Es ist rechtswidrig, einen Rechtsanwalt, der seinen Mandanten, der an einer Blockade durch eine Betonpyramide teilnimmt, an der Kontaktaufnahme dadurch zu hindern, dass er an den äußeren Polizeiabsperrungen um die Blockade längere Zeit aufgehalten wird, nachdem er sich als Rechtsanwalt legitimiert hat. Insoweit liegen die Voraussetzungen des niedersächsischen Polizeigesetzes (Nds. SOG) für entsprechende Eingriffsmaßnahmen nicht vor.

Allerdings ist es gerechtfertigt, einem Rechtsanwalt einen Platzverweis nach § 17 Abs. 1 Nds. SOG zu erteilen und ihn deshalb hinter die Absperrung zu verweisen, solange die polizeilichen Arbeiten an der Betonpyramide andauern.
Mit dieser Begründung hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht der Berufung dreier Rechtsanwälte zu einem Teil stattgegeben, zu einem Teil verworfen. Die Rechtsanwälte waren als Mitglieder eines sogenannten „Anwaltlichen Notdienstes“ im November 2006 im Rahmen der Proteste gegen den Castor-Transport nach Gorleben tätig. Am Abend des 12. November 2006 wurde auf die planmäßige Straßentransportstrecke in Langendorf eine Betonpyramide verbracht, an der sich vier Personen angekettet hatten. Die Kläger gelangten nach vorhergehenden polizeilichen Kontrollen mit Verzögerung zu den angeketteten Personen und verblieben dort, bis die technischen Vorbereitungen zur Beseitigung der Störung beendet waren. Die klagenden Rechtsanwälte mussten sich gegen 23.00 Uhr hinter eine Sperre ca. 15 Meter von der Pyramide entfernen, bis gegen 0.45 Uhr am 13. November 2006 alle vier Personen von der Pyramide gelöst und diese gegen 1.15 Uhr in Krankenhäuser verbracht worden waren.
Die Kläger begehrten vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg die Feststellung, dass die von ihnen als Behinderung ihrer anwaltlichen Berufsausübung bezeichneten polizeilichen Maßnahmen, insbesondere die Beschränkungen des Zuganges zu ihren angeketteten Mandanten und die Erteilung von Platzverweisen, rechtswidrig gewesen seien. Das Verwaltungsgericht wies die Klage als unzulässig ab. Dagegen haben die Rechtsanwälte Berufung eingelegt.
Nach Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts war es danach rechtswidrig, die Kläger an äußeren Polizeiabsperrungen um Langendorf längere Zeit aufzuhalten, nachdem sie sich als Rechtsanwälte legitimiert hatten. Ebenso rechtswidrig war es, sie ab 0.45 Uhr nicht wieder zu den von der Pyramide gelösten Mandanten zu lassen. Insoweit lagen jeweils die Voraussetzungen des niedersächsischen Polizeigesetzes (Nds. SOG) für entsprechende Eingriffsmaßnahmen nicht vor. Hingegen war es gerechtfertigt, den Klägern einen Platzverweis nach § 17 Abs. 1 Nds. SOG zu erteilen und sie deshalb hinter die Absperrung zu verweisen, solange die polizeilichen Arbeiten an der Betonpyramide andauerten. Andernfalls hätten sie diese Arbeiten behindert. Eine rechtswidrige Beeinträchtigung der anwaltlichen Berufsausübung hat das Nieder sächsische Oberverwaltungsgericht insoweit nicht erkennen können.
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 30. August 2012 – 11 LB 372/10