen einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, die über eine Prüfung am Maßstab des Transparenzgebots (§ 307 Abs. 3 Satz 2 iVm Abs. 1 Satz 2 BGB) hinausgeht (§ 307 Abs. 1 und Abs. 2, § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB). Dem steht die Regelung des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, nach der (auch) solche Bestimmungen kontrollfrei sind, die – wie hier – den Preis der vereinbarten Hauptleistung unmittelbar bestimmen (sog. Preishauptabreden), nicht entgegen. Denn die Entgelte für anwaltliche Leistungen werden durch die Gebührenvorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vorgegeben. Der Inhalt der in Rede stehenden Honorarvereinbarungen weicht von der gesetzlich vorgesehenen Vergütung ab. In Fällen gesetzlicher Entgeltvorgaben sind jedoch auch Preishauptabreden in Allgemeinen Geschäftsbedingungen darauf zu überprüfen, ob sie mit den Grundgedanken des Preisrechts übereinstimmen. Das gilt auch dann, wenn das Gesetz den Vertragsparteien – wie im Fall des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes – Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Denn andernfalls bestünde die Gefahr, dass der mit Erlass der Preisvorschriften verfolgte gesetzgeberische Zweck verfehlt würde[1]

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begegnet die formularmäßige Vereinbarung eines Zeithonorars für sich genommen keinen Bedenken. 

Der Bundesgerichtshof hat eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffene Zeithonorarabrede, nach der die Tätigkeit eines Rechtsanwalts mit einem Stundensatz von 290 € pro Stunde zuzüglich Umsatzsteuer zu vergüten war, als wirksam erachtet[2]. Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof auf seine Rechtsprechung zur individualvertraglichen Vereinbarung einer Stundenvergütung[3] Bezug genommen und ausgeführt, dass für die Vereinbarung eines Zeithonorars in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Grundsatz nichts anderes gelte[4]. Danach benachteiligt allein der Umstand, dass ein Rechtsanwalt als Unternehmer (§ 14 Abs. 1 BGB) im Rahmen einer formularmäßigen Vergütungsabrede eine Zeithonorarklausel mit angemessenem Stundensatz stellt, den Mandanten auch dann nicht unangemessen, wenn dieser ein Verbraucher (§ 13 BGB) ist (§ 307 Abs. 1 Satz 1, § 310 Abs. 3 BGB). 

Daran hält der Bundesgerichtshof fest.

Der Mandant ist beim Abschluss einer Zeithonorarvereinbarung aufgrund der ungleichen Informationsverteilung zwischen ihm und dem Rechtsanwalt typischerweise schutzbedürftig. Im Verbraucherverkehr gilt dies in gesteigertem Maße. Denn der typischerweise rechtsunkundige Mandant kann weder den zur sachgerechten Bearbeitung der Rechtssache notwendigen Zeitaufwand abschätzen noch ersehen, wie viel Zeit der Rechtsanwalt tatsächlich für das Mandat aufwendet. Dies eröffnet dem unredlichen Rechtsanwalt umfangreiche Missbrauchsmöglichkeiten[5].

Allerdings benachteiligt allein die Möglichkeit des Missbrauchs einer für sich genommen leicht nachvollziehbaren Abrechnung anhand von Zeitaufwand und Vergütung pro Zeiteinheit den Mandanten nicht unangemessen. Denn diese Gefahr ist nicht Ergebnis einer treuwidrigen Vertragsgestaltung durch den Rechtsanwalt. Sie folgt vielmehr aus dem schwer überprüfbaren Zeitaufwand. Die Vereinbarung einer am Zeitaufwand bemessenen Vergütung verschafft dem Rechtsanwalt auch keinen einseitigen Vorteil auf Kosten des Mandanten. Denn hierbei trifft den Rechtsanwalt stets die – bei einer Abrechnung des Mandats nach den gesetzlichen Gebühren nicht bestehende – Rechtspflicht, die während des abgerechneten Zeitintervalls erbrachten Leistungen konkret und in nachprüfbarer Weise darzulegen[6] und bei Streit über den abgerechneten Zeitaufwand nachzuweisen. Dies gleicht den strukturellen Nachteil des Mandanten bei der Nachprüfbarkeit der tatsächlich aufgewendeten Bearbeitungszeit angemessen aus[7]. Dabei dient die Darlegungs- und Nachweispflicht des Rechtsanwalts hinsichtlich der von ihm aufgewendeten Stunden dem Schutz des Mandanten.

Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12.01.2023[8] gibt dem Bundesgerichtshof keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzurücken. 

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass eine Klausel eines zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung Letzterer nach dem Zeitaufwand richtet, dann nicht den Transparenzvorgaben des Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen vom 05.04.1993[9] („Klausel-Richtlinie“) genügt, wenn dem Verbraucher vor Vertragsschluss nicht die Informationen erteilt worden sind, die ihn in die Lage versetzt hätten, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen des Vertragsschlusses zu treffen[10]. Dabei hat der Gerichtshof eingeräumt, dass es einem Rechtsanwalt aufgrund der Eigenart der von ihm zu erbringenden Rechtsdienstleistungen bei Vertragsschluss oftmals schwer oder sogar unmöglich ist, den genauen Zeitaufwand und die vom Mandanten als Verbraucher exakt zu zahlende Vergütung vorherzusehen[11]. Aber auch unter dieser Voraussetzung hat der Gerichtshof es mit Blick auf die Maßgaben des Art. 4 Abs. 2 der Klausel-Richtlinie für unabdingbar gehalten, dass der Rechtsdienstleister dem Verbraucher vor Vertragsschluss entweder Informationen gibt, anhand derer er die Gesamtkosten der Rechtsdienstleistungen der Größenordnung nach einschätzen kann oder sich verpflichtet, dem Verbraucher in angemessenen Zeitabständen Rechnungen oder regelmäßige Zeitaufstellungen zu übermitteln, in denen die aufgewendeten Arbeitsstunden ausgewiesen sind[12]

Das führt nach den Vorgaben des nationalen Rechts (§ 307 Abs. 1 Satz 1 iVm Satz 2 BGB) jedoch nicht zur Unwirksamkeit formularmäßig getroffener Zeithonorarvereinbarungen von Rechtsanwälten. Das gilt auch dann, wenn der Rechtsanwalt Stundenhonorarklauseln im Rechtsverkehr mit Verbrauchern (§ 310 Abs. 3 BGB) verwendet.

Jedoch führt die richtlinienkonforme Auslegung des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB für Zeithonorarvereinbarungen von Rechtsanwälten nicht dazu, dass die deshalb bestehende Intransparenz von Zeithonorarklauseln für Rechtsdienstleistungen stets und ohne weiteres deren Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB bedingt. Dies ergibt sich weder aus dem europäischen noch aus dem nationalen Recht. 

Allerdings ist eine zwischen einem Rechtsanwalt als Unternehmer (§ 14 Abs. 1 BGB) und dem Mandanten als Verbraucher (§ 13 BGB) in Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffene Zeithonorarvereinbarung dann im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent, wenn nicht der Rechtsanwalt dem Mandanten vor Vertragsschluss Informationen an die Hand gibt, die es dem Mandanten ermöglichen, die Gesamtkosten der Rechtsdienstleistungen der Größenordnung nach einzuschätzen, oder sich verpflichtet, den Mandanten in angemessenen Zeitabständen Rechnungen oder regelmäßige Aufstellungen zu übermitteln, in denen die aufgewandten Arbeitsstunden ausgewiesen sind. Dies ergibt sich im Hinblick auf Art. 4 Abs. 2 der Klausel-Richtlinie in seiner Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union aus dem Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB iVm § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB. Bereits nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss eine Formularklausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann[13]. Dies gilt in gleicher Weise für die vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Anforderungen. 

