Beauftragt der Mieter einer Wohnung einen – auf die Einziehung von Ansprüchen gegen Vermieter wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über die Begrenzung der Miethöhe (§ 556d ff. BGB) spezialisierten – Inkassodienstleister mit der Geltendmachung solcher Ansprüche, kann die Erstattung der hierdurch entstandenen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nicht mit der Begründung versagt werden, dass der Vermieter auf eine Leistungsaufforderung des von dem Mieter zuvor eingeschalteten örtlichen Mietervereins keine Reaktion gezeigt hat.

In dem hier entschiedenen Fall hatte die beklagte Vermieterin ihre aus § 556d Abs. 1 BGB folgende Pflicht, von ihren Mietern nur die höchstzulässige Miete zu verlangen, schuldhaft verletzt und den Mietern deshalb Anlass dazu gegeben hat, Ansprüche aus § 556g Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 BGB geltend zu machen. Das Landgericht Berlin hat einen Anspruch der Inkassodienstleisterin auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten gemäß § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1, § 398 BGB, § 4 Abs. 5 RDGEG aF versagt[1]. Dem widersprach nun der Bundesgerichtshof:
Der Anspruch der Inkassodienstleisterin auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten ist nicht deswegen gemindert oder – wie das Landgericht Berlin rechtsfehlerhaft gemeint hat – sogar entfallen, weil die Einschaltung der Inkassodienstleisterin nicht erforderlich im Sinne von § 249 BGB gewesen wäre oder die Mieter gegen ihre Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB verstoßen hätten.
Die Erstattungsfähigkeit der durch die vorgerichtliche Einschaltung der Inkassodienstleisterin entstandenen Rechtsverfolgungskosten kann – anders als das Landgericht Berlin in seinem Hinweisbeschluss unter Bezugnahme auf den Beschluss einer anderen Kammer des Landgerichts[2] noch angedeutet hat – nicht mit der Begründung verneint werden, dass die Mieter durch die Verwendung des kostenfreien „Mietpreisrechners“ der Inkassodienstleisterin hinreichende Anhaltspunkte für die Ermittlung der preisrechtlich zulässigen Miete hätten erlangen und die Vermieterin damit hätten konfrontieren können. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, ist ein Mieter nicht gehalten, nach Nutzung des von der Inkassodienstleisterin angebotenen „Mietpreisrechners“ auf deren Beauftragung zu verzichten und selbst an den Vermieter heranzutreten. Vielmehr darf der Mieter sich auch dann vorgerichtlich grundsätzlich der Hilfe eines Rechtsdienstleisters bedienen[3].
Entgegen der Ansicht des Landgerichts Berlin steht einem Anspruch der Inkassodienstleisterin auf Erstattung der geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten auch nicht entgegen, dass die Mieter zuvor vergeblich den örtlichen Mieterverein eingeschaltet hatten. Die Zuhilfenahme der Inkassodienstleisterin war aus der Sicht der Mieter zur Wahrung ihrer Rechte erforderlich und zweckmäßig, weil die Vermieterin auch auf die Aufforderung des Mietervereins nicht reagiert hatte.
Zwar hat ein Schädiger nicht schlechthin alle durch ein Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten des Geschädigten zu erstatten. Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Schädiger diejenigen Kosten der Rechtsverfolgung zu ersetzen hat, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Maßgeblich ist die ex ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person. Dabei sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es kommt darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt[4].
Ob die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der ergriffenen Maßnahme gegeben ist, entzieht sich dabei einer generalisierenden Betrachtung; dies ist vielmehr vom Tatrichter aufgrund einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen[5]. Der deshalb nur eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung hält die Beurteilung des Landgerichts Berlin nicht stand, weil sie den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen zur Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nicht Rechnung trägt[6].
Insoweit ist hinsichtlich der Beauftragung von Rechtsanwälten anerkannt, dass allein die Tatsache einer ausbleibenden Reaktion des Schuldners auf Zahlungsaufforderungen des Gläubigers nicht dazu führt, dass außergerichtliche Beitreibungsbemühungen als nicht erfolgversprechend anzusehen sind und insbesondere in Fällen, in denen – wie auch hier – der Grund für die Nichtzahlung im Dunkeln bleibt, die Zuhilfenahme eines Rechtsanwalts zweckmäßig ist[7]. Ist der Schuldner hingegen etwa bekanntermaßen zahlungsunwillig und erscheint der Versuch einer außergerichtlichen Forderungsdurchsetzung auch nicht aus sonstigen Gründen erfolgversprechend, sind die dadurch verursachten Kosten nicht zweckmäßig[8]. Die Grundsätze gelten – wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat[9] – auch bei der hier gegebenen Einschaltung eines Inkassodienstleisters[10].
Nach dieser Maßgabe durften im gegebenen Fall die Mieter aufgrund des unterbliebenen Bestreitens ihrer Forderungen aus ex ante-Sicht davon ausgehen, dass sie die Vermieterin mittels der Tätigkeit der Inkassodienstleisterin zur Erfüllung ihrer Forderungen bewegen könnten.
