Der Entwurf eines Ehegattentestaments – und die Anwaltsvergütung

Der auftragsgemäße Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments ist auch dann keine die Geschäftsgebühr auslösende Tätigkeit, wenn wechselbezügliche Verfügungen der Auftraggeber vorgesehen sind.

Der Entwurf eines Ehegattentestaments – und die Anwaltsvergütung

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ließen sich die klagenden Mandanten vom beklagten Rechtsanwalt wegen eines Testaments beraten. Der Rechtsanwalt entwarf ein gemeinschaftliches Testament, in welchem sich die Mandanten gegenseitig zu Erben einsetzten. Zusammen mit dem Entwurf übersandte er eine Abschlagsrechnung über insgesamt 1.808, 80 €. Die Mandanten kündigten daraufhin das Mandat. Unter dem 6.11.2017 stellte der Rechtsanwalt den Mandantenn eine 1,0-Geschäftsgebühr gemäß § 2 Abs. 2 RVG, Nr. 2300 VV RVG nach einem Gegenstandswert von bis zu 450.000 € nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer, insgesamt 3.704, 47 € in Rechnung. Die Mandanten zahlten diesen Betrag. Nunmehr meinen die Mandanten, der Rechtsanwalt habe nur eine Beratungsgebühr gemäß § 34 Abs. 1 RVG in Höhe von 250 € zuzüglich einer Mehrgebühr von 0,3 gemäß § 2 Abs. 2 RVG, Nr. 1008 VV RVG in Höhe von 75 € nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer abrechnen dürfen, insgesamt 410,55 €. Sie verlangen Rückgewähr von 3.293, 92 € nebst Zinsen.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Amtsgericht Waren (Müritz)  hat die Klage abgewiesen[1]. Auf die Berufung der Mandanten hat dagegen das Landgericht Neubrandenburg den Rechtsawnalt antragsgemäß verurteilt[2]. Der Bundesgerichtshof bestätigte die Rechtsansicht des Landgerichts Neubrandenburg und wies die vom Landgericht in seinem Berufungsurteil zugelassene Revision des Rechtsanwalts zurück:

Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz unterscheidet im Bereich der außergerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts zwischen der Beratung und der Vertretung des Mandanten. Die Beratung richtet sich allein an den Mandanten. Ihre Vergütung ist in § 34 RVG geregelt. Die Vertretung des Mandanten setzt dagegen schon begrifflich einen Dritten voraus, gegenüber dem der Mandant vertreten werden kann. Sie wird mit einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 bis 2303 VV RVG vergütet. Die Ausrichtung der Tätigkeit nach außen ist zwingende Voraussetzung für das Entstehen einer Geschäftsgebühr[3]. Ob der Rechtsanwalt den Mandanten nur beraten oder auch vertreten soll, richtet sich nach dem Inhalt des ihm erteilten Auftrags.

Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, ist die auftragsgemäß auf den Entwurf eines Testaments beschränkte Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Beratung und nicht als Betreiben eines Geschäfts zu vergüten. Weder liegt darin das Betreiben eines Geschäfts noch die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags im Sinne der Vorbemerkung 2.3 Absatz 3 VV RVG[4]. Die Beratung und der Entwurf eines Testaments betreffen jeweils nur den Mandanten, der das Testament errichten will. Nichts Anderes gilt für das auftragsgemäße Entwerfen zweier aufeinander abgestimmter Testamente zweier in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenlebender Personen. Dass jede der beiden Personen Kenntnis vom Testament des anderen Teils erhalten sollte, reichte schon deshalb nicht für eine nach außen gerichtete Tätigkeit aus, weil beide Personen den Auftrag erteilt hatten, also keine außerhalb des Mandats stehenden Dritten waren[5]. Die Mitwirkung an einem Vertrag im Sinne der Vorbemerkung 2.3 VV RVG schied aus, weil die beiden Testamente zwar aufeinander bezogen waren, jedoch keine rechtlichen Bindungen erzeugten; sie konnten jederzeit widerrufen oder geändert werden (vgl. § 2302 BGB).

Der Auftrag, ein gemeinschaftliches Testament zu entwerfen, löst ebenfalls keine Geschäftsgebühr aus.

Die Frage, ob der auftragsgemäße Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments mit einer Geschäftsgebühr zu vergüten ist, hat der Bundesgerichtshof im Urteil vom 22.02.2018 ausdrücklich offengelassen[6]. In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Fachliteratur ist sie umstritten. Überwiegend wird sie bejaht[7], weil das gemeinschaftliche Testament mit seinen wechselbezüglichen Verfügungen im gebührenrechtlichen Sinne als Vertrag anzusehen sei. Nach anderer Ansicht kommt es darauf an, ob der Entwurf überhaupt wechselbezügliche Verfügungen enthält. Fehle es hieran, seien die jeweiligen Erklärungen der Testierenden frei widerruflich, weshalb nicht von einer vertraglichen oder vertragsähnlichen Bindung ausgegangen werden könne[8]. Nach wiederum anderer Ansicht kann eine Geschäftsgebühr nicht entstehen, weil ein gemeinschaftliches Testament auch dann, wenn es wechselbezügliche Verfügungen enthalte, gemäß § 1937 BGB durch einseitige Erklärung errichtet werde. Die Mitwirkung bei der Errichtung einer Urkunde stelle für sich genommen nur eine Beratungstätigkeit dar[9].