Jedoch führt die richtlinienkonforme Auslegung des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB für Zeithonorarvereinbarungen von Rechtsanwälten nicht dazu, dass die deshalb bestehende Intransparenz von Zeithonorarklauseln für Rechtsdienstleistungen stets und ohne weiteres deren Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB bedingt. Dies ergibt sich weder aus dem europäischen noch aus dem nationalen Recht. 

Die Klausel-Richtlinie gibt dies nicht vor. Vielmehr stellt die Intransparenz einer Bestimmung (Art. 5 Satz 1 und, soweit sie den Hauptgegenstand des Vertrags betrifft, Art. 4 Abs. 2 der Klausel-Richtlinie) nach dem Unionsrecht nur einen der Gesichtspunkte dar, die bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel (Art. 3 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie) im Wege der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen sind[14].

Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Dabei kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Daraus folgt jedoch nicht, dass ausnahmslos jede Unklarheit bei einer Zeithonorarklausel eines Rechtsanwalts als solche schon eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten bedingt. Belange des Verbraucherschutzes gebieten dies nicht. Dies folgt aus einer Auslegung der Vorschrift des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht dem nicht entgegen.

Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Systematik und Sinn und Zweck sprechen dagegen, dass jeder Fall einer gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparenten Zeithonorarklausel eines Rechtsanwalts eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten bedeutet. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sieht bereits im Wortlaut vor, dass sich aus einer nicht klaren und verständlichen Bestimmung eine unangemessene Benachteiligung (nur) ergeben kann, nicht aber immer ergibt oder ergeben muss. 

Aus der Entstehungsgeschichte folgt, dass der Gesetzgeber den Bedenken des Rechtsausschusses gegen eine überschießende Umsetzung von Art. 5 der Klausel-Richtlinie Rechnung tragen wollte[15]. Danach sollte das Transparenzgebot nicht als Regelvermutung[16], sondern nur als möglicher Fall einer unangemessenen Benachteiligung geregelt werden. Dem trägt die Gesetz gewordene Fassung des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB Rechnung. 

Auch nach Systematik und Sinn und Zweck des AGB-Rechts ist es nicht erforderlich, eine formularmäßige Vereinbarung eines Zeithonorars durch einen Rechtsanwalt allein deshalb als unangemessene Benachteiligung anzusehen, weil die Vereinbarung nicht den in richtlinienkonformer Auslegung des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu stellenden Transparenzanforderungen genügt. Die Vorschriften der §§ 305 ff BGB bezwecken, rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klauselverwenders zum Nachteil seiner Kunden zu verhindern. Der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen soll davon abgehalten werden, seine Interessen durch einseitige Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsfreiheit treuwidrig auf Kosten seiner Vertragspartner zu verfolgen. Das Gesetz gewährleistet den Kundenschutz vor allem durch die inhaltliche Überprüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB, §§ 308, 309 BGB). In gleicher Weise dient die in die Regelungen der AGB-Kontrolle eingebettete Transparenzkontrolle dazu, Rechtsmissbrauch und unangemessene Benachteiligungen durch den Klauselverwender zu verhindern. 

Der Bundesgerichtshof hat bislang nicht abschließend entschieden, unter welchen Voraussetzungen eine Zeithonorarklausel eines Rechtsanwalts nach Maßgabe des § 307 Abs. 1 BGB wegen ihrer Intransparenz eine unangemessene Benachteiligung darstellt. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Transparenzgebot sieht nicht vor, dass unabhängig von der Art der Intransparenz und der sie begründenden Umstände stets jede Intransparenz zugleich eine unangemessene Benachteiligung (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) darstellt. Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob für die Annahme einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners die Gefahr einer inhaltlichen Benachteiligung zur Klauselunklarheit hinzutreten muss, teilweise ausdrücklich offengelassen[17]