Der Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten steht dabei nicht entgegen, dass die Mieter mit Schreiben vom 09.02.2017 zunächst selbst den Versuch unternommen hatten, Ansprüche gegen die Vermieterin im Zusammenhang mit den Regelungen über die „Mietpreisbremse“ durchzusetzen. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass es dem Mieter – schon wegen der Komplexität der Materie – unbenommen ist, sich zur Durchsetzung seiner Rechte aus der „Mietpreisbremse“ eines Inkassodienstleisters, wie der Inkassodienstleisterin, zu bedienen[3]. Dies stellt auch das Landgericht Berlin nicht in Frage.
Zu Unrecht hat das Landgericht Berlin jedoch angenommen, die Ersatzfähigkeit der von der Inkassodienstleisterin geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten sei zu verneinen, weil die Mieter sich vor deren Einschaltung bereits der Hilfe des Mietervereins bedient hatten.
Das Landgericht Berlin hat den Mieterverein als qualifiziert, besonders sachkundig, problemerfahren und routiniert beurteilt; ferner hat es ihm eine „besondere Durchsetzungsmacht“ zugeschrieben. Diese Gesichtspunkte hat es als ausschlaggebend für seine klageabweisende Entscheidung angesehen. Es darf dem Mieter indes nicht zum Nachteil gereichen, dass er sich qualifizierter Unterstützung bedient hat, zumal der Mieterverein nach den Feststellungen des Landgerichts Berlin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten nicht von der Vermieterin verlangt hat. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, muss der Gläubiger ungeachtet der Spezialisierung eines zunächst beauftragten Rechtsdienstleisters bei unterbliebener Reaktion des Schuldners nicht davon ausgehen, dass die außergerichtliche Tätigkeit eines Rechtsanwalts von vornherein aussichtslos war[11]. Dies gilt in gleicher Weise jedenfalls dann, wenn der Mieter – wie hier – einen seinerseits spezialisierten Inkassodienstleister mit der erneuten außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung beauftragt, nachdem er zuvor vergeblich den örtlichen Mieterverein eingeschaltet hatte.
Das vorgenannte Urteil des Bundesgerichtshofs hat das Landgericht Berlin im Ausgangspunkt zwar gesehen, es hat sich jedoch – wie die Revision zu Recht rügt – in seinen weiteren Ausführungen dazu in Widerspruch gesetzt. Dies hat bereits der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin in seinem Beschluss vom 13.06.2022[12] beanstandet. Das Unterbleiben einer Reaktion auf die Aufforderung des Mietervereins lässt entgegen der Ansicht des Landgerichts Berlin gerade nicht den Schluss zu, dass die sich daran anschließende außergerichtliche Tätigkeit der Inkassodienstleisterin als nicht erfolgversprechend anzusehen gewesen wäre. Da die Vermieterin auf das Schreiben des Mietervereins weder die Erfüllung der Forderungen der Mieter (ernsthaft und endgültig) verweigert hat noch Anhaltspunkte dafür ersichtlich waren, dass sie aus der ex ante-Sicht der Mieter – zu den verlangten Leistungen nicht in der Lage gewesen wäre, ist ein Fall, in welchem die außergerichtlichen Leistungsaufforderungen durch den Rechtsdienstleister als nicht erfolgversprechend und daher als von vornherein nicht zweckmäßig anzusehen sein könnten, nicht gegeben.
Bundesgerichtshof, Versä, umnisurteil vom 20. September 2023 – VIII ZR 247/22
- LG Berlin, Urteil vom 06.10.2022 – 67 S 266/19[↩]
- LG Berlin, Beschluss vom 26.07.2018 – 67 S 157/18, NJW 2018, 2901 Rn. 23; dieser aufgehoben durch BVerfG, NZM 2021, 803[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 27.05.2020 – VIII ZR 384/18, WuM 2020, 650 Rn. 10, und – VIII ZR 58/19, Rn. 12[↩][↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 07.12.2022 – VIII ZR 81/21, NJW 2023, 1368 Rn. 22; vom 24.02.2022 – VII ZR 320/21, NJW-RR 2022, 707 Rn. 18; vom 01.09.2020 – X ZR 97/19, NJW-RR 2020, 1507 Rn. 36; vom 17.09.2015 – IX ZR 280/14, NJW 2015, 3793 Rn. 8[↩]
- BGH, Beschluss vom 31.01.2012 – VIII ZR 277/11, NZM 2012, 607 Rn. 4 mwN[↩]
- so auch bereits VerfGH Berlin, Beschluss vom 13.06.2022 – 205/20, Rn. 17[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 24.02.2022 – VII ZR 320/21, NJW-RR 2022, 707 Rn. 22; vom 17.09.2015 – IX ZR 280/14, NJW 2015, 3793 Rn. 11[↩]
- BGH, Urteil vom 28.05.2013 – XI ZR 148/11, Rn. 35; Beschluss vom 25.04.2022 – VIa ZR 524/21, Rn. 8[↩]
- BGH, Urteil vom 07.12.2022 – VIII ZR 81/21, NJW 2023, 1368 Rn. 26[↩]
- vgl. auch BVerfG, NJW 2023, 2712 Rn. 22[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.09.2017 – X ZR 102/16, NJW 2018, 1251 Rn. 34 [zur Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der erneuten außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung, nachdem die Schuldnerin auf eine von einem spezialisierten Rechtsdienstleister ausgesprochene Zahlungsaufforderung nicht reagiert hatte][↩]
- VerfGH Berlin, Beschluss vom 13.06.2022 – 205/20, Rn. 16[↩]