Der Bundesgerichtshof folgt nunmehr der letztgenannten Ansicht:

Die Mitwirkung bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments stellt kein Betreiben eines Geschäftes im Sinne einer nach außen gerichteten Tätigkeit dar. Sie betrifft nur die Eheleute oder Lebenspartner, welche das gemeinschaftliche Testament errichten (vgl. §§ 2265 BGB, 10 Abs. 4 LPartG). Diese sind die Auftraggeber des Rechtsanwalts. Der Rechtsanwalt vertritt nicht die Interessen des einen gegenüber dem jeweils anderen Teil, was auch im Hinblick auf das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten (§ 43a Abs. 4 BRAO), bedenklich wäre. Eine Vertretung der Eheleute oder Lebenspartner gegenüber außerhalb des Mandatsverhältnisses stehenden Dritten findet ebenfalls nicht statt.

Um eine Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages handelt es sich gleichfalls nicht. Ein gemeinschaftliches Testament ist kein Vertrag, auch dann nicht, wenn es wechselbezügliche Verfügungen (vgl. §§ 2270, 2271 BGB) enthält. Zum Abschluss eines Vertrags bedarf es zweier aufeinander bezogener korrespondierender Willenserklärungen nach §§ 145 ff BGB (Angebot und Annahme)[10]. Ein Testament wird dagegen durch eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Erklärung des Testierenden errichtet. Nach der Legaldefinition des § 1937 BGB stellt es eine einseitige Verfügung von Todes wegen dar. Ein gemeinschaftliches Testament enthält einseitige Verfügungen beider Ehegatten oder Lebenspartner. Sie können in Form wechselbezüglicher Verfügungen in besondere Abhängigkeit voneinander gebracht werden[11]. Dies geschieht jedoch durch einseitige Erklärungen beider Eheleute oder Lebenspartner, nicht gemäß §§ 145 ff BGB durch Angebot und Annahme, die gegenüber dem jeweils anderen Teil zu erklären wären.

Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift der Nr. 2300 VV RVG über die in der Vorbemerkung 2.3 genannten Fälle hinaus verbietet sich, weil die Mitwirkung an einer Vertragsgestaltung ohne Tätigkeit nach außen als zusätzliche Fallgruppe einer Geschäftsgebühr Ausnahmecharakter hat[12]. Sie ist auch nicht deshalb geboten, weil nur auf diese Weise eine die verfassungsmäßigen Rechte des Rechtsanwalts wahrende angemessene Vergütung erreicht werden könnte. Auch § 34 RVG ermöglicht eine angemessene Vergütung[13]. Während die Geschäftsgebühr einen Rahmen von 0,5 bis 2,5 vorsieht und nach dem Gegenstandswert berechnet wird (§ 2 Abs. 1 RVG), bei einer Verfügung von Todes wegen also nach dem Wert des Vermögens des Mandanten (§ 23 Abs. 3 RVG, § 102 GNotKG), gibt es für die in § 34 RVG vorgesehene Gebührenvereinbarung keine gesetzlichen Vorgaben. Der Rechtsanwalt kann dem Mandanten den Abschluss einer Gebührenvereinbarung vorschlagen, die eine angemessene Vergütung seines Aufwandes vorsieht, und das Mandat ablehnen, wenn der Mandant hiermit nicht einverstanden ist[14]. Nach der Konzeption des Gesetzes ist der Abschluss einer Gebührenvereinbarung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 RVG die Regel, die Abrechnung der Vergütung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§ 34 Abs. 1 Satz 2 RVG, § 612 BGB) und die Abrechnung der für Verbraucher geltenden Gebühren gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 RVG die Ausnahme.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. April 2021 – IX ZR 143/20

  1. AG Waren (Müritz), Urteil vom 13.08.2019 – 105 C 623/18[]
  2. LG Neubrandenburg, Urteil vom 26.06.2020[]
  3. BGH, Urteil vom 22.02.2018 – IX ZR 115/17, WM 2018, 1985 Rn. 9[]
  4. BGH, Urteil vom 22.02.2018, aaO Rn. 8; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 24. Aufl., § 34 Rn. 14[]
  5. BGH, Urteil vom 22.02.2018, aaO Rn. 9[]
  6. BGH, Urteil vom 22.02.2018, aaO Rn. 13[]
  7. vgl. etwa OLG Frankfurt, AGS 2015, 505; Mayer/Kroiß/Winkler, RVG, 8. Aufl., § 34 Rn. 17; Ruby, ZEV 2018, 410; Kamps, ErbR 2018, 313, 315, 317[]
  8. OLG Düsseldorf, FamRZ 2013, 727, 728[]
  9. N. Schneider, NJW-Spezial 2017, 731; ders., NJW-Spezial 2018, 315; ders., ErbR 2018, 312, 313[]
  10. vgl. etwa BGH, Urteil vom 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, WM 2018, 1801 Rn.20; vom 14.02.2019 – IX ZR 203/18, WM 2019, 1227 Rn. 9 ff[]
  11. vgl. BeckOK-BGB/Müller-Christmann, 2021, § 1937 Rn. 4[]
  12. BGH, Urteil vom 22.02.2018 – IX ZR 115/17, WM 2018, 1985 Rn. 14[]
  13. vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2018, aaO Rn. 15; N. Schneider, NJW-Spezial 2017, 731, 732[]
  14. vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2018, aaO[]