Denjenigen Fällen, in denen der Bundesgerichtshof § 9 Abs. 1 AGBG oder § 307 Abs. 1 BGB angewendet und eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners auf die Intransparenz einer Formularbestimmung zurückgeführt hat, lag jeweils eine missbräuchliche Vertragsgestaltung durch den Verwender zugrunde. Durch die Formulierung einer einzelnen Bestimmung, die formale Aufteilung eines an sich einheitlichen Regelungsgegenstands auf verschiedene Bestimmungen oder die Einordnung einer Information an unerwarteter Stelle des Klauselwerks erschwerte der Verwender den Kunden die Erfassung ihnen günstiger oder nachteiliger Vertragsinhalte[18] oder eröffnete sich rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, durch welche er nach Vertragsschluss auf das Rechte- und Pflichtenprogramm einwirken konnte[19]. Dabei ließ der Verwender seinen Vertragspartnern das Bestehen oder den Umfang bestimmter Rechte oder Pflichten durch die Gestaltung einzelner Bestimmungen oder der Anlage des Klauselwerks als unklar erscheinen. Auf die rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung hat der Bundesgerichtshof eine unangemessene Benachteiligung der Kunden jeweils gestützt. Die zur Generalklausel des § 9 Abs. 1 AGBG ergangenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs[20] betreffen den Rechtszustand vor Inkrafttreten von § 307 Abs. 1 Satz 1 und § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten und damit eine Unwirksamkeit der Zeithonorarklausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt nicht allein deshalb vor, weil der Rechtsanwalt seinen Vertragspartner nicht durch entsprechende Informationen in die Lage versetzt, die Größenordnung der Gesamtkosten abzuschätzen, und sich nicht dazu verpflichtet, während des laufenden Mandats in angemessenen Abständen über den Kosten- und Zeitaufwand zu informieren. Dass eine solche Zeithonorarklausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent ist, genügt hierzu nicht. 

Eine Formularbestimmung benachteiligt den Kunden nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann unangemessen, wenn der Verwender durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vorneherein dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen[21]. Ein Rechtsanwalt, der eine am deutschen Rechtsberatungsmarkt etablierte[22] Abrechnungsart in den Vertrag einführt, verfolgt nicht schon dann treuwidrig eigene Belange auf Kosten des Mandanten, wenn er keine zur Abschätzung des finanziellen Gesamtaufwands geeigneten Angaben erteilt oder sich nicht bereits bei Vertragsschluss verpflichtet, in angemessenen Zeitabständen abzurechnen oder über die Stundenzahl zu informieren. Dies allein benachteiligt den Mandanten nicht entgegen Treu und Glauben unangemessen. 

Der Rechtsanwalt strebt mit einer vorformulierten Stundenhonorarvereinbarung nicht an, seine Interessen einseitig zum Nachteil des Mandanten durchzusetzen. Die vorformulierte Vereinbarung eines Zeithonorars dient nicht dazu, wirtschaftliche Vertragsrisiken zu verschleiern und so den Mandanten treuwidrig zum Abschluss einer ihm nachteiligen Vergütungsabrede zu veranlassen. Die Wahl einer Stundenvergütung trägt dem Interesse des Mandanten nach einer für ihn nachvollziehbaren Preisermittlung Rechnung. Denn anders als im Fall der Abrechnung nach dem für rechtliche Laien regelmäßig nur unter Zuhilfenahme fachkundiger Hilfe zu überblickenden gesetzlichen Gebührenrecht bemisst sich das Anwaltshonorar lediglich anhand zweier Größen (Stundensatz und aufgewandte Zeit).

Die formularmäßige Stundenhonorarvereinbarung stellt auch unter dem Gesichtspunkt der Vorenthaltung von Informationen keine missbilligenswerte Vertragsgestaltung dar. Der Rechtsanwalt darf davon ausgehen, dass jedenfalls der durchschnittliche Mandant ohne weiteres erkennen wird, dass die Vergütungshöhe nicht allein vom Stundensatz, sondern gleichermaßen vom Gesamtbearbeitungsaufwand abhängt. Dies gilt umso mehr, als Bezugspunkt der in Rede stehenden Klauselunklarheit eine Preishauptabrede ist. Der Kunde wird ihr regelmäßig besondere Aufmerksamkeit widmen, weil sie den Kern des Vertragsinteresses beider Parteien betrifft. Hierzu trägt weiter bei, dass § 3a Abs. 1 Satz 2 RVG für eine Vergütungsvereinbarung eine von anderen Vereinbarungen mit Ausnahme der Auftragserteilung deutlich abgesetzte Vereinbarung vorschreibt. 

Eine formularmäßige Zeithonorarvereinbarung verschafft dem Rechtsanwalt keinen rechtlichen Gestaltungsspielraum, die dieser Abrechnungsart innewohnende Missbrauchsmöglichkeit zu ergreifen. Darin unterscheidet sich die formularmäßige Zeithonorarvereinbarung eines Rechtsanwalts von anderen Fällen der Klauselunklarheit, in denen der Bundesgerichtshof eine unangemessene Benachteiligung des Kunden auf die mit der Unklarheit verbundenen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gestützt hat. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schützt den Mandanten vor den Gefahren einer treuwidrigen oder missbräuchlichen Abrechnung des Zeithonorars. 

Zum einen treffen den Rechtsanwalt strenge Darlegungsanforderungen hinsichtlich des Bearbeitungsaufwands. Er hat die während des abgerechneten Zeitintervalls erbrachten Leistungen konkret und in nachprüfbarer Weise darzutun. Insoweit hat der Rechtsanwalt etwa anzugeben, welche Akten und Schriftstücke einer Durchsicht unterzogen, welcher Schriftsatz vorbereitet oder verfasst wurde, zu welcher Rechts- oder Tatfrage welche Literaturrecherchen angestellt und zu welchem Thema mit welchem Gesprächspartner wann eine fernmündliche Unterredung geführt wurde[23]. Er hat diesen Zeitaufwand zudem im Streitfall zu beweisen[24]. Dies erfordert eine zeitnahe und sorgfältige Dokumentation der Arbeitsschritte und lässt die – in der Praxis der Zeitabrechnung weithin übliche[25] – Erteilung regelmäßiger Zwischenrechnungen tunlich erscheinen. 

Zum anderen ist selbst der vom Rechtsanwalt nachgewiesene Zeitaufwand nur dann in vollem Umfang berücksichtigungsfähig, wenn er in einem angemessenen Verhältnis zu Schwierigkeit, Umfang und Dauer der zu bearbeitenden Angelegenheit steht[26]. Dies unterliegt uneingeschränkter tatgerichtlicher Überprüfung[27] und nimmt dem Rechtsanwalt den rechtlichen Spielraum, das Zeithonorar durch eine nicht zeitschonende Mandatsbearbeitung treuwidrig in die Höhe zu treiben. Darüber hinaus ermöglicht § 3a Abs. 3 RVG nF eine Kontrolle der Angemessenheit der vereinbarten Vergütung im Zeitpunkt der Abrechnung. Ist sie unangemessen hoch, wird sie auf den angemessenen Betrag bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung herabgesetzt[28].

Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. September 2024 – IX ZR 65/23

  1. BGH, Urteil vom 13.02.2020 – IX ZR 140/19, BGHZ 224, 350 Rn. 11 ff[]
  2. BGH, Urteil vom 13.02.2020 – IX ZR 140/19, BGHZ 224, 350 Rn. 1 iVm 27[]
  3. etwa BGH, Urteil vom 04.02.2010 – IX ZR 18/09, BGHZ 184, 209 Rn. 73[]
  4. BGH, Urteil vom 13.02.2020 – IX ZR 140/19, BGHZ 224, 350 Rn. 33[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 13.02.2020 – IX ZR 140/19, BGHZ 224, 350 Rn. 33 mwN[]
  6. zu den diesbezüglichen Anforderungen BGH, Urteil vom 04.02.2010 – IX ZR 18/09, BGHZ 184, 209 Rn. 77 ff[]
  7. im Ergebnis ebenso schon BGH, Urteil vom 13.02.2020 – IX ZR 140/19, BGHZ 224, 350 Rn. 33 aE[]
  8. EuGH, Urteil vom 12.01.2023 – C-395/21, D.V., ZIP 2023, 360 ff[]
  9. ABl. 95, S. 29[]
  10. EuGH, Urteil vom 12.01.2023 – C-395/21, D.V., ZIP 2023, 360 Rn. 45[]
  11. EuGH, Urteil vom 12.01.2023, aaO Rn. 41[]
  12. EuGH, Urteil vom 12.01.2023, aaO Rn. 44[]
  13. vgl. nur BGH, Urteil vom 16.01.2020 – IX ZR 351/18, WM 2020, 369, Rn. 25 mwN[]
  14. EuGH, Urteil vom 12.01.2023 – C-395/21, D.V., ZIP 2023, 360 Rn. 47 ff[]
  15. vgl. BT-Drs. 14/7052 S. 188[]
  16. vgl. den Regierungsentwurf, BT-Drs. 14/6040 S. 9[]
  17. BGH, Urteil vom 23.02.2011 – XII ZR 101/09, WM 2011, 1190 Rn. 16[]
  18. vgl. etwa BGH, Urteil vom 22.11.1995 – VIII ZR 57/95, ZIP 1996, 235, 237; vom 05.11.1998 – III ZR 95/97, BGHZ 140, 25, 31; vom 24.05.2006 – IV ZR 263/03, NJW 2006, 2545 Rn. 26; vom 12.10.2007 – V ZR 283/06, WM 2008, 313 Rn. 14 ff; vom 23.02.2011 – XII ZR 101/09, WM 2011, 1190 Rn. 16; und vom 14.08.2019 – IV ZR 279/17, BGHZ 223, 57 Rn.19 f[]
  19. vgl. etwa BGH, Urteil vom 08.10.1997 – IV ZR 220/96, BGHZ 136, 394, 401; vom 19.10.1999 – XI ZR 8/99, WM 1999, 2545, 2547; vom 26.10.2005 – VIII ZR 48/05, BGHZ 165, 12, 22 ff; und vom 21.11.2023 – XI ZR 290/22, WM 2024, 17 Rn. 22 ff[]
  20. vgl. etwa BGH, Urteil vom 22.11.1995 – VIII ZR 57/95, ZIP 1996, 235, 237; vom 08.10.1997 – IV ZR 220/96, BGHZ 136, 394, 401; vom 05.11.1998 – III ZR 95/97, BGHZ 140, 25, 31; vom 19.10.1999 – XI ZR 8/99, WM 1999, 2545, 2547; und vom 26.10.2005 – VIII ZR 48/05, BGHZ 165, 12, 22 ff[]
  21. vgl. etwa BGH, Urteil vom 13.02.2020 – IX ZR 140/19, BGHZ 224, 350 Rn. 16 mwN[]
  22. Kilian in Graf von Westphalen/Thüsing/Pamp, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 2024, Rechtsanwälte Rn. 69; HK-RVG/Winkler/Teubel, 8. Aufl., § 3a Rn. 158[]
  23. BGH, Urteil vom 04.02.2010 – IX ZR 18/09, BGHZ 184, 209 Rn. 79; vom 13.02.2020 – IX ZR 140/19, BGHZ 224, 350 Rn. 37[]
  24. BGH, Urteil vom 04.02.2010, aaO Rn. 77; vom 13.02.2020, aaO[]
  25. vgl. Kilian in Graf von Westphalen/Thüsing/Pamp, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 2024, Rechtsanwälte Rn. 70a[]
  26. BGH, Urteil vom 04.02.2010 – IX ZR 18/09, BGHZ 184, 209 Rn. 85[]
  27. vgl. BGH, Urteil vom 04.02.2010, aaO Rn. 85[]
  28. vgl. BGH, Urteil vom 10.11.2016 – IX ZR 119/14, WM 2017, 827 Rn. 29; vom 13.02.2020 – IX ZR 140/19, BGHZ 224, 350 Rn. 13[]